Evidenz - Sigmaresektion, onkologisch, robotisch assistiert mit medial-to-lateral approach

  1. Zusammenfassung der Literatur

    Stagingdiagnostik:

    • Komplette Koloskopie 

    -       Goldstandard in der Diagnostik des kolorektalen Karzinoms

    -       zur Lokalisationsdiagnostik und zur histologischen Sicherung und zum Ausschluss eines Zweitkarzinoms (ca. 5% der Fälle)

    -       Falls koloskopisch nicht das gesamte Kolon einsehbar ist, kann eine CT- oder MR-Kolonografie eingesetzt werden 

    -       Nach notfallmäßiger Operation (Ileus, Tumorperforation,koloskopisch nicht stillbare Blutung): postoperative Koloskopie nach Anastomosenheilung und Rekonvaleszenz des Patienten zum Ausschluss eines synchronen Doppelkarzinoms 

    • Histologische Sicherung 
    • Laboruntersuchung mit Bestimmung des CEA-Werts

    Bemerkung: Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose ist bei etwa 30 % aller kolorektaler Karzinome der Tumormarker CEA erhöht und sollte daher präoperativ bestimmt werden. In der Tumornachsorge ist das CEA bei den Marker exprimierenden Tumoren ein zuverlässiger Hinweis auf ein Rezidiv und zudem im Falle von Lebermetastasen ein unabhängiger Prognosefaktor. Die Bedeutung von CA 125 als Verlaufsparameter zur weiteren Behandlung einer nachgewiesenen Peritonealkarzinose ist derzeit unklar (1, 2). CA 19-9 wird als weiterer Tumormarker rezidivierend diskutiert, erhöht die Aussagefähigkeit bezüglich des Vorliegens eines Rezidivs im Vergleich zu einer alleinigen CEA-Wert-Bestimmung allerdings nicht. 

    • Röntgen Thorax in 2 Ebenen
    • Sonographie des Abdomens
    • Ggf. CEUS (Kontrastmittelsonographie) bei V.a. hepatische Filialisierung
    • Ggf. MRT Leber bei V.a. hepatische Filialisierung

     Bemerkung: Auch wenn in der S3-Leitlinie ein CT-Abdomen bzw. CT-Thorax-Abdomen als nicht erforderlich erachtet wird, wird es doch in den meisten Kliniken durchgeführt. Es dient neben der Detektion von hepatischen Filiae auch der Beurteilung des Primarius, ggf. vergrößerter Lymphknoten, sowie der Beurteilung der Lagebeziehung des tumortragenden Kolons zu weiteren Strukturen, wie den Ureteren und deren Verlauf.

    Aus (3): Körber et al.: S3-Leitline colorectales Karzinom, Leitlinienprogramm Onkologie der AWMF, Deutschen Krebsgesellschaft e.V. und Deutschen Krebshilfe. Stand: 2019. Abgerufen am: 03.07.2019. 

    Interdisziplinäre Tumorkonfrerenz:

    Alle Patienten mit kolorektalen Karzinomen sollen nach Abschluss der Primärtherapie (z.B. Operation, Chemotherapie) in einer interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden. In einer Studie aus Großbritannien konnte durch dieses Vorgehen das Überleben der Patienten signifikant gesteigert werden (4).

     Zwingend bereits prätherapeutisch sollen Patienten in folgenden Konstellationen vorgestellt werden (3):

    • jedem Rektumkarzinom
    • jedem Kolonkarzinom im Stadium IV
    • Fernmetastasen
    • Lokalrezidiven
    • vor jeder lokal ablativen Maßnahme

    TNM-Klassifikation:

    Das TNM-System für das kolorektale Karzinom ist folgendermaßen definiert (5):

    T1

    Submukosa

     

    T2

    Muscularis propria

    T3

    Perirektales Gewebe: Mesorektum

    T4

    T4a   Viszerales Peritoneum

    T4b   Andere Organe/Strukturen

     

    N1/2

    N1a   1 regionäre Lymphknotenmetastase

    N1b   2–3 regionäre Lymphknotenmetastasen

    N1c   Satelliten/Tumorknötchen im Mesorektum

    N2a   4–6 regionäre Lymphknoten

    N2b   >6 regionäre Lymphknoten

     

    M1

    M1a   Metastasen auf ein Organ beschränkt (Leber, Lunge, Ovar, nichtregionäre Lymphknoten, keine Peritonealmetastasen)

    M1b   Metastasen in mehr als einem Organ

    M1c   Metastasen im Peritoneum mit/ohne Metastasen in anderen Organen

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    Die UICC-Stadien ergeben sich dann wie folgt:

    UICC-Stadium

    TNM

    0

    Tis (Carcinoma in situ)

    I

    Bis T2, N0, M0

    II

     

    IIA

    T3, N0, M0

    IIB

    T4a, N0, M0

    IIC

    T4b, N0, M0

    III

     

    IIIA

    Bis T2, N1, M0 oder T1, N2a, M0

    IIIB

    T3/T4, N1, M0 oder T2/T3, N2a, M0 oder T1/T2, N2b, M0

    IIIC

    T4a, N2a, M0 oder T3/T4a, N2b, M0 oder T4b, N1/N2, M0

    IV

     

    IVA

    Jedes T, jedes N, M1a

    IVB

    Jedes T, jedes N, M1b

    IVC

    Jedes T, jedes N, M1c

    Therapieplanung

    Die Therapie des Kolonkarzinoms leitet sich aus den in der Diagnostik ermittelten TNM- und UICC Stadien ab (3):

    UICC-Stadium

    TNM

    Therapieempfehlung

    0–I

    Tis bis T1

    Endoskopische Resektion

    Weiteres Vorgehen anhand der Histopathologie:

    - Low-Risk-Situation (G1/G2) und

    Komplette Resektion (R0): Keine Nachresektion

    - Low-Risk und Inkomplette Resektion: Komplette endoskopische/lokale chirurgische Nachresektion 

    - High-Risk-Situation (G3/G4): Radikale chirurgische Resektion

    Keine adjuvante Chemotherapie

    I

    T2, N0, M0

    Radikale chirurgische Resektion

     

    Keine adjuvante Chemotherapie 

    II

    Bis T4, N0, M0

    Radikale chirurgische Resektion

    Adjuvante Chemotherapie individuell erwägen/Patienten differenziert beraten

    III

    Jedes T, N+, M0

    Radikale chirurgische Resektion

    Adjuvante Chemotherapie

    IV

    Jedes T, N+, M+

    Individuelles Vorgehen je nach Befund

     

    Operatives Vorgehen:

    Der Fortschritt bei der Behandlung des Kolonkarzinoms in den letzten 30 Jahren ist auf eine zunehmende Individualisierung der Therapie, die konsequente Umsetzung chirurgisch-onkologischer Prinzipien, aggressivere Therapieregime im metastasierten Stadium und den Einsatz minimalinvasiver Operationstechniken zurückzuführen. Standardisierte Behandlungskonzepte in der multimodalen Tumortherapie haben u.a. zu einem Anstieg der durchschnittlichen Fünfjahresüberlebensrate von 65 % auf über 85 % sowie zur Reduktion der lokoregionären Rezidivrate von durchschnittlich über 13 % auf unter 2 % beim nichtmetastasierenden Kolonkarzinom in den Stadien UICC II und III geführt (6).

     Im metastasierten Stadium werden bei 20 % der Patienten mittlerweile Fünfjahresüberlebensraten von über 40 % erreicht (7).

    Das Sigmakarzinom metastasiert über die Aa. sigmoideae zum Stamm der A, mes. inf. Die Resektion sollte mit ausreichenden Sicherheitsabständen nach oral und nach aboral erfolgen. Die proximale Colondurchtrennung liegt dabei im C. descendens mit zentraler Durchtrennung der A. mes. inf. etwa 1 cm nach distal ihres Abgangs aus der Aorta, um die dort befindlichen nervalen Strukturen zu schonen. (Plexus mesentericus inferior (Ganglion mesentericum inferius) (Vegetatives Nervensystem). 

    CAVE: Bei 2 - 4 % der Patienten liegen Lymphknotenmetastasen abgangsnah am Stamm der Arteria mesenterica inferior vor (8, 9).

    Proximal ist hierbei wie im Colon üblich ein Abstand von 10 cm vom Tumor anzustreben. Hinsichtlich der distalen Darmdurchtrennung gelten die Maßgaben für das Rektumkarzinom im oberen Drittel. Es ist hier ein aboraler Sicherheitsabstand von mindestens 5 cm einzuhalten. Bei der Durchtrennung des Mesorektums im oberen Anteil sollte ein „Coning“ (Ausdünnung) vermieden werden.

     Die chirurgische Therapie des Sigmakarzinoms sollte die komplette mesokolische Exzision beinhalten (CME). Neben der systematischen Lymphadenektomie zielt auch das Konzept der CME auf eine maximale Reduktion der Anzahl von Lokalrezidiven durch eine Erhöhung der Radikalität und Qualität der Resektion ab. Analog zum Mesorektum existiert in gleicher Weise ein Mesokolon, welches als beidseitige Hülle die Lymphknoten an den versorgenden Arterien beinhaltet und deswegen als anatomische Leitstrukturen zur onkologischen Operation gilt. Die Technik wurde 2009 durch Hohenberger et al. publiziert (10).

    Die drei Grundprinzipien der Präparation bei der CME sind die Einhaltung der vorgegebenen anatomischen Schichten bei der Präparation mit Erhalt der beiden mesokolischen Faszien, die zentrale Absetzung der versorgenden Gefäße und eine ausreichende Länge des Präparats. Ziel ist die maximale lokale Radikalität mit maximaler Lymphknotenausbeute. Die CME führt zu qualitativ höherwertigen Präparaten ohne Steigerung der Komplikationsraten (10-12). Die bisherigen Daten deuten zudem auf eine Verbesserung der Überlebensraten bei konsequenter Durchführung der CME hin (10).

     Daten aus Dänemark, Schweden und Deutschland zeigen, dass die CME-Technik bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium UICC I – III mit einem besseren krankheitsfreien Überleben assoziiert ist als die herkömmliche Kolonresektion (12-14).

    Hierbei sollten mindestens 12 oder mehr Lymphknoten entfernt und untersucht werden. Obwohl die Studienqualität zur Zahl der Lymphknoten gering ist, gilt jedoch, dass Patienten mit einer größeren Zahl entfernter und untersuchter Lymphknoten eine verbesserte Prognose im UICC-Stadium II und III aufweisen. Dieser Zusammenhang wurde an 3411 Patienten im Stadium II und III im Rahmen des sog. Intergroup-Trials und in der INTACC-Studie gezeigt (15, 16).

     Dabei ist nicht nur die Zahl der Lymphknotenmetastasen relevant, sondern generell die Anzahl der entfernten Lymphknoten. So kann auch bei nodalnegativen Tumoren ein prognostischer Effekt nachgewiesen werden, der mit der Zahl der entfernten bzw. untersuchten Lymphknoten korreliert (17).

    Die Zahl der Lymphknoten kann somit als Surrogatmarker für die Behandlungs- und Diagnosequalität sowohl für die Chirurgie als auch für Pathologie gelten. Abschließend sollte dann durch den Pathologen eine Kategorisierung des Präparates in Grad 1 (gut, Erhalt der mesokolischen Schicht) über Grad 2 (moderat mit Oberflächeneinrissen) bis Grad 3 (schlecht mit Einrissen bis zur Muscularis propria bzw. bis zum Tumor) vorgenommen werden.

    Operative Sonderfälle:

    ·      Bei großen polypösen, insbesondere bei villösen Tumoren und grundsätzlich möglicher Segment- und tubulärer Resektion, bei denen prätherapeutisch eine Karzinomdiagnose nicht gesichert werden konnte, ist eine Dignitätsbeurteilung im Schnellschnitt aus untersuchungstechnischen Gründen (Untersuchung multipler Gewebsblöcke!) häufig nicht möglich. Daher ist hier primär eine onkologische Operation zu erwägen (3).

    ·      Bei Adhärenz des Tumors an umgebenden Strukturen und Nachbarorganen ist intraoperativ makroskopisch in den meisten Fällen nicht sicher zu klären, ob es sich um eine Infiltration des Karzinoms im Sinne einer organüberschreitenden T4-Situation oder nur um eine peritumoröse Entzündungsreaktion handelt. In solchen Fällen sollten intraoperative Gewebeproben und Schnellschnittuntersuchungen strikt vermieden werden, um keine Gefahr einer Tumorzelldissemination einzugehen, die mit einer signifikanten Verschlechterung der Prognose vergesellschaftet ist (18). Daher ist in diesen Fällen eine En bloc-Resektion unter Mitnahme benachbarter Strukturen gerechtfertigt. 

    ·      In Fällen, bei denen durch die Bildgebung keine eindeutige diagnostische Zuordnung von unklaren Leberläsionen getroffen werden kann, sollte eine histologische Sicherung erfolgen (3).

    Laparoskopische und robotische Chirurgie beim Kolonkarzinom 

    Mono- und multizentrische RCTs (KOLOR, COST, CLASSIC-Trail) ergaben zwischen laparoskopischen und offenen Techniken in der Kolonkarzinomchirurgie bei entsprechender Expertise des Operateurs keine Unterschiede hinsichtlich chirurgisch-onkologischer Qualitätsindikatoren (R-Status, Lymphknotenanzahl) und den Langzeitergebnissen (Tumorrezidive, Überleben) (19-21).

    Als Vorteil der minimal-invasiven Chirurgie konnte im Kurzzeitverlauf eine relativ niedrige perioperative Morbidität bei unveränderter Gesamtmorbidität und Letalität gezeigt werden (22).

    Im Langzeitverlauf wurden weder für die Rate an Narbenhernien und adhäsions-bedingten Relaparotomien noch für Tumorrezidive Unterscheide zwischen laparoskopischer und konventioneller Operation gefunden werden (23, 24). Auch die britische CLASSIC-Studie belegt die onkologische Sicherheit der laparoskopischen Chirurgie bei kolorektalen Karzinomen (25).

    Nach der aktuellen S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ kann daher eine laparoskopische Resektion des Kolonkarzinoms bei entsprechender Erfahrung des Operateurs in geeigneten Fällen durchgeführt werden (3).

    Die robotische Chirurgie als Weiterentwicklung der laparoskopischen Chirurgie wartet mit ihrer höheren Präzision der Instrumentenführung sowie ihrer verbesserten Visualisierung mit grundsätzlich großem Optimierungspotential im Vergleich zur einfachen Laparoskopie insbesondere in Bezug auf die onkologische Chirurgie des Abdomens auf. 

     Studien belegen, dass Robotic beim Kolonkarzinom sicher angewendet werden kann und Vorteile im Hinblick auf Gewebeschonung und der Reduktion postoperativer Funktionsstörungen hat (26-30).

    Die besten Daten zu roboterassistierten versus konventionell laparoskopischen kolorectalen onkologioschen Chirurgie mit früh-postoperativen Ergebnissen und auch onkologischen Langzeitergebnissen stehen für die Hemikolektomie rechts und für Rektumresektionen zur Verfügung. 

    So verglichen Solaini et al. in einer Metaanalyse mit einer RCT unter den insgesamt 11 berücksichtigten Studien 869 roboterassistierte mit 7388 konventionell-laparoskopische operierten rechtsseitigen Hemikolektomien (31). Es fand sich für die robotischen Eingriffe eine signifikant längere Operationszeit bei allerdings signifikant reduzierter Konversionsrate. Eine intrakorporale Anastomose konnte im Vergleich signifikant häufiger bei roboterassistiert resezierten Patienten durchgeführt werden. Der früh-postoperative Verlauf zwischen roboterassistiert und konventionell-laparoskopisch operierten Patienten unterschied sich bei gleicher Morbidität und Mortalität in den Gruppen nicht. 

    Lorenzon et al. inkludierten in ihrer Metaanalyse neben 18 Fall-Kontroll-Studien 3 RCTs (32). Ziel war es, die früh-postoperativen Ergebnisse zwischen roboterassistierten und konventionell-laparoskopisch durchgeführten kolorektalen Resektionen zu vergleichen.  Die Ergebnisse aus den RCTs ergaben keine Unterschiede zwischen roboterassistiert und konventionell-laparoskopisch resezierten Patienten in Bezug auf die Operationszeit, die Krankenhausverweildauer oder die postoperative Morbidität. Bei Betrachtung aller Studien und aller kolorectaler Resektionen fanden sich geringere Kosten und kürzer OP-Zeiten auf Seiten der laparoskopisch operierten Patienten, wohingegen die robotisch operierten eine geringgradig niedrigere Morbidität hatten (Odds-Ratio=0,6-0,9) Bei isolierter Betrachtung der Subgruppe der linksseitigen Hemikolektomien fand sich nur ein signifikanter Unterschied: bei den konventionell-laparoskopisch operierten Patienten zeigte sich eine kürzer Operationszeit. 

    In Bezug auf die onkologische Radikalität ergeben sich in den verfügbaren Studien heterogene Ergebnisse, aus denen sich aktuell kein eindeutiger Vorteil der Robotik gegenüber den laparoskopischen Eingriffen ableiten lässt. Zwei Studien, in denen robotische Kolonreingriffe mit laparoskopischen Kolonreingriffen verglichen wurden, zeigen Vorteile auf Seiten der Robotik in Bezug auf die Anzahl der resezierten Lymphknoten (33, 34). Hierbei wurden aber als Kontrollgruppe zur Robotik historische Kollektive verwendet, was insofern einen starken Bias darstellen könnte, als das die Radikalität und Konsequenz der CME in den letzten Jahren sicherlich zugenommen haben.

    In der oben zitierten Metanalyse von Soleini von 2018 und auch in einer weiteren Arbeit, die zwei Kollektive verglich, ergab sich wiederum kein signifikanter Unterschied in Bezug auf die Lymphknotenanzahl (31, 35). 

    In Bezug auf das 5-Jahresüberleben nach onkologischen kolorectalen Eingriffen fanden sich bei Spignoglio et al. im Vergleich der robotischen mit der konventionell-laparoskopischen Chirurgie keine signifikanten Unterschiede (35). Langzeitergebnisse mit größeren auch multizentrischen Studien stehen noch aus.

    Zum Zeitpunkt der Leitlinienerstellung musste die Evidenz zum robotischen Operieren als unzureichend bewertet werden. Bis zum Zeitpunkt der Erstellung des lagen keine aussagekräftigen prospektiv randomisierten Studien zur Wertigkeit der Robotik beim Kolonkarzinom des Sigmas vor. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Leitlinienerstellung fehlenden Kurz- und insbesondere onkologischen Langzeitergebnisse wird die robotorassistierte Chirurgie beim Kolonkarzinom aufgrund dieser damals unzureichenden Datenlage in der gültigen S3-Leitinie außerhalb von Studien derzeit nicht empfohlen (3).

    Abschließend lässt sich hier aber anfügen, dass in Darmzentren, die in das DGAV-Register eingeben sich im Benchmark abzeichnet, dass die Robotik zu einer Verbesserung der perioperativen Ergebnisse und zu hervorragenden onkologischen Ergebnissen geführt bzw.  beigetragen hat (36). Des Weiteren zeigt sich, dass der Anteil an erfolgreich minimalinvasiv operierten Patienten ohne Konversion bei der Robotik höher ist, als in der konventionellen Laparoskopie und dass deutlich weniger Kontraindikationen bestehen.

    Auch der Kostenaspekt der Robotik spielt in der Diskussion immer wieder eine bedeutsame Rolle. So waren beispielweise in der Metaanalyse von Solaini die roboterassistiert durchgeführten Eingriffe mit signifikanthöheren Kosten verbunden. Es darf aber nicht zu vernachlässigt werden, dass sich nach der erfolgreichen Etablierung des robotischen Systems im Verlauf Einsparungspotentiale jenseits der Anschaffungs- und Materialkosten ergeben. So zeigt sich in den deutschen Zentren, die Robotik für das kolorectale Karzimom etabliert haben, dasss sich in der Regel die Liegedauer der robotisch operierten Patienten im Vergleich zu konventionell laparoskopisch operierten reduziert und, dass es in der Regel – außer beim multimorbiden Patienten – nicht mehr nötig ist, ein Überwachungsbett vorzuhalten.

     Multimodale Tumortherapie

    Zahlreiche Studien belegen die Bedeutung der medikamentösen Tumortherapie beim nichtmetastasierten Kolonkarzinom. Eine adjuvante Chemotherapie im UICC-Stadium III geht mit einer signifikanten Prognoseverbesserung von ca. 20 % Gesamtüberleben einher (37). Im Stadium II haben Patienten mit Risikofaktoren (T4-Tumor, Tumorperforation, Notfalleingriffe, Anzahl untersuchter/exstirpierter Lymphknoten < 12) eine wesentlich schlechtere Prognose als Patienten im gleichen Stadium ohne Risikofaktoren und sollten daher eine adjuvante Chemotherapie erhalten (3). 

    Adjuvante Therapie beim Sigmakarzinom

    Indikationen

    • Eine adjuvante Chemotherapie wird im UICC-Stadium I nicht empfohlen.
    • Im UICC-Stadium II handelt es sich um eine sog. „Kann-Situation“, d.h. je nach Risikofaktoren und Mikrosatellitenstatus kann sie durchaus empfohlen werden. Bei Mikrosatelliteninstabilität wird keine adjuvante Chemotherapie empfohlen. Bei Vorliegen von Risikofaktoren sollte die adjuvante Chemotherapie erwogen werden. Zu den ausgewählten Risikosituationen zählen:  T4-Tumor, Tumorperforation/- einriss, Operation unter Notfallbedingungen, Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering (<12)) 
    • Im UICC-Stadium III wird die adjuvante Therapie Immer empfohlen.

    Voraussetzungen

    Voraussetzung für eine adjuvante Therapie ist die R0-Resektion des Primärtumors. Grundlage für die Indikation zur adjuvanten Therapie nach qualitätsgesicherter Tumorresektion [861] ist die pathohistologische Stadienbestimmung, insbesondere die Bestimmung des pN-Status. Zur Festlegung von pN0 sollen 12 oder mehr regionäre Lymphknoten untersucht werden (UICC 2002). Immunzytologische Befunde von isolierten Tumorzellen in Knochenmarkbiopsien oder Lymphknoten sowie zytologische Tumorzellbefunde in Peritonealspülungen sind keine Indikation zur adjuvanten Therapie außerhalb von Studien. 

    Kontraindikationen

    • Schlechter Allgemeinzustand (ECOG >2),
    • schwere Infektion
    • eingeschränkte Lebenserwartung durch Komorbiditäten
    • Leberzirrhose im Stadium Child B oder C
    • Schwere KHK oder Herzinsuffizienz (NYHA III und IV)
    • Fortgeschrittene Niereninsuffizienz ((prä-)terminal)
    • Blutbildungsstörungen, eingeschränkte Knochenmarksfunktion
    • Unvermögen, an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen 

    Therapiemodalitäten

    • Beginn: Postoperativ baldmöglichst
    • In den randomisierten Studien wurde die adjuvante Chemotherapie innerhalb von 8 Wochen eingeleitet.

    Bemerkung: RCTs, um den idealen Zeitpunkt zu bestimmen existieren nicht. In einer retrospektiven Analyse von Kohortenstudien   wurde eine inverse Korrelation zwischen dem Zeitpunkt des Beginns einer adjuvanten Chemotherapie und dem Überleben berechnet (38). Dies wurde auch in einer anderen retrospektiven Analyse von Kohortenstudien (39) und in einer retrospektiven Registeranalyse bestätigt (39, 40)

    • Dauer: 3–6 Monate, je nach Risiko-Nutzen-Abwägung 
    • UICC-Stadium II: Monotherapie mit Fluoropyrimidinen
    • UICC-Stadium III: Kombitherapie mit Oxaliplatin
    • FOLFOX: Folinsäure + 5-FU in Kombination mit Oxaliplatin
    • XELOX (CAPOX®): Capecitabin + Oxaliplatin
    • Bei Patienten >70 Jahre sollte keine Therapie mit Oxaliplatin erfolgen
    • Bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin sollte eine Monotherapie mit Fluoropyrimidinen erfolgen 

    Bemerkung: Alleine aus Altersgründen sollte eine adjuvante Chemotherapie nicht unterlassen werden. Bei Patienten über 75 Jahre gibt es jedoch keine ausreichende Evidenz für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie. 

    Neoadjuvante Chemotherapie beim Sigmakarzinom

    Die Rolle der neoadjuvanten Chemotherapie bei der Behandlung lokal fortgeschrittener Kolonkarzinome wurde in den letzten Jahren untersucht. Eine randomisierte Studie aus Großbritannien zeigte, dass die kombinierte neoadjuvante/adjuvante Chemotherapie (Oxaliplatin, Folinsäure und 5-FU) vs. ausschließlich adjuvante Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Kolonkarzinomen eine geringere Rate an R1-Resektionen und ein signifikantes Downstaging zur Folge hatte. Eine Tumorprogression unter der laufenden neoadjuvanten Chemotherapie konnte nicht beobachtet werden [2, 12]. Studien haben gezeigt, dass die Computertomographie geeignet ist, lokal fortgeschrittene Kolonkarzinome hinsichtlich der T-Kategorie zu identifizieren und somit für eine neoadjuvante Chemotherapie zu selektieren bzw. das Ansprechen auf die Chemotherapie präoperativ abzuschätzen [1, 20]. Onkologische Langzeitergebnisse stehen allerdings noch aus und in den Leitlinien wird sie gegenwärtig nicht empfohlen.

    Multiviszerale Resektion 

    Bei Adhärenz eines Tumors an Nachbarorganen ist makroskopisch durch den Operateur nicht sicher zu klären, ob es sich um eine Infiltration des Karzinoms in das Nachbarorgan oder nur um eine peritumoröse Entzündungsreaktion handelt. In solchen Fällen sollten Biopsien und Schnellschnittuntersuchungen strikt vermieden werden, da hierbei stets die Gefahr einer örtlichen Tumorzellverschleppung besteht. Diese ist stets mit einer signifikanten Prognoseverschlechterung vergesellschaftet. Daher wird - wenn technisch machbar - eine En-Bloc-Resektion des Tumors mit den infiltrierten Strukturen empfohlen (Multiviszerale Resektion). Im Falle des Rektumkarzinoms kann hierbei beispielsweise eine komplette Beckenenteration erforderlich werden.

     Metastasierte Situation

    Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung liegen bei etwa 25% der Patienten distante Filiae vor. In der metastasierten Situation liegt grundsätzlich eine deutliche Reduktion der Fünfjahresüberlebensrate vor.

    Liegen Fernmetastasen vor ist zu klären, ob ein rein palliatives Konzept einzuschlagen ist, oder ob durch eine primäre oder sekundäre Resektion von Metastasen (v.a. Lebermetastasen) eine Heilung möglich ist. Mit einer gehäuften Vorstellung von Patienten im Stadium UICC IV in der Tumorkonferenz nahm die Rate an Metastasenchirurgie zu (41).

    In den letzten Jahren konnte die Prognose auch im Stadium IV durch sowohl ein radikaleres chirurgisches Handeln als auch die medikamentöse Tumortherapie (Kombination von Zweifachtherapie und Antikörpern) deutlich verbessert werden, so dass sich mit einer Fünfjahresüberlebensrate von bis zu 50 % die Prognose für ca. 20 % der metastasierten Patienten erheblich steigern ließ (42).

    In der Literatur werden durch die Anwendung verschiedener Chemotherapieprotokolle Ansprechraten bis zu 60 % und eine R0-Resektionsrate von bis zu 15 % erreicht (43).

    Es sollte grundsätzlich hierbei zwischen Patienten mit synchroner und metachroner Metastasierung unterschieden werden (44-46). Die synchrone muss hierbei im Vergleich zur metachronen Metastasierung als prognostisch ungünstiger betrachtet werden. Ausserdem fehlen hier die Informationen zur Krankheitsdynamik. Der Nutzen einer primären Resektion ist daher in dieser Patientengruppe unsicherer als bei Patienten mit metachroner Metastasierung. Weitere prognostische Faktoren, die bei der Entscheidungsfindung hinzugezogen werden können, sind u.a. die Zahl der metastatischen Läsionen, das Vorliegen einer extrahepatischen Metastasierung (47). 

    Die simultane Resektion von Lebermetastasen beeinflusst wahrscheinlich das Langzeitüberleben im Vergleich zu einem zweizeitigen Vorgehen bei geeigneter Selektion der Patienten nicht. 

    Patienten in gutem Allgemeinzustand können einer intensiven Behandlung, d.h. einer Operation oder Chemotherapie zugeführt werden. Bei resektablen Tumor- manifestationen und günstiger Risikokonstellation soll primär die Metastasenresektion angestrebt werden. Diejenigen Patienten, für die primär keine chirurgische Interventionsmöglichkeit besteht, sollten eine möglichst effektive systemische Chemotherapie erhalten. Als primäres Therapieziel wird die maximale Tumorreduktion angestrebt. Die Wahl des Chemotherapieregimes hängt entscheidend von dem molekularpathologischen Profil des Tumors ab. Bei Patienten mit RAS-Wildtyp Tumoren kommt als weitere Entscheidungsgrundlage die Lokalisation des Primärtumors hinzu. 

    Die simultane Lebermetastasenresektion kann jedoch bei entsprechender Komorbidität bzw. einem höheren Lebensalter (>70a) zu einer höheren Letalität führen. Insbesondere bei multiplen synchronen Lebermetastasen sollte ein zweizeitiges und multimodales Vorgehen gewählt werden (3).

    Die Beurteilung soll durch ein Tumorboard unter Beteiligung eines in der Metastasenchirurgie erfahrenen Chirurgen erfolgen. Im Falle einer ausgedehnten hepatischen Filialisierung im Stadium IV und einem asymptomatischen Primärtumor ohne Stenose und ohne Blutung kann auch ohne Resektion des Primarius eine Chemotherapie begonnen werden (3).

     Peritonealkarzinose

    Liegt bei einem Kolonkarzinom eine isolierte und limitierte Peritonealkarzinose vor, kann die Indikation zur zytoreduktiven Chirurgie, gefolgt von einer hyperthermen intraperitonealen Chemotherapie (HIPEC), überprüft werden. Durch den Einsatz dieser Kombinationstherapie konnte ein signifikanter Überlebensvorteil im Sinne einer Verlängerung des medianen Überlebens von 12,6 auf 22,3 Monate gezeigt werden (48).

    Zur Bestimmung des Ausmaßes der Peritonealkarzinose dient der Peritoneal Cancer Index (PCI). Folge Voraussetzungen sollten erfüllt sein:

    • PCI<20
    • Keine extraabdominellen Metastasen
    • Möglichkeit der makroskopischen Resektion bzw. Destruktion aller Tumormanifestationen

    Liegt der PCI-Wert bei Patienten ohne zusätzliche extraabdominelle Metastasen bei unter 20, kann – sofern eine R0-Resektion möglich ist – in spezialisierten Zentren die operative Zytoreduktion mit HIPEC durchgeführt werden. Hierbei sollte die Durchführung im Rahmen von Studien bevorzugt werden (3). 

    Perioperatives Konzept

    Das ERAS-Konzept („enhanced recovery after surgery“) der multimodalen postoperativen Rehabilitation in der gastrointestinalen Chirurgie wird hierzulande in den meisten Kliniken in teils modifizierter Form umgesetzt. Ziel des Konzepts ist, die durch den operativen Eingriff ausgelösten pathophysiologischen Veränderungen wie Abgeschlagenheit, Darmatonie und Insulinresistenz zügig in den Griff zu bekommen. Zu dem Konzept gehören u. a. die frühzeitige Entfernung von gastralen Sonden und intrabdominellen Drainagen, der frühzeitige orale Kostaufbau, Stimulation der Darmmotilität, suffiziente Analgesie (epi-/peridural) und die frühzeitige Mobilisation. In zahlreichen Studien konnte belegt werden, das mithilfe des ERAS-Konzepts eine deutliche Verkürzung von Liegedauer, eine Reduktion der perioperativen Morbidität und eine Beschleunigung der Rekonvaleszenz erzielt werden kann (49, 50).  

  2. Reviews

    Essani R, Bergamaschi R. Robotic Colorectal Surgery: Advance or Expense? Adv Surg. 2016 Sep;50(1):157-71.

    Fabozzi M, Cirillo P, Corcione F. Surgical approach to right colon cancer: From open technique to robot. State of art. World J Gastrointest Surg. 2016 Aug 27;8(8):564-73.

    Karcz WK, von Braun W. Minimally Invasive Surgery for the Treatment of Colorectal Cancer. Visc Med. 2016 Jun;32(3):192-8.

    Wilder FG, Burnett A, Oliver J, Demyen MF, Chokshi RJ. A Review of the Long-Term Oncologic Outcomes of Robotic Surgery Versus Laparoscopic Surgery for Colorectal Cancer. Indian J Surg. 2016 Jun;78(3):214-9.

  3. Leitlinien

    S3 Leitlinie Kolorectales Karzinom (Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom. Stand: 30.11.2017. gültig bis 29.11.2022): https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-007OLl_S3_Kolorektales-Karzinom-KRK_2019-01.pdf

    Internationale Leitlinien

    European Society for Medical Oncology (ESMO):

    Management of Patients with Metastatic Colorectal Cancer 2016

    Metastatic Colorectal Cancer 2014

    Early Colon Cancer

    Management of Patients with Colon and Rectal Cancer. A personalized approach to clinical decision making

    American Society of Colon and Rectal Surgeons (ASCRS):

    Practice Parameters for the Management of Colon Cancer

    Practice Guideline for the Surveillance of Patients After Curative Treatment of Colon and Rectal Cancer

Aktuell laufende Studien

Prospective Registration Study of Robtic Laparoscopy Versus Laparoscopy Assisted Colon Cancer Surge

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