Perioperatives Management - Rectumresektion, robotisch assistiert mit total mesorectaler Exzision (TME)

  1. Indikation

    Beim Rektumkarzinom erfordert die kurative Therapie in aller Regel neben der Resektion des Primärtumors im Gesunden (d.h. mit ausreichendem Sicherheitsabstand) die partielle oder totale Entfernung des Mesorektums (PME, TME) und damit die Entfernung des regionären Lymphabflussgebiets. Nur in streng selektionierten Fällen ist eine kurative Resektion durch lokale Maßnahmen möglich. 

    Die Indikationen zur robotisch-assistierten tiefen anterioren Rektumresektion umfassen daher:

    • histologisch gesicherter maligne Neoplasie des Rektums
    • endoskopisch nicht oder nicht vollständig abtragbarer Tumor mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie 
    • jede tiefergehende tumoröse Raumforderung im Rektum mit einem hochgradigen Verdacht auf einen malignen Prozess 

    Die Indikationsstellung zum operativen Verfahren beim Rektumkarzinom ist grundsätzlich von der Tumorlokalisation, insbesondere der Beziehung zur Linea dentata und dem Levatorschenkel, der Tiefeninfiltration und der Sphinkterfunktion abhängig. Nach Möglichkeit sind hierbei kontinenzerhaltende Verfahren unter Abwägung der zu erwartenden späteren Lebensqualität zu bevorzugen. Bei schlechter Sphinkterfunktion sollte an Stelle einer tiefen anterioren Resektion die Anlage einer permanenten Kolostomie bevorzugt werden, die dann abhängig um zu erzielenden Sicherheitsabstand vom Beckenboden als Rektumexstirpation oder Beckenbodenerhaltend ausgeführt wird. Wenn also nach aboral kein ausreichender Sicherheitsabstand durch eine tiefe anteriore  Rectumresektion  gewährleistet werden kann, sind folgende Verfahren je nach exakter Höhenlokalisation und ggf. Infiltration anzuwenden:

    • die intersphinktere Rektumresektion 
    • die abdomino-perineale Rektumexstirpation,

    Lokalisation

    Besonderheit

    Resektionsverfahren

    oberes Drittel

     

    anteriore Resektion

    mittleres Drittel

     

    tiefe anteriore Resektion

    unteres Drittel

     

    ultratiefsitzend

    ohne Infiltration der Puborectalisschlinge, aboraler Abstand >0,5 cm

    intersphinctäre Resektion

     

    Infiltration der Puborectalisschlinge, aboraler Abstand <0,5 cm

    abdominoperineale Rectumextirpation

    In Deutschland sind die Empfehlungen zur Therapie des Kolon- und Rectumkarzinoms in der S3-Leitlinie verankert (S3 Leitlinie Kolorectales Karzinom (Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom. Stand: 30.11.2017. gültig bis 29.11.2022, Abgerufen am: 14.04.2023)

    Die folgende Tabelle fasst die therapeutischen Konzepte in Abhängigkeit der vorliegenden Tumorsituation und Ausbreitung zusammen: 

    UICC

    TNM

    Subgruppe

    Therapieempfehlung

    I

    T1, N0, MO

    <3cm, G1-G2, L0, R0

    lokale Exzision ausreichend (TEM= transanale Mikrochirurgie)

     

     

    >3cm oder G3 oder L1, R1/2

    onkologische Operation je nach Höhenlokalisation (TAR, intersphinctäre Resektion, Extirpation (siehe unten)

    I

    T2, N0, M0

     

    onkologische Operation je nach Höhenlokalisation (TAR, intersphinctäre Resektion, Extirpation (siehe unten)

    II

    T3/T4, N0, M0

    oberes Drittel

    TAR

     

     

    mittleres/unteres Drittel

    neoadjuvante Radiochemotherapie +

     

     

     

    onkologische Operation je nach Höhenlokalisation (TAR, intersphinctäre Resektion, Extirpation (siehe unten)

    III

    jedes T, N+, M0

    oberes Drittel

    TAR

     

     

    mittleres/unteres Drittel

    neoadjuvante Radiochemotherapie +

     

     

     

    onkologische Operation je nach Höhenlokalisation (TAR, intersphinctäre Resektion, Extirpation (siehe unten)

    IV

    jedes T, jedes N, M+

    grundsätzlich

    Inidvidualisierte Konzepte

     

     

    symptomatischer Primarius (Blutung)

    primäre Resektion

     

     

    symptomatischer Primarius (Stenose)

    primär Stomaanlage 

     

     

    einzelne oberflächliche M hep

    Resektion im Rahmen des Primariusresektion möglich

     

     

    M hep ausgedehnt resektabel

    Liver first oder Chemo first

     

     

    M hep ausgedehnt irresektabel

    initial primär systemische Therapie bei asymptomatischem Primarius und "Liver first" Konzept

     

     

    M per

    ggf. HIPEC bei PCI<20 (Pertitonealkarzinoseindex)

     

    Anmerkungen:

    • Eine Vollwandexzision ist nur bei T1 Tumoren mit einem Durchmesser von unter 3 cm bei einer guten bis mäßigen Differenzierung ohne Lymphgefäßinvasion und nach R0 Resektion ausreichend. Allerdings ist auch hier mit einem höheren Rezidivrisiko zu rechnen bei insgesamt deutlich geringer Komplikationsrate und besseren funktionellen Ergebnissen. Technisch erscheint die transanale Mikrochirurgie empfehlenswert.
    • UICC II und III Situationen werden bei Tumoren des mittleren und unteres Drittels in der Regel einem neoadjuvanten Konzept zugeführt mit der Operation vorgeschalteter Radiotherapie oder Radiochemotherapie. Das Konzept bei Tumoren des oberen Drittels folgt dem des Kolonkarzinoms (vergleiche Beitrag zur robotisch assistierten onkologischen Sigmaresektion).
    • cT3 Tumoren des mittleren Drittels ohne Lymphgefäß- oder Gefäßinvasion und mit sehr limitierter perirectaler Fettgewebsinfiltration im MRT werden in der Regel ebenso einer primären Operation zugeführt.
    • Kompletter Response: In den (eher seltenen) Fällen, in denen nach neoadjuvanter Radiochemotherapie klinisch, endoskopisch und durch bildgebende Verfahren (Endosonographie und MRT, alternativ evtl. auch CT) kein Tumor mehr nachweisbar ist, kann auf jegliche Operation verzichtet werden. Voraussetzung für ein rein beobachtendes Vorgehen ist die gründliche Aufklärung des Patienten über die noch unzureichende Validierung dieses Vorgehens und die Bereitschaft des Patienten, sich einer sehr engmaschigen mindestens 5-jährigen Nachsorge zu unterziehen. Die optimale Gestaltung der Nachsorge bzw. des „watch & wait“ ist Gegenstand von Studien; folgendes Follow-up Procedere kann nach Maßgabe einer internationalen Expertenkommission empfohlen werden: Follow-up für 5 Jahre nach Dokumentation der cCR; für drei Jahre 3-monatlich CEA, dann halbjährlich; für zwei Jahre 3-monatlich digital-rektale Untersuchung, MRT und Endoskopie, dann halbjährlich; für 5 Jahre CT Thorax/Oberbauch Monate 6,12,24,36,48,60.
  2. Kontraindikationen

    Die Allgemeine Kontraindikationen für das robotische Vorgehen orientieren sich an den generellen Kontraindikationen für minimalinvasives Vorgehen. Dies betrifft:

    • Kontraindikationen für die Anlage eines Pneumoperitoneum z.B. 
      • aufgrund schwerwiegender Systemerkrankung, 
      • oder eines manifesten Ileus mit massivster Darmdistension
      • alle klinischen Situationen mit einem abdominellen Kompartmentsyndrom
      • Massiver Verwachsungsbauch (hostile Abdomen)

    Zudem sind relative Kontraindikationen zu bedenken, bei denen ggf. eine präoperative Optimierung möglich ist, wie:

    • Schwerwiegende Gerinnungsstörungen (Quick < 50%, PTT > 60 sec., Thrombozyten < 50/nl), 
    • ausgeprägte portale Hypertension mit Caput medusae
  3. Präoperative Diagnostik beim Rektumkarzinom

    • Staging
      • Komplette Koloskopie 
        • Goldstandard in der Diagnostik des kolorektalen Karzinoms
        • zur Lokalisationsdiagnostik und zur histologischen Sicherung und zum Ausschluss eines Zweitkarzinoms (ca. 5% der Fälle)
        • Falls koloskopisch das gesamte Kolon einsehbar ist, kann eine CT- oder MR-Kolonografie eingesetzt werden.
        • Nach notfallmäßiger Operation (Ileus, Tumorperforation, koloskopisch nicht stillbare Blutung): postoperative Koloskopie nach Anastomosenheilung und Rekonvaleszenz des Patienten zum Ausschluss eines synchronen Doppelkarzinoms 
      • Histo-Pathologischer Nachweis des Malignoms
      • CEA

    BemerkungAls weitere Tumormarker werden CA 19-9, CA 125 diskutiert, aber ohne positives Votum seitens der Leitlinie  

      • Röntgen Thorax in 2 Ebenen bzw. CT-Thorax
      • Sonographie des Abdomens bzw. CT-Abdomen
      • MRT des kleinen Beckens 
      • Rectale Endosonographie
      • Ggf. CEUS (Kontrastmittelsonographie) bei V.a. hepatische Filialisierung
      • Ggf. MRT-Leber bei V.a. hepatische Filialisierung

    Bemerkung: Auch wenn in der S3-Leitlinie ein CT-Abdomen bzw. CT-Thorax-Abdomen als nicht obligat erachtet wird, wird es doch in den meisten Kliniken durchgeführt. 

    • Weitere präoperative Umfelddiagnostik
      • Klinische Untersuchung
      • Laboruntersuchungen (chirurgische Routine: Kl. BB, CRP, Elyte, BZ, Gerinnung, Nierenwerte, Leberwerte, Bilirubin, Blutgruppe) + ggf. 2 EKS je nach Klinikstandard
      • EKG
      • Lungenfunktionsdiagnostik bei Anamnese
      • Blutgasanalyse (BGA) bei COPD/COLD
      • Herzecho mit Ejektionsfraktion (EF) bei V.a. Herzinsuffizienz

    Cave: Nach erfolgter Diagnostik beginnt die therapeutische Phase jedes Rektumkarzinoms mit der Vorstellung in einer interdisziplinären Tumorkonferenz zur Festlegung des weiteren Vorgehens.

  4. Präoperative Vorbereitung

    • Präoperative Vorbereitung auf Station
      • Atemtraining: ab Aufnahmetag zur Pneumonieprophylaxe 
      • Körperpflege: am Vorabend duschen (Antiseptica)
      • Rasur: Mamillen bis einschl. Genitale
      • AP-Versorgung: ggf. wasserfest anzeichnen
      • Prämedikation durch Anästhesie: wenn keine Kontraindikation immer PDK
      • bei reduziertem AZ und EZ zusätzlich hochkalorische enterale Ernährungslösung (3 Tage präoperativ)
      • Thromboseprophylaxe
      • Präoperative Darmvorbereitung: Die derzeitige Datenlage spricht für eine anterograde Darmspülung unter synchroner Zugabe von topischen oralen Antibiotika (z.B. 8g Paromomycin am Vorabend der OP).
      • Am Morgen der OP: Gabe eines Doppelklysmas.
      • Thromboseprophylaxe: (in der Regel „Clexane 40“), AT-Strümpfe

     Cave: Präoperatives Überprüfen und Anpassen der Therapie mit Antikoagulantien: 

      • Die perioperative Therapie mit Aspirin kann weitergeführt werden. 
      • Clopidogrel (ADP-Inhibitor) sollte mindestens 5 Tage prä OP pausiert werden. 
      • Vitamin K- Antagonisten sollten 7-10 Tage unter Kontrolle des INR pausiert werden.
      • DOAK (direkte orale Antikoagulanzien)  sollten in der Regel 48h  präoperativ pausiert werden 
      • Immer ggf. nach RS mit dem behandelnden Kardiologen 
    • Bridging: 
      • bei Vitamin-K-Antagonisten: Bridging mit kurzwirksamen Heparinen wenn INR außerhalb des Zielbereichs
      • Bei DOAKS kann aufgrund der Kurzen HWZ in der Regel ein Bridging entfallen. Bei sehr hohem Verschluss-/Insultrisiko: Bridging unter stationären Bedingungen mit UFH und aPTT-Kontrolle 
    • Präoperative Vorbereitung im Op
      • Einlage eines Dauerkatheters
      • PDK-Anlage
      • ZVK-Anlage: in der Regel während der Narkoseeinleitung.
      • Ggf. Arterie im Rahmen der Einleitung
      • Perioperative Antibiose mit z.B. Unacid
  5. Aufklärung

    Wichtige Punkte der Aufklärung:

    • Indikation, geplantes operatives Vorgehen (incl. Stomaanlage), Nachbehandlung, mögliche Alternativen
    • Blutung/ Nachblutung mit Gabe von Fremdblut
    • Drainageneinlage, DK-Einlage
    • Mögliche Notwendigkeit operative Revision aufgrund einer Komplikation
    • Anastomoseninsuffizienz mit lokaler bzw. generalisierter Peritonitis und Sepsis, Reoperation, offener Bauchbehandlung, Diskontinuitätsresektion
    • Anlage eines protektiven Ileostomas als fester Teil der OP-Planung z.B. bei tiefen Tumoren nach neoadjuvanter Therapie
    • Möglichkeit/Notwendigkeit der fakultativen und nicht geplanten Anlage eines Stomas (protektives Ileostoma vs. endständiges Stoma)
    • Intraabdominelle Abszessbildung mit Notwendigkeit einer interventionellen oder operativen Maßnahme
    • Wundinfektion
    • Platzbauch
    • Narbenhernie/Trokarhernie
    • Tumorrezidiv
    • Verletzung des Ureters, der Iliakalgefäße, der Harnblase, Milz, Niere, Pankreas, Dünndarm, weiterer Kolonabschnitte
    • Verletzung des Sphincterapparates 
    • Notwendigkeit einer operativen Erweiterung, ggf. Extirpation 
    • Konversion auf eine Laparotomie 
    • Änderung des Stuhlverhaltens
    • Bei Eingehen in das kleine Becken: Impotentia coeundi beim Mann, Stuhlinkontinenz und Blasenentleerungsstörungen durch Verletzung der Nervi hypogastrici inferiores, Verletzung des inneren Genitals bei der Frau
Anästhesie

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