Evidenz - Rectumresektion, robotisch assistiert mit total mesorectaler Exzision (TME)

  1. Zusammenfassung der Literatur

    Stagingdiagnostik:

    • Komplette Koloskopie
      • Goldstandard in der Diagnostik des kolorektalen Karzinoms
      • zur Lokalisationsdiagnostik und zur histologischen Sicherung und zum Ausschluss eines Zweitkarzinoms (ca. 5% der Fälle)
      • Falls koloskopisch das gesamte Kolon einsehbar ist, kann eine CT- oder MR-Kolonografie eingesetzt werden.
      • Nach notfallmäßiger Operation (Ileus, Tumorperforation,koloskopisch nicht stillbare Blutung): postoperative Koloskopie nach Anastomosenheilung und Rekonvaleszenz des Patienten zum Ausschluss eines synchronen Doppelkarzinoms 
    • Histologische Sicherung 
    • Laboruntersuchung mit Bestimmung des CEA-Werts

    Bemerkung: Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose ist bei etwa 30 % aller kolorektaler Karzinome der Tumormarker CEA erhöht und sollte daher präoperativ bestimmt werden. In der Tumornachsorge ist das CEA bei den Marker exprimierenden Tumoren ein zuverlässiger Hinweis auf ein Rezidiv und zudem im Falle von Lebermetastasen ein unabhängiger Prognosefaktor. Die Bedeutung von CA 125 als Verlaufsparameter zur weiteren Behandlung einer nachgewiesenen Peritonealkarzinose ist derzeit unklar (1, 2). CA 19-9 wird als weiterer Tumormarker rezidivierend diskutiert, erhöht die Aussagefähigkeit bezüglich des Vorliegens eines Rezidivs im Vergleich zu einer alleinigen CEA-Wert-Bestimmung allerdings nicht.  

    • Röntgen Thorax in 2 Ebenen
    • Sonographie des Abdomens
    • MRT des kleines Beckens
    • Rectale Endo-Sonographie 
    • Ggf. CEUS (Kontrastmittelsonographie) bei V.a. hepatische Filialisierung
    • Ggf. MRT Leber bei V.a. hepatische Filialisierung

    Bemerkung: Auch wenn in der S3-Leitlinie ein CT-Abdomen bzw. CT-Thorax-Abdomen als nicht erforderlich erachtet wird, wird es doch in den meisten Kliniken durchgeführt. Es dient neben der Detektion von hepatischen Filiae auch der Beurteilung des Primarius, ggf. vergrößerter Lymphknoten, sowie der Beurteilung der Lagebeziehung des tumortragenden Kolons zu weiteren Strukturen, wie den Ureteren und deren Verlauf.

    Aus (3): Körber et al.: S3-Leitline colorectales Karzinom, Leitlinienprogramm Onkologie der AWMF, Deutschen Krebsgesellschaft e.V. und Deutschen Krebshilfe. Stand: 2019. Abgerufen am: 03.07.2019. 

    Interdisziplinäre Tumorkonfrerenz:

    Alle Patienten mit kolorektalen Karzinomen sollen nach Abschluss der Primärtherapie (z.B. Operation, Chemotherapie) in einer interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden. In einer Studie aus Großbritannien konnte durch dieses Vorgehen das Überleben der Patienten signifikant gesteigert werden (4). 

    Zwingend bereits prätherapeutisch sollen Patienten in folgenden Konstellationen vorgestellt werden (3):

    • jedes Rektumkarzinom
    • jedes Kolonkarzinom im Stadium IV
    • Fernmetastasen
    • Lokalrezidive
    • vor jeder lokal ablativen Maßnahme

    TNM-Klassifikation:

    Das TNM-System für das Rektumarzinom ist folgendermaßen definiert (5):

    T1

    Submukosa

     

    T2

    Muscularis propria

    T3

    Perirektales Gewebe: Mesorektum

    T4

    T4a   Viszerales Peritoneum

    T4b   Andere Organe/Strukturen

     

    N1/2

    N1a   1 regionäre Lymphknotenmetastase

    N1b   2–3 regionäre Lymphknotenmetastasen

    N1c   Satelliten/Tumorknötchen im Mesorektum

    N2a   4–6 regionäre Lymphknoten

    N2b   >6 regionäre Lymphknoten

     

    M1

    M1a   Metastasen auf ein Organ beschränkt (Leber, Lunge, Ovar, nichtregionäre Lymphknoten, keine Peritonealmetastasen)

    M1b   Metastasen in mehr als einem Organ

    M1c   Metastasen im Peritoneum mit/ohne Metastasen in anderen Organen

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    In Deutschland sind die Empfehlungen zur Therapie des Kolon- und Rectumkarzinoms in der S3-Leitlinie verankert (S3 Leitlinie Kolorectales Karzinom (Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom. Stand: 30.11.2017. gültig bis 29.11.2022, Abgerufen am: 14.04.2023)

    Die UICC-Stadien ergeben sich dann wie folgt:

    UICC-Stadium

    TNM

    0

    Tis (Carcinoma in situ)

    I

    Bis T2, N0, M0

    II

     

    IIA

    T3, N0, M0

    IIB

    T4a, N0, M0

    IIC

    T4b, N0, M0

    III

     

    IIIA

    Bis T2, N1, M0 oder T1, N2a, M0

    IIIB

    T3/T4, N1, M0 oder T2/T3, N2a, M0 oder T1/T2, N2b, M0

    IIIC

    T4a, N2a, M0 oder T3/T4a, N2b, M0 oder T4b, N1/N2, M0

    IV

     

    IVA

    Jedes T, jedes N, M1a

    IVB

    Jedes T, jedes N, M1b

    IVC

    Jedes T, jedes N, M1c

    Höheneinteilung der Rektumkarzinome:

    Zur Therapieplanung ist eine Einteilung der Rektumkarznome nach ihrem Abstand von der Linea anocutanea vorzunehmen (nach UICC):

    Unteres Rektumdrittel < 6 cm 

    Mittleres Rektumdrittel > 6 – 12 cm 

    Oberes Rektumdrittel > 12 – 16 cm 

    Therapieplanung

    Die Therapie des Rektumkarzinoms leitet sich aus den in der Diagnostik ermittelten TNM- und UICC Stadien ab (3):

    UICC

    TNM

    Subgruppe

    Therapieempfehlung

    I

    T1, N0, MO

    <3cm, G1-G2, L0, R0

    lokale Exzision ausreichend (TEM= transanale Mikrochirurgie)

     

     

    >3cm oder G3 oder L1, R1/2

    onkologische Operation je nach Höhenlokalisation (TAR, intersphinctäre Resektion, Extirpation (siehe unten)

    I

    T2, N0, M0

     

    onkologische Operation je nach Höhenlokalisation (TAR, intersphinctäre Resektion, Extirpation (siehe unten)

    II

    T3/T4, N0, M0

    oberes Drittel

    TAR

     

     

    mittleres/unteres Drittel

    neoadjuvante Radiochemotherapie +

     

     

     

    onkologische Operation je nach Höhenlokalisation (TAR, intersphinctäre Resektion, Extirpation (siehe unten)

    III

    jedes T, N+, M0

    oberes Drittel

    TAR

     

     

    mittleres/unteres Drittel

    neoadjuvante Radiochemotherapie +

     

     

     

    onkologische Operation je nach Höhenlokalisation (TAR, intersphinctäre Resektion, Extirpation (siehe unten)

    IV

    jedes T, jedes N, M+

    grundsätzlich 

    Inidvidualisierte Konzepte

     

     

    symptomatischer Primarius (Blutung)

    primäre Resektion

     

     

    symptomatischer Primarius (Stenose)

    primär Stomaanlage 

     

     

    einzelne oberflächliche M hep

    Resektion im Rahmen des Primariusresektion möglich

     

     

    M hep ausgedehnt resektabel

    Liver first oder Chemo first

     

     

    M hep ausgedehnt irresektabel

    inital primär systemische Therapie bei asymptomatischem Primarius und "Liver first" Konzept

     

     

    M per

    ggf. Peritoneektomie mit HIPEC bei PCI<20 (Pertitonealkarzinoseindex)

    (TAR: tiefe anteriore Rectumresektion, TEM: transanale Mikrochirurgie, HIPEC: hypertherme intraperitoneale Chemotherapie, PCI: Peritonealcarcinose-Index)

    Operatives Vorgehen:

    Beim Rektumkarzinom erfordert die kurative Therapie in aller Regel neben der Resektion des Primärtumors im Gesunden (d.h. mit ausreichendem Sicherheitsabstand) die Entfernung des regionären Lymphabflussgebiets mit Absetzung der A. mesenterica inferior zumindest distal des Abgangs der A. colica sinistra (sog. low tie) und die partielle oder totale Entfernung des Mesorektums (PME=partielle mesorectale Exzision, TME=totale mesorectale Exzision). Die abgangsnahe Unterbindung der A. mesenterica inferior (sog. high tie) hat keine prognostische Bedeutung, sie wird aber häufig aus operationstechnischen Gründen zur ausreichenden Mobilisation des linken Hemikolons zur Rekonstruktion durchgeführt (6). 

    Nur in streng selektionierten Fällen ist eine kurative Resektion durch lokale Maßnahmen möglich. Dies umfasst kleine Karzinome (<3cm), die gut differenziert sind (G1, G2) und weder Lymphgefäße noch Gefäße involvieren (L0, V0) (sog. Low-risk Situation). Hierbei sollte die sogenannte TEM (transanale Mikrochirurgie) zur Anwendung kommen (7, 8). 

    Cave: Bei T1-High-Risk-Karzinomen (G3/4 u./o. Lymphgefäßinvasion) und bei T2- Karzinomen liegt das Auftreten von Lymphknotenmetastasen bei 10–20%, sodass die alleinige lokale Exzision leitliniengerecht nicht empfohlen werden kann (3).

    Bemerkung:  Stellt sich erst post resectionem nach lokaler Resektion eine high-risk Konstellation heraus, sollte innerhalt eines Monates eine radikal-onkologische Operation erfolgen (9, 10). Wenn der Patient diese ablehnt, kann als Einzelfallentscheidung durch das Tumorboaerd eine adjuvante Radiochemotherapie zur Prognoseverbesserung angeboten werden. 

    Als TME/PME versteht man die scharfe Dissektion entlang anatomischer Strukturen zwischen Fascia pelvis visceralis und parietalis mit der kompletten Entfernung des Mesorektums beim Karzinom des mittleren und unteren Rektumdrittels und der partielle Mesorektumexzision beim Karzinom des oberen Rektumdrittels.

    Cave: Wichtig ist hierbei die Die Schonung der autonomen Beckennerven (Nn. hypogastrici, Plexus hypogastrici inferiores et superior). 

    Die Indikationen zur robotisch-assistierten tiefen anterioren Rektumresektion umfassen daher:

    • histologisch gesicherter maligne Neoplasie des Rektums
    • endoskopisch nicht oder nicht vollständig abtragbares mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie 
    • jede tiefergehende tumoröse Raumforderung im Rectum mit einem hochgradigen Verdacht auf einen malignen Prozess

    Die Indikationsstellung zum operativen Verfahren beim Rektumkarzinom ist grundsätzlich von der Tumorlokalisation, insbesondere der Beziehung zur Linea dentata und den Levatorschenkeln, der Tiefeninfiltration und der Sphinkterfunktion abhängig. Nach Möglichkeit sind hierbei kontinenzerhaltende Verfahren unter Abwägung der zu erwartenden späteren Lebensqualität zu bevorzugen. Bei schlechter Sphinkterfunktion sollte an Stelle einer tiefen anterioren Resektion die Anlage einer permanenten Kolostomie bevorzugt werden, die dann abhängig vom zu erzielenden Sicherheitsabstand vom Beckenboden als Rektumexstirpation oder Beckenbodenerhaltend ausgeführt wird. 

    Wenn nach aboral kein ausreichender Sicherheitsabstand durch eine tiefe anteriore Rektumresektion gewährleistet werden kann, sind folgende Verfahren je nach exakter Höhenlokalisation und ggf. Infiltration anzuwenden:

    • die intersphinktere Rektumresektion 
    • die abdomino-perineale Rektumexstirpation, 

     

    Sicherheitsabstände

    Bei Tumoren des oberen Rektumdrittels (>12 -16 cm ab Linea anocutanea) erfolgt die Durchtrennung des Rektums 5 cm distal des makroskopischen Tumorrands. Zudem erfolgt hier die PME. Ein sog. Coning (konische Formierung des Resektates nach distal) ist zu vermeiden.

    Cave: Bei T3- und T4-Tumoren können Satellitenknoten oder Lymphknotenmetastasen in bis zu 4 cm distal des makroskopischen Tumorrand vorkommen (11, 12). 

    Ohne neoadjuvante Therapie ist bei Low-Grade-Tumoren mit guter oder mäßiger Differenzierung im unteren Rektumdrittel ein Sicherheitsabstand von 1-2cm in situ einzuhalten. Bei High-Grade-Tumoren (G3/4) ist ein größerer Sicherheitsabstand anzustreben. 

    Bei distalen Tumoren des unteren Drittels kann nach neoadjuvanter Radiochemotherapie zur Abwendung einer ansonsten notwendigen Exstirpation auch ein aboraler Abstand von 0,5cm ausreichen. 

    Bemerkung: Es ist hier unbedingt ein intraoperativer Schnellschnitt zu fordern mit dem Nachweis der Tumorfreiheit des aboralen Resektionsrandes. 

    Bei Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels soll die totale Mesorektumexzision (TME) bis zum Beckenboden erfolgen.

     

    Rekonstruktion nach total mesorektaler Exzision 

    Die tiefe und ultratiefe Rektumresektion mit Anastomose kann unter Umständen mit massiven und für die jeweiligen Patienten überaus belastenden funktionellen Darmentleerungsstörungen verknüpft sein. Grundsätzlich existieren verschiedene anatomische Rekonstruktionsmöglichkeiten. Vermieden werden sollte eine gerade End-zu-End-Descendorectostomie (13). Die Nachteile zeigen sich in erhöhter Stuhlfrequenz sowie schlechterer Kontinenz und Lebensqualität.

    Von den verschiedenen Rekonstruktions-Formen sind die Vorteile hinsichtlich der funktionellen Ergebnisse beim Colon-J-Pouch am besten belegt. Der transverse Koloplastiepouch ist dem J-Pouch unterlegen (14). Möglicherweise dem Colon-J-Pouch ebenbürtig ist die Seit-zu-End-Descendorectostomie, die viele aufgrund der einfacheren Durchführbarkeit bevorzugen.

     

    Extirpation

    Sind die Sphincteren bzw. der Analkanal infiltritert sollte die abdominp-perineale Extirpation erfolgen (3). Hier wird die extralevatoprische zylindrische Resektion unter Mitnahme der Levatoren aus onkologischer Sicht empfohlen (15). 

     

    Vorgehen bei komplettem Response nach neoadjuvanter Therapie 

    In den Fällen, in denen nach neoadjuvanter Therapie (siehe unten) klinisch (DRU), endoskopisch sowie bildgebend (MRT) kein Tumor mehr nachweisbar ist, kann auf eine Operation verzichtet werden (16).

    Dies belegt unter anderem die Metanalyse von Dattani et al. aus dem Jahr 2018, die 17 Studien mit insgesamt 692 Patienten einschließt. Es gab 153 (22,1 %) lokale Rezidive, von denen 96 % (n = 147/153) in den ersten drei Jahren der Überwachung auftraten. Das kumulative 3-Jahres-Risiko eines Lokalrezidivs betrug 21,6 % (95 % CI, 16,0-27,8). Eine Salvage-Operation wurde bei 88 % der Patienten durchgeführt, von denen 121 (93 %) eine vollständige Resektion (R0) erhielten. 57 Metastasen (8,2 %) wurden entdeckt, und 35 (60 %) waren isoliert, ohne Hinweise auf synchrones Nachwachsen; die 3-Jahres-Inzidenz betrug 6,8 % (95 % KI, 4,1-10,2). Die 3-Jahres-Gesamtüberlebensrate betrug 93,5 % (95 % KI, 90,2-96,2). 

    Voraussetzung für ein watch and wait Vorgehen sind die ausführliche Aufklärung des Patienten/der Patientin und seine/ihre Bereitschaft sich einer engmaschigen Nachsorge zu unterziehen. Die Dauer der Nachsorge sollte hierbei mindestens 5 Jahre betragen, auch sollten diese Patienten in Studien und Register eingeschlossen werden. Ein internationaler Expertenkonsensus schlägt folgende Nachsorgeintervalle und Diagnostik für 5 Jahre vor: für drei Jahre 3-monatlich CEA, dann halbjährlich; für zwei Jahre 3-monatlich DRU, MRT und Endoskopie, dann halbjährlich; für 5 Jahre CT Thorax/Oberbauch Monate 6,12,24,36,48,60 (17).

    Stoma

    Bei tiefer anteriorer Rektumresektion mit TME wird die Vorschaltung eines temporären. Bei einem solchen sogenannten Deviationsstoma sind Ileo- und Kolostoma als grundsätzlich gleichwertig anzusehen. Es gibt gute Argumente für beide Stomaentitäten. In jüngeren Metaanalysen wird bei Fehlen einer Niereninsuffizienz eher das Ileostoma favorisiert (18, 19).

    Es wird durch ein Stoma zwar nicht die Inzidenz der Anastomoseninsuffizienz aber die Morbidität, insbesondere hinsichtlich klinisch relevanter Anastomoseninsuffizienen und dringlicher Relaparotomien gesenkt (20). Stomaanlagen sind stest präoperativ mit dem Patienten zu besprechen und anzuzeichnen. Ileostomata werden mindestens 1 cm prominent, Kolostomata leichjt prominentz angelegt (3). 

     

    Laparoskopische Chirurgie beim kolorektalen Karzinom 

    Mono- und multizentrische RCTs (KOLOR, COST, CLASSIC-Trail) ergaben zwischen laparoskopischen und offenen Techniken in der Kolonkarzinomchirurgie bei entsprechender Expertise des Operateurs keine Unterschiede hinsichtlich chirurgisch-onkologischer Qualitätsindikatoren (R-Status, Lymphknotenanzahl) und den Langzeitergebnissen (Tumorrezidive, Überleben) (21-22).

    Als Vorteil der minimal-invasiven Chirurgie konnte im Kurzzeitverlauf eine relativ niedrige perioperative Morbidität bei unveränderter Gesamtmorbidität und Letalität gezeigt werden (23). 

    Im Langzeitverlauf wurden weder für die Rate an Narbenhernien und adhäsions-bedingten Relaparotomien noch für Tumorrezidive Unterscheide zwischen laparoskopischer und konventioneller Operation gefunden werden (24, 25). Auch die britische CLASSIC-Studie belegt die onkologische Sicherheit der laparoskopischen Chirurgie bei kolorektalen Karzinomen (26).

    Nach der aktuellen S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ kann daher eine laparoskopische Resektion des Kolonkarzinoms bei entsprechender Erfahrung des Operateurs in geeigneten Fällen durchgeführt werden(3).

     

    Robotische Chirurgie beim kolorektalen Karzinom 

    Die robotische Chirurgie als Weiterentwicklung der laparoskopischen Chirurgie wartet mit ihrer höheren Präzision der Instrumentenführung sowie ihrer verbesserten Visualisierung mit grundsätzlich großem Optimierungspotential im Vergleich zur einfachen Laparoskopie insbesondere in Bezug auf die onkologische Chirurgie des Abdomens auf. Gerade beim Rektumkarzinom könnte Robotic die Nachteile der Präparation der Standardlaparoskopie in engen Räumen, hier im kleinen Becken ausgleichen. Um das jedoch sicher behaupten zu können bedarf es starker Evidenz.

    Zum Zeitpunkt der deutschen S3-Leitlinienerstellung musste die Evidenz zum robotischen Operieren als unzureichend bewertet werden. Bis zum Zeitpunkt der Erstellung des lagen keine aussagekräftigen prospektiv randomisierten Studien zur Wertigkeit der Robotik beim kolorektalen Karzinom. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Leitlinienerstellung fehlenden Kurz- und insbesondere onkologischen Langzeitergebnisse wird die roboterassistierte Chirurgie beim Kolonkarzinom aufgrund dieser damals unzureichenden Datenlage in der gültigen S3-Leitinie außerhalb von Studien derzeit nicht empfohlen (3). Mit umso größerer Spannung wird die bald zu publizierende neue Leitlinie erwartet.

    Studien belegen mittlerweile in der Zwischenzeit, dass Robotic beim kolorektalen Karzinom sicher angewendet werden kann und Vorteile im Hinblick auf Gewebeschonung und der Reduktion postoperativer Funktionsstörungen hat. 

    Die besten Daten zu roboterassistierten versus konventionell laparoskopischen kolorectalen onkologischen Chirurgie mit früh-postoperativen Ergebnissen und auch onkologischen Langzeitergebnissen stehen hierbei für Rektumresektionen und für die Hemikolektomie rechts zur Verfügung. 

    Lorenzon et al. inkludierten in ihrer Metaanalyse neben 18 Fall-Kontroll-Studien 3 RCTs (27). Ziel war es, die früh-postoperativen Ergebnisse zwischen roboterassistierten und konventionell-laparoskopischdurchgeführten kolorektalen Resektionen zu vergleichen.  Die Ergebnisse aus den RCTs ergaben keine Unterschiede zwischen roboterassistiert und konventionell-laparoskopisch resezierten Patienten in Bezug auf die Operationszeit, die Krankenhausverweildauer oder die postoperative Morbidität. Bei Betrachtung aller Studien und aller kolorectaler Resektionen fanden sich geringere Kosten und kürzer OP-Zeiten auf Seiten der laparoskopisch operierten Patienten, wohingegen die robotisch operierten eine geringgradig niedrigere Morbidität hatten (Odds-Ratio=0,6-0,9)

    Einen Meilenstein in Bezug auf die robotische Chirurgie des Rektumkarzinoms stellt die Robotic Versus Laparoscopic Surgery for Middle and Low Rectal Cancer Studie (REAL) dar (28.) Ziel der Studie war es, qualitativ hochwertige Evidenz hinsichtlich Kurzzeit- und Langzeiteffekte der robotischen versus laparoskopischen totalen/partiellen mesorektalen Exzision (TME/PME) zu generieren. Die REAL-Studie war als RCT (randomisiert kontrollierte Studie angelegt). Sie sah einen Einschluss mit anschließender Randomisierung von Patienten mit einem histologisch-gesicherten Rektumkarzinom≤10cm ab ano (mittleres Drittel) oder ≤5 cm ab ano (unteres Dittel) in den klinischen Stadien cT1–T3 N0–N1, cM0 oder ycT1–T3 Nx, cM0 vor. Es wurde randomisiert in die Arme robotisch versus konventionell laparoskopisch. Der primäre Endpunkt ist die 3-Jahres-Lokalrezidivrate (Daten hierzu noch nicht publiziert. Sekundäre Endpunkte sind die Rate an positivem zirkumferenziellen Resektionsrand (CRM+) und die 30-Tage-Komplikationsrate (mindestens Clavien-Dindo Grad II). In 3 Jahren konnten insgesamt 1240 Patienten aus 11 Zentren eingeschlossen und randomisiert werden (620 vs. 620).  Im Ergebnis hatten signifikant weniger Patienten der robotischen Gruppe einen positiven CRM (22/547 Patienten (4%) versus 39/543 Patienten (7,2%; p= 0,023)). Zudem war die Anzahl an entfernten Lymphknoten in der robotischen Gruppe höher (median 15,0 (IQR 13,0–19,0) versus 14,0 (IQR 1,0–4,0); p= 0,006). Die Rate an postoperativen Komplikationen innerhalb von 30 Tagen war überdies niedriger in der Gruppe der robotisch-operierten Patienten (16,2% versus 23,1%; p= 0,003). Die intestinale Motilität kam in der robotisch operierten Gruppe schneller in Gang und die Patienten hatten einen kürzeren stationären Aufenthalt. Abschließend war überdies auch die Rate klinisch-relevanter Anastomoseninsuffizienzen war mit 5,1% versus 8,2% tendenziell geringer in der Robotic-Gruppe. Wobei hier das Signifikanzniveau knapp verpasst wurde (p= 0,057). 

    Auf hohem Evidenzniveau belegt demnach die REAL-Studie, dass (in den Händen von in der Technik versierten Chirurgen) die robotische Chirurgie beim Rektumkarzinom des mittleren und unteren Drittels im Vergleich zur laparoskopischen Chirurgie bessere Kurzzeitergebnisse als die konventionelle Laparoskopie aufweist und insbesondere die onkologische Qualität der Rektumresektate verbessert (29).

    Abschließend lässt sich hier noch anfügen, dass in Darmzentren, die in das DGAV-Register eingeben sich im Benchmark abzeichnet, dass die Robotik zu einer Verbesserung der perioperativen Ergebnisse und zu hervorragenden onkologischen Ergebnissen geführt bzw.  beigetragen hat (30). Des Weiteren zeigt sich, dass der Anteil an erfolgreich minimalinvasiv operierten Patienten ohne Konversion bei der Robotik höher ist, als in der konventionellen Laparoskopie und dass deutlich weniger Kontraindikationen bestehen. 

    Auch der Kostenaspekt der Robotik spielt in der Diskussion immer wieder eine bedeutsame Rolle. So waren beispielweise in einer Metaanalyse von Solaini die roboterassistiert durchgeführten Eingriffe mit signifikanthöheren Kosten verbunden (31). Es darf aber nicht zu vernachlässigt werden, dass sich nach der erfolgreichen Etablierung des robotischen Systems im Verlauf Einsparungspotentiale jenseits der Anschaffungs- und Materialkosten ergeben. So zeigt sich in den deutschen Zentren, die Robotik für das kolorektale Karzimom etabliert haben, dass sich in der Regel die Liegedauer der robotisch operierten Patienten im Vergleich zu konventionell laparoskopisch operierten reduziert und, dass es in der Regel – außer beim multimorbiden Patienten – nicht mehr nötig ist, ein Überwachungsbett vorzuhalten.

     

    Multiviszerale Resektion 

    Bei Adhärenz eines Tumors an Nachbarorganen ist makroskopisch durch den Operateur nicht sicher zu klären, ob es sich um eine Infiltration des Karzinoms in das Nachbarorgan oder nur um eine peritumoröse Entzündungsreaktion handelt. In solchen Fällen sollten Biopsien und Schnellschnittuntersuchungen strikt vermieden werden, da hierbei stets die Gefahr einer örtlichen Tumorzellverschleppung besteht. Diese ist stets mit einer signifikanten Prognoseverschlechterung vergesellschaftet. Daher wird - wenn technisch machbar - eine En-Bloc-Resektion des Tumors mit den infiltrierten Strukturen empfohlen (Multiviszerale Resektion) (32). Im Falle des Rektumkarzinoms kann hierbei beispielsweise eine komplette Beckenenteration erforderlich werden. Eingriffe bei Verdacht auf eine Infiltration von Nachbarorganen sollten stets mit der entsprechenden Fachabteilung (Gynäkologie, Urologie) zusammen präoperativ besprochen und geplant werden. 

     

    Ileus beim Rektumkarzinom

    Da ein Ileus in Verbindung mit einem Rektumkarzinom in aller Regel mit einem weit fortgeschrittenen Karzinom vergesellschaftet ist, ist nahezu immer eine neoadjuvante Radio-/Chemotherapie indiuziert. Daher ist – um die Zeit für diese zu gewinnen - bei dieser Situation häufig primär ein Transversostoma rechts anzulegen (3). 

     

    Multimodale Tumortherapie

    Der Fortschritt bei der Behandlung des Rektumkarzinoms in den letzten 30 Jahren ist auf eine zunehmende Individualisierung der Therapie, die konsequente Umsetzung chirurgisch-onkologischer Prinzipien, aggressivere Therapieregime im metastasierten Stadium und den Einsatz minimalinvasiver Operationstechniken zurückzuführen. Standardisierte Behandlungskonzepte in der multimodalen Tumortherapie haben u.a. zu einem Anstieg der durchschnittlichen Fünfjahresüberlebensrate sowie zur Reduktion der lokoregionären Rezidivrate geführt.

     

    Vorgehen:

    Neoadjuvante Therapie bei nicht-metastasiertem Rektumkarzinom (3)

    ·      UICC-Stadium I: Keine neoadjuvante Therapie empfohlen

    ·      UICC-Stadium II und III

    • Mittleres und unteres Drittel: neoadjuvante Radiochemotherapie oder Kurzzeitradiatio
    • Ausnahmen: Primär operatives Vorgehen möglich: 
      • cT1/2-Tumoren im unteren und mittleren Drittel mit radiologisch fraglichem LK-Befall
      • cT3a/b-Tumoren im mittleren Drittel mit limitierter Infiltration ins perirektale Fettgewebe im MRT sowie ohne V.a. LK-Metastasen oder extramurale Gefäßinvasion
    • Oberes Drittel: Tumoren mit hohem Risiko für Lokalrezidive: Neoadjuvante Radio-/Radiochemotherapie erwägen 

    ·      Durchführung: Es sind zwei Schemata etabliert:

    • Konventionell fraktionierte neoadjuvante Radiochemotherapie, Operation nach 6–8 Wochen
      • 45–50,4 Gy Gesamtdosis
      • 5-FU iv oder Capecitabin po
      • Indikationen: Vor allem wenn ein Downsizing angestrebt wird, d.h. bei
        • T4-Tumoren
        • Tiefliegenden Tumoren mit geplantem Sphinktererhalt
        • <1–2 mm Tumorabstand zur mesorektalen Faszie
        • Im Anschluss an das komplette Restaging OP-Verfahren wählen 
    • Radiotherapie als Kurzzeitbestrahlung (5×5 Gy)
      • Gefolgt von Operation innerhalb von 10-14 Tagen 
      • Mit verlängertem Intervall bis zur Operation 
      • Intervall 4–8 Wochen: Wenn Downsizing notwendig und Chemotherapie kontraindiziert ist (als Alternative zur konventionell fraktionierten Radiochemotherapie)
      • Intervall bis zu 12 Wochen: Wenn Downsizing angestrebt wird, Kombination mit oder ohne Chemotherapie möglich

    Adjuvante Therapie bei nicht-metastasiertem Rektumkarzinom

    • UICC Stadium I und II bei R0-Resektion: keine Adjuvanz empfohlen
    • UICC-Stadium II und III im oberen Drittel ohne Neoadjuvanz
      • Analog zum Kolonkarzinom
      • Im UICC-Stadium II handelt es sich um eine sog. „Kann-Situation“, d.h. je nach Risikofaktoren und Mikrosatellitenstatus kann sie durchaus empfohlen werden. Bei Mikrosatelliteninstabilität wird keine adjuvante Chemotherapie empfohlen. Bei Vorliegen von Risikofaktoren sollte die adjuvante Chemotherapie erwogen werden. Zu den ausgewählten Risikosituationen zählen:  T4-Tumor, Tumorperforation/- einriss, Operation unter Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering. 
      • Im UICC-Stadium III wird die adjuvante Therapie empfohlen.

    Bemerkung: RCTs, um den idealen Zeitpunkt der adjuvanten Therapie zu bestimmen existieren nicht. In einer retrospektiven Analyse von Kohortenstudien   wurde eine inverse Korrelation zwischen dem Zeitpunkt des Beginns einer adjuvanten Chemotherapie und dem Überleben berechnet (33). Dies wurde auch in weiteren Analysen bestätigt (34)

    • Dauer: 3–6 Monate, je nach Risiko-Nutzen-Abwägung 
    • UICC-Stadium II: Monotherapie mit Fluoropyrimidinen
    • UICC-Stadium III: Kombitherapie mit Oxaliplatin
    • FOLFOX: Folinsäure + 5-FU in Kombination mit Oxaliplatin
    • XELOX (CAPOX®): Capecitabin + Oxaliplatin
    • Bei Patienten >70 Jahre sollte keine Therapie mit Oxaliplatin erfolgen
    • Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin sollte eine Monotherapie mit Fluoropyrimidinen erfolgen 

    Bemerkung: Alleine aus Altersgründen sollte eine adjuvante Chemotherapie nicht unterlassen werden. Bei Patienten über 75 Jahre gibt es jedoch keine ausreichende Evidenz für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie. 

    • UICC II und III im unteren Drittel nach vorheriger neodadjuvanter Radiochemotherapie:
      • Die Dauer der perioperativen Chemotherapie sollte sich insgesamt auf etwa 6 Monate addieren. 
      • Keine eindeutige Empfehlung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie laut aktueller Leitlinie. 
      • Aktuelle Praxis: Angebot einer adjuvanten Chemotherapie mit optimalen Fluoropyrimidin-Schemata.
    •  UICC II und III im unteren Drittel ohne vorherige neoadjuvante Therapie:
      • Adjuvante bzw. additive Radiochemotherapie empfohlen bei Vorliegen von Risikofaktoren für ein Lokalrezidiv, wie:
        • Stadium: pN2, pT3 im unteren Rektumdrittel (bei anderer Tumorlokalisation ab pT4)
        • R1-Resektionen
        • Intraoperative Tumorperforation
        • Unzureichende TME-Qualität
        • pCRM+
      • Eine generelle Empfehlung zur postoperativen Radiochemotherapie für alle Patienten mit Tumoren im UICC-Stadium II und III kann somit nicht erfolgen. 
      • Wird nach primärer R0-Resektion im Stadium II/III keine adjuvante Radiochemotherapie durchgeführt, sollte eine adjuvante Chemotherapie analog zu den Indikationskriterien und Schemata beim Kolonkarzinom erfolgen.
      • Pat. nach einer primären Resektion, bei denen keine neoadjuvante Radiochemotherapie zum Einsatz gekommen ist, können nach Daten der SCOT-Studie bei vorliegender Indikation in Analogie zum Kolonkarzinom adjuvant behandelt werden (d.h. 3 oder 6 Monate je nach Risikoprofil, siehe Kolonkarzinom) (35).

    Voraussetzungen

    • Voraussetzung für eine adjuvante Therapie ist die R0-Resektion des Primärtumors. Grundlage für die Indikation zur adjuvanten Therapie nach qualitätsgesicherter Tumorresektion ist die pathohistologische Stadienbestimmung, insbesondere die Bestimmung des pN-Status. Zur Festlegung von pN0 sollen 12 oder mehr regionäre Lymphknoten untersucht werden (UICC 2002). Immunzytologische Befunde von isolierten Tumorzellen in Knochenmarkbiopsien oder Lymphknoten sowie zytologische Tumorzellbefunde in Peritonealspülungen sind keine Indikation zur adjuvanten Therapie außerhalb von Studien. 

    Generelle Kontraindikationen

    • Schlechter Allgemeinzustand (ECOG >2), 
    • schwere Infektion
    • eingeschränkte Lebenserwartung durch Komorbiditäten
    • Leberzirrhose im Stadium Child B oder C
    • Schwere KHK oder Herzinsuffizienz (NYHA III und IV)
    • Fortgeschrittene Niereninsuffizienz ((prä-)terminal)
    • Blutbildungsstörungen, eingeschränkte Knochenmarksfunktion
    • Unvermögen, an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen 

    Bemerkung:

    Während der Stellenwert der adjuvanten Chemotherapie beim Rektumkarzinom nach einer Rektumresektion ohne präoperative Bestrahlung gesichert ist, wird die adjuvante Chemotherapie  nach einer kombinierten Radiochemotherapie oder Kurzzeitradiatio und kompletten TME kontrovers beurteilt. Nach neoadjuvanter Radiochemotherapie sollte nach aktueller Lehrmeinung eine adjuvante Chemotherapie mit optimalen Fluoropyrimidin-Schemata angeboten werden. Eine gute Datenbasis existiert hier für Capecitabin. Die vorliegenden Studiendaten erlauben es aktuell (noch) nicht, differenzialtherapeutische Empfehlungen basierend auf dem Grad bzw. Ausmaß des Ansprechens des Tumors auf die neoadjuvante Radiochemotherapie zu machen. 

    Jüngere Patientenmit einem erhöhten Rezidivrisiko (ypStadium III) sollten über die Möglichkeit einer zusätzlichen Oxaliplatin-Therapie beraten werden (36). 

    Die Dauer der perioperativen Chemotherapie sollte sich insgesamt auf etwa 6 Monate addieren, z.B. durch weitere 5-6 Zyklen Capecitabin adjuvant oder 8 Zyklen FOLFOX.

     

    TNT (Total neoadjuvante Therapie):

    • Die vorliegende Darstellung nimmt in erster Linie die deutsche S3-Leitlinie als Bezugs- und Referenzpunkt. Es darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom (sog. LARC: locally advanced rectal cancer) in jüngster Vergangenheit das Konzept der TNT (total neoadjuvanten Therapie) in den Vordergrund rückt. Diese stellt eine mögliche Alternative vor allem bei Tumoren mit tumorbiologisch ungünstigen Tumorstadien und/oder bei intendiertem Organerhalt dar. Hierbei wird die konventionelle neoadjuvante Radiochemotherapie um eine in der Regel 3- bis 4,5-monatige Chemotherapie erweitert. Diese zusätzliche Chemotherapiegabe ist nach bzw. vor der Radio- oder Radiochemotherapie möglich (als sogenannte Induktions- bzw. Konsolidierungschemotherapie). 
    • Anlass für diesen möglichen Paradigmenwandel, der an vielen Zentren bereits Einzug in die tägliche klinische Praxis gefunden hat, sind einige vielversprechende aktuell publizierte Studienergebnisse (RAPIDO, PRODIGE-23, OPRA, CAO/ARO/AIO-12 Trial, STELLAR). So konnte in mehreren randomisierten Studien gezeigt werden, dass die TNT einen signifikanten Vorteil hinsichtlich des krankheitsfreien Überlebens, vor allem für Patienten bietet, deren Tumoren Hochrisikocharakteristika aufwiesen (z.B. Kriterien der sogenannten RAPIDO-Studie): 1) T4-Tumoren, 2) Tumoren mit bedrohtem / befallenem mesorektalen Resektionsrand, 3) EMVI-Positivität, 4) N2-Status und 5) vergrößerte laterale Lymphknoten (37-41).
    • Die ideale Ausgestaltung der TNT ist aktuell noch Gegenstand von klinischen Studien. Auch gibt ein eine international einheitliche Defintion des LARC (locally advanced rectal cancer).
    • Folgende Ausgestaltungen sind gemäß der interdisziplinären Empfehlungen von Arbeitsgruppen der DKG (Deutschen Krebsgesellschaft) möglich: 
      • 1) Die Strahlentherapie kann als Kurzzeit-Radiatio (5x5 Gy) oder Langzeit-Radiochemotherapie erfolgen. 
      • 2) Die Chemotherapie sollte über 3 bis 4.5 Monate verabreicht werden, wobei nach Daten der CAO/ARO/AIO-12 und der OPRA Studie die Konsolidierungs-Chemotherapie bevorzugt werden sollte, wenn das Therapieziel eine möglichst hohe Rate an klinischen Komplett-Remissionen (cCR) ist. Die Chemotherapie sollte mit FOLFOX oder CapOx durchgeführt werden; der Nutzen einer zusätzlichen Gabe von Irinotecan (etwa im FOLFIRINOX-Regime) ist nicht belegt. 

     

    Metastasierte Situation

    In der metastasierten Situation sollte grundsätzlich zwischen Patienten mit synchroner und metachroner Metastasierung unterschieden werden (42-44). Die synchrone muss hierbei im Vergleich zur metachronen Metastasierung als prognostisch ungünstiger betrachtet werden. Ausserdem fehlen hier die Informationen zur Krankheitsdynamik. Der Nutzen einer primären Resektion ist daher in dieser Patientengruppe unsicherer als bei Patienten mit metachroner Metastasierung. Weitere prognostische Faktoren, die bei der Entscheidungsfindung hinzugezogen werden können, sind u.a. die Zahl der metastatischen Läsionen, das Vorliegen einer extrahepatischen Metastasierung (45). 

    Patienten in gutem Allgemeinzustand können einer intensiven Behandlung, d.h. einer Operation oder Chemotherapie zugeführt werden. Bei resektablen Tumor- manifestationen und günstiger Risikokonstellation soll primär die Metastasenresektion angestrebt werden. Diejenigen Patienten, für die primär keine chirurgische Interventionsmöglichkeit besteht, sollten eine möglichst effektive systemische Chemotherapie erhalten. Als primäres Therapieziel wird die maximale Tumorreduktion angestrebt. Die Wahl des Chemotherapieregimes hängt entscheidend von dem molekularpathologischen Profil des Tumors ab. Bei Patienten mit RAS-Wildtyp Tumoren kommt als weitere Entscheidungsgrundlage die Lokalisation des Primärtumors hinzu. 

    Die simultane Lebermetastasenresektion kann jedoch bei entsprechender Komorbidität bzw. einem höheren Lebensalter (>70a) zu einer höheren Letalität führen. Insbesondere bei multiplen synchronen Lebermetastasen sollte ein zweizeitiges und multimodales Vorgehen gewählt werden (3).

    Die Beurteilung soll durch ein Tumorboard unter Beteiligung eines in der Metastasenchirurgie erfahrenen Chirurgen erfolgen. Im Falle einer ausgedehnten hepatischen Filialisierung im Stadium IV und einem asymptomatischen Primärtumor ohne Stenose und ohne Blutung kann auch ohne Resektion des Primarius eine Chemotherapie begonnen werden (3).

     

    Resektable Lebermetastasen:

    Das Therapieziel von Pat. im Stadium IV galt früher ausschließlich als palliativ. In den letzten Jahren konnte die Prognose auch im Stadium IV durch sowohl ein radikaleres chirurgisches Handeln als auch die medikamentöse Tumortherapie (Kombination von Zweifachtherapie und Antikörpern) deutlich verbessert werden, Es ist deutlich geworden, dass bei bis zu 25 % der Pat. mit synchron hepatisch metastasiertem, kolorektalem Karzinom ein kuratives Potential besteht, so dass sich mit einer Fünfjahresüberlebensrate von bis zu 50 % die Prognose für ca. 20 % der metastasierten Patienten erheblich steigern ließ (46).

    In der Literatur werden durch die Anwendung verschiedener Chemotherapieprotokolle Ansprechraten bis zu 60 % berichtet (47). Ein kuratives Potential besteht auch bei Pat. mit hepatischem Rezidiv oder isolierter pulmonaler Metastasierung. Die krankheitsfreie Überlebensrate von Pat. mit resektablen Leber- oder Lungenmetastasen beträgt bis zu 50% nach 5 Jahren. Als Kriterium für die technische Resektabilität von Metastasen gilt das Erreichen einer R0-Situation.

    Neben der Frage der Resektabilität von Metastasen haben aber auch Kriterien der Tumorbiologie einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Rezidivrate. Hier wurden verschiedene Prognosemodelle entwickelt. Weit verbreitet ist die Anwendung der Kriterien nach Fong (45). Sie beruhen auf Daten primär chirurgisch behandelter Pat. ohne perioperative medikamentöse Tumortherapie. Der Risiko-Score unterstützt eine Nutzen-Risiko-Abschätzung. Er ist kein statisches Instrument zur Festlegung von Kontraindikationen. Eine aktuellere retrospektive Arbeit belegt, dass diese Kriterien auch bei Resektion nach perioperativer Chemotherapie Gültigkeit besitzen (48).

    Indikation und optimale Behandlungsschemata der perioperativen medikamentösen Tumortherapie sind nach wie vor Gegenstand der Diskussion. Sie werden im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Tumorbiologie im Tumorboard diskutiert. Stets muss die Möglichkeit der Behandlung im Rahmen einer Studie diskutiert werden. 

    Als medikamentöse Tumortherapie bei resektablen Lebermetastasen kann basierend auf den Daten der Phase III EORTC 40983 Intergroup Trial eine perioperative Therapie mit FOLFOX, jeweils 3 Monate prä- und postoperativ, eingesetzt werden. Daten, die den Einsatz einer molekular gezielten Therapie in der Situation resektabler Metastasen rechtfertigen, existieren bislang nicht. Cetuximab in diesem Behandlungssetting hat die Therapieergebnisse sogar verschlechtert. FOLFOX perioperativ sollte tendentiell eher Pat. mit einem höheren Risiko angeboten werden bzw. Patienten, bei denen nach interdisziplinärer Abstimmung ein „biologisches Fenster“ zur Beobachtung der Tumorbiologie sinnvoll erscheint. 

    Wenn perioperativ keine Chemotherapie gegeben wurde, kann dies auch post operationem erfolgen, ebenfalls präferenziell mit einem Fluoropyrimidin und Oxaliplatin. Insbesondere in Situationen, in denen ein niedriges Rezidivrisiko nach Metastasenresektion anzunehmen ist, erscheint eine additive bzw. „sekundär adjuvante“ Chemotherapie aufgrund der insgesamt geringen Effekte auf Überlebensparameter verzichtbar. Neuere Daten aus einer randomisierten japanischen Studie zeigten zwar eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens durch eine 6-monatige Chemotherapie mit FOLFOX, jedoch keinen Vorteil in Bezug auf das Gesamtüberleben (49).

     

    Resektion von Lebermetastasen

    Die Resektion der Metastasen ist zentraler Bestandteil des kurativen Konzeptes. Folgende Bedingungen sollten für ein operatives Vorgehen erfüllt sein: 

    • Ausschluss nicht resektabler, extrahepatischer Metastasen
    • > 30 % funktionsfähiges, residuales Lebergewebe postoperativ
    • ausreichender Sicherheitsabstand zu kritischen Lebergefäßen
    • keine hepatische Insuffizienz, keine Leberzirrhose Child B oder C
    • ECOG 0 – 2
    • keine schwere Komorbidität

    Entscheidungen über die Resektabilität von Lebermetastasen sollten stets im Rahmen der interdisziplinärer Tumorkonferenzen getroffen werden.

    Standard bei der lokalen Therapie von Lebermetastasen ist die offene chirurgische Resektion mit oder ohne perioperative medikamentöse Tumortherapie. Bisherige DFaten zeigen, dass die laparoskopische Resektion zwar die Morbidität reduziert, aber ohne Einfluss auf die 90-Tage-Mortalität. Als Alternativen stehen weniger invasive, ablative Verfahren wie die Radiofrequenzablation, die Lasertherapie oder die stereotaktische Bestrahlung zur Verfügung. Für diese Behandlungsformen liegen nur sehr wenige Daten zum Gesamt-Überleben vor. Vergleichende, randomisierte Studien zur onkologischen Gleichwertigkeit dieser Therapieansätze gibt es nicht. Sie werden grundsätzlich bei kurativen Konzepten innerhalb klinischer Studien empfohlen.

    Resektion von Lungenmetastasen

    Isolierte Lungenmetastasen sind seltener. Folgende Bedingungen sollten für ein operatives Vorgehen erfüllt sein:

    • Ausschluss nicht resektabler, extrapulmonaler Metastasen
    • R0 Resektion möglich
    • ausreichendes pulmonales Residualvolumen postoperativ
    • ECOG 0 – 2
    • keine schwere Komorbidität

    Entscheidungen über die Resektabilität von Lungenmetastasen sind die Aufgabe interdisziplinärer Tumorkonferenzen. 

    Standard bei der lokalen Therapie von Lungenmetastasen war die offene chirurgische Resektion. Eine Alternative sind minimal invasive Resektionen mittels Video–unterstützter Thorakoskopie (wobei hierbei der intraoperative Ausschluss okkulter Lungenmetastasen kritisch zu bewerten ist) oder radiotherapeutische Verfahren (wie die SBRT).

     

    Peritonealkarzinose

    Liegt bei einem kolorektalen Karzinom eine isolierte und limitierte Peritonealkarzinose vor, kann die Indikation zur zytoreduktiven Chirurgie, gefolgt von einer hyperthermen intraperitonealen Chemotherapie (HIPEC), überprüft werden. Durch den Einsatz dieser Kombinationstherapie konnte ein signifikanter Überlebensvorteil im Sinne einer Verlängerung des medianen Überlebens von 12,6 auf 22,3 Monate gezeigt werden (50).

    Zur Bestimmung des Ausmaßes der Peritonealkarzinose dient der Peritoneal Cancer Index (PCI). Folge Voraussetzungen sollten erfüllt sein:

    • PCI<20
    • Keine extraabdominellen Metastasen
    • Möglichkeit der makroskopischen Resektion bzw. Destruktion aller Tumormanifestationen

    Liegt der PCI-Wert bei Patienten ohne zusätzliche extraabdominelle Metastasen bei unter 20, kann – sofern eine R0-Resektion möglich ist – in spezialisierten Zentren die operative Zytoreduktion mit HIPEC durchgeführt werden. Hierbei sollte die Durchführung im Rahmen von Studien bevorzugt werden (3). 

    Perioperatives Konzept

    Das ERAS-Konzept („enhanced recovery after surgery“) der multimodalen postoperativen Rehabilitation in der gastrointestinalen Chirurgie wird hierzulande in den meisten Kliniken in teils modifizierter Form umgesetzt. Ziel des Konzepts ist, die durch den operativen Eingriff ausgelösten pathophysiologischen Veränderungen wie Abgeschlagenheit, Darmatonie und Insulinresistenz zügig in den Griff zu bekommen. Zu dem Konzept gehören u. a. die frühzeitige Entfernung von gastralen Sonden und intrabdominellen Drainagen, der frühzeitige orale Kostaufbau, Stimulation der Darmmotilität, suffiziente Analgesie (epi-/peridural) und die frühzeitige Mobilisation. In zahlreichen Studien konnte belegt werden, das mithilfe des ERAS-Konzepts eine deutliche Verkürzung von Liegedauer, eine Reduktion der perioperativen Morbidität und eine Beschleunigung der Rekonvaleszenz erzielt werden kann (51, 52).  

  2. Reviews

    (2021-2023, chronologisch rückwärts)

  3. Leitlinien

    Deutsche Leitlinie

    S3 Leitlinie Kolorectales Karzinom (Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom. Stand: 30.11.2017. gültig bis 29.11.2022): https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-007OLl_S3_Kolorektales-Karzinom-KRK_2019-01.pdf

    Internationale Leitlinien

    European Society for Medical Oncology (ESMO):

    Glynne-Jones R, Wyrwicz L, Tiret E, Brown G, Rödel C, Cervantes A, Arnold D (2017) Rectal cancer: ESMO clinical practice guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. https://doi.org/10.1093/annonc/mdx224

    Management of Patients with Metastatic Colorectal Cancer 2016

    Metastatic Colorectal Cancer 2014

    Management of Patients with Colon and Rectal Cancer. A personalized approach to clinical decision making

     

    National Comprehensive Cancer Network (NCCN)

    Benson AB, Venook AP, Al-Hawary MM, Cederquist L, Chen Y‑J, Ciombor KK, Cohen S, Cooper HS, Deming D, Engstrom PF et al (2018) Rectal cancer, version 2.2018, NCCN clinical practice guidelines in oncology. J Natl Compr Canc Netw. https://doi.org/10.6004/jnccn.2018.0061

     

    American Society of Colon and Rectal Surgeons (ASCRS):

    Practice Guideline for the Surveillance of Patients After Curative Treatment of Colon and Rectal Cancer

Aktuell laufende Studien

Robotic Transanal Specimen Extraction Surgery Versus RoboticTransabdominal Incision Specimen Extrac

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