Obwohl Verwachsungen und postoperative Adhäsionen im klinischen Alltag eine bedeutende Rolle spielen, existiert bis heute keine einheitliche Einteilung ihres Schweregrades. Selbst die Definition abdomineller Adhäsionen ist vielfältig und eher beschreibend als „abnormale fibröse Verwachsungen in der Bauchhöhle zwischen Organen, Gewebe oder beidem, die normalerweise getrennt sind“ (39).
Abdominelle Adhäsionen können angeboren oder erworben sein. Angeborene Adhäsionen entstehen während der physiologischen Organogenese wie die Verwachsungen des Sigmas mit der linksseitigen Beckenwand oder lassen sich auf Störungen während der Embryonalentwicklung der Bauchhöhle zurückführen. In der Regel sind sie asymptomatisch und werden als Zufallsbefund entdeckt (19).
Erworbene Adhäsionen entwickeln sich meist aus der (fehlgesteuerten) Wundheilung nach Verletzungen des Peritoneums durch operative Eingriffe, mechanische, scharfe oder thermische Verletzungen. Aber auch Fremdkörper wie Nahtmaterial oder Handschuhpuder und Austrocknung können ursächlich sein. Postmortalen Untersuchungen zufolge finden sich bei rund 28 % nicht voroperierter Patienten ebenfalls Verwachsungen, die als postinflammatorische Adhäsionen auf intraabdominelle Entzündungen wie Peritonitiden oder Radiotherapie, Endometriose, Malignome und langjährige Peritonealdialyse zurückzuführen sind (3, 19, 41).
Postoperative Adhäsionen entwickeln sich bei 50 bis 100 % aller abdominopelviner Eingriffe (9). Zu den Faktoren, die die Entwicklung postoperativer Verwachsungen beeinflussen können, gehören (4, 7, 10, 19, 21, 23, 26, 30):
- Ausmaß des Peritonealtraumas
- Komplexität des Eingriffs
- vorbestehende Erkrankungen (z. B. Diabetes mellitus)
- schlechter Allgemein- und Ernährungszustand
- intraabdominelle Fremdkörperplatzierung (Meshs, Drainagen)
- ausgedehnte Koagulation mit nachfolgender Gewebsnekrose
- begleitende bakterielle Entzündung
- Laparoskopie:
Austrocknung durch trockenes Gas
hohen Insufflationsdruck und Kompression des Kapillarflusses
mesotheliale Hypoxie durch CO2 - Laparotomie:
Exposition gegenüber Fremdmaterial (z. B. Handschuhpuder)
Austrocknung durch Hitze- und Lichteinfluss
Austrocknung und Abrasion durch trockene Bauchtücher
Schlüsselrolle: Pathologische Reduktion der peritonealen Fibrinolysekapazität
An der Rekonstruktion von Geweben sind verschiedene Zelltypen, Zytokine, Gerinnungsfaktoren und Proteasen beteiligt, wobei Entzündungsprozesse, Fibrinolyse und Angiogenese eine große Rolle spielen.
Mesotheliale Verletzungen des parietalen und viszeralen Peritoneums führen zu kapillären Blutungen und einer Steigerung der vaskulären Permeabilität mit nachfolgender Exsudation von Fibrinogen. Gleichzeitig penetrieren Entzündungszellen, es werden Zytokine freigesetzt und das Gerinnungssystem aktiviert, sodass Thrombinformationen entstehen, die für die Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin bedeutsam sind. Fibrin verbindet sich mit Fibronektin, wodurch der mesotheliale Defekt geschlossen wird und sich ein temporärer Wundgrund bildet. Durch die endogene Fibrinolyseaktivität der Mesothelzellen kommt es innerhalb der nächsten 72 Stunden zum Abbau der Fibrinmatrix und somit zur vollständigen mesothelialen Regeneration (3, 7, 32, 33).
Werden die fibrinösen Exsudate hingegen nicht durch Fibrinolyse oder durch Absorption entfernt, entstehen aus ihr Adhäsionsstränge, d. h. mesothelialisierte und durch Bindegewebe stabilisierte Gewebestrukturen, die Arteriolen, Venolen, Kapillaren und Nervenfasern enthalten können.
Eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Adhäsionen wird der Reduktion der peritonealen Fibrinolysekapazität zugeschrieben, die auf eine Zerstörung von Mesothelien, ihrer gestörten Blutversorgung sowie vermehrter Synthese von Fibrinolysehemmern infolge Hypoxie, Trauma, Radikalbildung und bakterieller Infektion zurückzuführen ist. Insofern kann jede Mesothelverletzung durch operative Traumata oder bakterielle Entzündung zur Adhäsionsbildung führen (8, 12, 14, 16, 32).
Literatur s. Evidenzen