Es existieren zahlreiche chirurgische Verfahren zur Behandlung des Rektumvollwandprolapses. Alle chirurgischen Maßnahmen haben das gemeinsame Ziel, die vorhandenen morphologischen Veränderungen zu korrigieren, den Rektumprolaps zu vermeiden und funktionelle Probleme wie Inkontinenz und Obstipation zu beheben. Die verschiedenen Verfahrensvarianten basieren auf unterschiedlichen operativen Konzepten, die häufig in Kombination angewendet werden: Mobilisation des Rektums, Resektion oder Raffung des elongierten Darmsegments und/oder Rektumfixierung an der präsakralen Faszie.
Prinzipiell unterschieden werden transabdominelle Verfahren von transanalen/perinealen Verfahren. Weiterhin existieren verschiedene Möglichkeiten des Zugangs, offen oder konventionell laparoskopisch oder robotisch-assistierte laparoskopische Techniken und weitere Methoden wie SILS.
Bei den perinealen Verfahren stehen die Operationen nach Rehn-Delorme und Altemeier im Vordergrund. Die transabdominellen Verfahren unterscheiden sich in der Technik der Rektumaufhängung mit oder ohne Netz und ob eine zusätzliche Resektion durchgeführt wird. Es ist schwierig, aufgrund der aktuellen Studienlage eine klare Empfehlung für eines der Verfahren zu geben. Neben den individuellen Merkmalen des Patienten (Voroperationen, Morbidität, Mobilität und Lebenserwartung) ist auch die Expertise des Operateurs bzw. der Operateurin bei der Auswahl der Operationsmethode von Bedeutung.
Die Literatur vermittelt häufig den Eindruck, dass transabdominelle Methoden eine niedrigere Rezidivrate aufweisen und perineale Operationen ein geringeres Risiko für die perioperative Morbidität. Die perinealen Verfahren werden daher eher bei älteren oder relevant vorerkrankten Patienten bevorzugt. Bislang wurde dies jedoch nicht ausreichend durch Studien belegt [1, 2]. Ursächlich sind die heterogenen Kollektive, die niedrigen Fallzahlen, die kurzen Nachbeobachtungszeiten und das Fehlen ausreichender Ressourcen für randomisiert-kontrollierte Studien.
Perineale Verfahren
Die gängigsten perinealen bzw. transanalen Verfahren sind:
- die Operation nach Rehn-Delorme
- die Operation nach Altemeier
- die staplergestützten Eingriffe.
Die vorgenannten Verfahren werden auf webop.de vorgestellt, weshalb hier auf die Lehrbeiträge verwiesen wird.
Vergleich der Verfahren nach Rehn-Delorme und Altemeier
In einer retrospektiven, kontrollierten Kohortenstudie wurden die Ergebnisse von 22 Patienten, die nach Altemeier operiert wurden, und 53 Patienten, die nach Rehn-Delorme operiert wurden, verglichen. Beide Verfahren hatten die gleiche Rezidivrate nach 13 Monaten, jedoch war die Komplikationsrate in der Altemeier-Kohorte deutlich höher. Die vergleichsweise hohe Anzahl von Anastomoseninsuffizienzen war der Grund dafür [3]. Es gibt keine eindeutige Präferenz zwischen den beiden Techniken aufgrund der mangelnden Evidenz.
Transabdominelle Operationsverfahren
Der laparoskopische Zugang hat sich zur Durchführung transabdomineller Operationstechniken durchgesetzt. Die Patienten profitieren von den allgemein akzeptierten Vorteilen der laparoskopischen Chirurgie, wie kürzere stationäre Aufenthaltszeiten und eine schnellere Genesung. In einem Cochrane-Review von Tou et al. wurde festgestellt, dass bei der laparoskopischen Prolapschirurgie im Vergleich zu offenen Techniken weniger Komplikationen auftreten und die funktionellen Ergebnisse vergleichbar sind [2]. Mit ähnlichen Komplikations- und Rezidivraten ist auch die robotische Rektopexie durchführbar.
Durch die zahlreichen Naht- und Netzverfahren mit oder ohne Resektion stellt sich die Auswahl der transabdominellen Verfahren wie folgt dar [4, 5]:
Verfahren/Rezidivrate | Pexie-Form | Netz | Resektion | Technik |
---|---|---|---|---|
Nahtrektopexie/Sudeck 0-41 % | dorsal | nein | nein | komplette Rektummobilisation, Naht des Rektums an präsakrale Faszie |
Anteriore Schlingenrektopexie (Ripstein) 0-12 % | dorsal | ja | nein | wie Sudeck, zusätzlich zirkuläre Umschlingung des Rektums mit Netz, Netzfixierung an Rektum u. präsakraler Faszie |
Posteriore Netzrektopexie (Wells) 0-11 % | dorsal | ja | nein | wie Sudeck, zusätzlich noch Umschlingung der posterioren zwei Rektumdrittel durch Netz (das ventrale Drittel bleibt frei) |
Resektionsrektopexie (Frykman-Goldberg) 0-18 % | dorsal | nein | ja | komplette Rektummobilisation, Aufhebung des Cul-de-sac durch anteriore Naht |
Laterale Netzrektopexie (Orr-Loygue) 0-6 % | ventral | ja | nein | anteriore u. posteriore komplette Rektummobilisation, Fixierung von 2 Netzstreifen anterolateral bds. an Rektum u. Promontorium, Verschluss des Peritoneums über Netzstreifen |
Ventrale Netzrektopexie (d´Hoore) 0-15 % | ventral | ja | nein | ausschließlich ventrale Rektummobilisation, Fixierung von 1 Netzstreifen ventral am distalen Rektum, linkslateral rektal sowie am Promontorium, Verschluss des Peritoneums über dem Netzstreifen |
Im Wesentlichen unterscheiden sich die Varianten in folgenden Aspekten:
Die Nahtrektopexie nach Sudeck umfasst die Mobilisierung des gesamten Rektums bis zum Beckenboden, anschließend wird es an der präsakralen Faszie fixiert, entweder mit oder ohne Darmresektion. Die Rezidivrate liegt bei bis zu 40 % [6]. In Bezug auf die funktionalen Aspekte sind die Daten heterogen, insbesondere hinsichtlich der Obstipation, die in einigen Studien sogar zunahm [7].
Neben der Pexie wird bei der Resektionsrektopexie das Sigma reseziert und der Beckenboden durch ventrale und laterale Nähte angehoben. Die dorsale Präparation in der TME-Schicht (TME = totale mesorektale Exzision) bis auf Höhe des kranialen Analsphinkters unter Schonung der vegetativen Nerven ist ein wesentlicher Schritt bei den traditionellen Pexieverfahren, die Rezidivraten zwischen 0 und mehr als 10 % aufweisen. Im Vergleich zur reinen Pexie scheint sich die Obstipation zu bessern.
Die Fixierung des Netzes erfolgt bei den netzbasierten Verfahren entweder dorsal (Ripstein, Wells) oder ventral (d’Hoore). Da die Operation nach Ripstein aufgrund der zirkulären Umwicklung zu Netzarrosionen und Strikturen führte, wird dieses Verfahren nicht mehr durchgeführt. Auch die Wells-Technik, bei der das Netz nicht vollständig zirkulär fixiert wird, führt in der Literatur zu höheren Komplikationsraten [8]. Das Verfahren von Orr-Loygue mobilisiert auch das gesamte Rektum, fixiert das Netz jedoch beidseits lateral.
Bei der ventralen Netzrektopexie nach d'Hoore wird das Rektum nicht komplett mobilisiert, sondern lediglich ventral bis zur Levatorebene. Das Netz wird tief zwischen Rektum und Vagina fixiert. Zur d´Hoore-Technik existiert eine der größten multizentrischen Studien: 919 Patienten mit Rektumprolaps, von denen 242 einen externen Prolaps aufwiesen. Die Rezidivrate lag nach 10 Jahren bei 8 %. 18 Patienten (5 %) entwickelten netzassoziierte Komplikationen. Sowohl Inkontinenz als auch Obstruktion besserten sich signifikant (Inkontinenz vor dem Eingriff 41 % im Vergleich zu 15 % nach dem Eingriff, Obstruktion vor dem Eingriff 34 % im Vergleich zu 13 %) [9]).
Die Netzarrosion durch synthetische Implantate ist eine seltene aber relevante Komplikation, die durch die Implantation resorbierbarer Bionetze verhindert werden soll. Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse in den Niederlanden zeigte allerdings keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Implantaten in Bezug auf Netzkomplikationen oder Rezidivrate [10].
Angesichts der begrenzten Evidenzlage sind Vergleiche zwischen den verschiedenen transabdominellen Verfahren schwierig. In einigen Zentren hängt das mögliche Vorgehen davon ab, ob eine Obstipation vorliegt (eher Resektionsrektopexie) oder ob vornehmlich das ventrale Kompartiment behandelt werden soll (eher Netzrektopexie nach d'Hoore).
Vergleich der perinealen und transabdominellen Techniken beim externen Rektumprolaps
Die Cochrane-Analyse von Tou et al. lieferte wegen des Fehlens adäquater Studien keine eindeutige Antwort auf die Frage, welches Verfahren - perineal oder transabdominell - überlegen ist [2]. Sie betont jedoch die Vorteile der Resektion im Hinblick auf eine postoperative Obstipation und den laparoskopischen Zugang bei den transabdominellen Verfahren.
Die internationale multizentrische, randomisierte, kontrollierte PROSPER-Studie konnte zur Klärung der Frage, ob ein perineales oder transabdominelles Verfahren zu bevorzugen sei, ebenfalls nicht viel beitragen wie auch die schwedische Studie von Smedberg et al [1, 11].
Die DeloRes-Studie vermied die Designfehler in der schwedischen und der PROSPER-Studie [12]. Multizentrisch wurde ein Vergleich zwischen der am häufigsten durchgeführten perinealen Operation (Rehn-Delorme) und der am häufigsten durchgeführten transabdominellen Operation (Resektionsrektopexie) durchgeführt. Die Resektionsrektopexiegruppe hatte nach 24 Monaten einen signifikanten Vorteil gegenüber der Rehn-Delorme-Gruppe ohne höhere Morbidität.
Im Rahmen einer Doktorarbeit erfolgte eine prospektive Auswertung der im größten Studienzentrum der Studie randomisierten Patienten mit weiteren Patienten, die im gleichen Zeitraum außerhalb der Studie operiert wurden [13]. Die Unterschiede waren hier hochsignifikant, mit einer Rezidivrate von 44 % bei der Rehn-Delorme-Operation im Vergleich zu 4 % bei der Resektionsrektopexie. Keiner der Patienten erlitt eine Komplikation, die einer Intervention bedurfte. 24 Monate nach einer laparoskopischen Resektionsrektopexie war die Inkontinenz deutlicher gebessert als nach einer Rehn-Delorme-Operation.
Die Ergebnisse der DeloRes-Studie und zwei weiteren RCT bestätigen die allgemeine Expertenmeinung, dass die perinealen Verfahren eine deutlich höhere Rezidivrate aufweisen, widersprechen jedoch einer postulierten niedrigeren Morbidität. Diese Schlussfolgerung wird durch eine aktuelle italienische Metaanalyse bestätigt [14]. Es ist daher fraglich, ob ältere, morbide Patienten generell mit einem perinealen Verfahren behandelt werden sollten.
Es existieren nur wenige vergleichende Studien zur ventralen Netzrektopexie, meist weisen sie erhebliche methodische Schwächen auf. In neueren Untersuchungen wurde kein erheblicher Unterschied in der Rezidivrate im Vergleich zur Operation nach Rehn-Delorme oder zur Resektionsrektopexie festgestellt [15, 16]. Die Rektopexie nach d'Hoore wird europaweit häufig durchgeführt und weist Ergebnisse auf, die mit denen der Resektionsrektopexie vergleichbar sind [17]. Schließlich befürwortet die Datenlage auch bei älteren Patienten die Durchführung eines transabdominellen Verfahrens, da die Rezidivrate im Vergleich zu perinealen Verfahren bei gleicher perioperativer Morbidität deutlich niedriger ist.
In einer prospektiv randomisierten Studie zeigte die laparoskopische ventrale Rektopexie signifikant bessere funktionelle Ergebnisse als eine Nahtrektopexie. Dies betraf vor allem bessere Kontinenz- und Obstipationsscores [18].
Eine weitere prospektiv randomisierte Studie aus Ägypten zeigte sowohl bessere funktionellen Ergebnisse, als auch eine niedrigere Rezidivrate nach der laparoskopischen ventralen Rektopexie als nach perinealen Staplerverfahren [19].
Fazit
Die Evidenz für die verschiedenen Techniken der chirurgischen Behandlung des Rektumvollwandprolapses stammt hauptsächlich aus retrospektiven Kohortenstudien und einigen randomisierten Studien mit kleinen Fallzahlen. Die Durchführung von Metaanalysen und die Vergleichbarkeit von Studien sind aufgrund der Heterogenität der Studiendesigns und Endpunktdefinitionen schwierig.
Die aktuelle Evidenzbasis zeigt zusammenfassend:
- keine eindeutige Überlegenheit von transabdominellen vs. transanalen/perinealen Verfahren
- keine eindeutiger Vorteil biologischer vs. und synthetischer Netze
- geringere Morbidität und raschere Rekonvaleszenz bei gleicher Rezidivrate nach laparoskopischer vs. offener Operation
- kein Nachweis einer Überlegenheit der Operation nach Delorme vs. der Operation nach Altemeier
Evidenzbasiert kann somit derzeit keine eindeutige Empfehlung ausgesprochen werden, welches Verfahren für welchen Patienten am besten geeignet ist, vielmehr muss die Therapie weiterhin erfahrungsbasiert erfolgen.