Jeder laborchemische Nachweis eines primären Hyperparathyreodismus (pHPT)
Dringliche OP-Indikation nach hyperkalzämischer Krise
- Der Begriff des pHPT beschreibt definitionsgemäß die primär autonome Hypersekretion von Parathormon einer oder mehrerer Nebenschilddrüsen (NSD). Sie ist abzugrenzen von der sekundären Form als Folge einer mit einer Hypokalzämie einhergehenden Grunderkrankung (Vitamin-D-Mangel, chronische Niereninsuffizienz).
- Ein pHPT tritt sporadisch oder hereditär meist im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) auf.
Pathophysiologie
Die hormonelle Steuerung des Kalziumspiegels wird überwiegend durch Parathormon (PTH, Synthese in den Nebenschilddrüsen) und Vitamin D3 (1,25-Dihydroxycholecalciferol, Synthese des aktiven Metaboliten in den proximalen Tubuli der Nieren) geregelt. Die Sekretion von PTH durch die Nebenschilddrüsen wird invers reguliert. Ein geringer Anstieg der Serumcalciumkonzentration und die damit verbundene Aktivierung der CaSR haben eine Hemmung der PTH-Sekretion zur Folge. Umgekehrt stimuliert eine niedrige Calciumkonzentration die Synthese und Sekretion von PTH. Bei Patienten mit pHPT ist die normale Regulation der PTH-Sekretion gestört. Trotz einer erhöhten Serumcalciumkonzentration weisen diese Patienten unverhältnismäßig hohe PTH-Spiegel auf und leiden vor allem an den Folgen der konsekutiven Hyperkalzämie.
Epidemiologie
Bei einem pHPT findet sich in 85 - 90 % der Fälle ein solitäres Nebenschildrüsenadenom, Frauen sind 3 - 4 x häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung wird meist im Alter zwischen 55 und 75 Jahren diagnostiziert.
Abzugrenzen davon ist die Mehrdrüsenerkrankung, die zumeist eine genetische Ursache hat. Diese hereditären Formen gilt es zu identifizieren bzw. abzugrenzen. Der hereditäre primäre Hyperparathyreoidismus (hpHPT) betrifft häufig mehrere Drüsen entweder als diffuse Hyperplasie oder in Form von mehreren Adenomen.
Etwa 2 - 5 % aller pHPT-Fälle treten i.R. einer multiplen endokrinen Neoplasie Typ 1 (MEN 1) auf mit gleicher Häufigkeit bei Frauen und Männern in einem frühen Lebensalter.
Der pHPT ist die Leitdiagnose bei MEN 1 und wird fast regelhaft beobachtet. Obwohl bei MEN 4 die gleichen primären Organe wie bei MEN 1 betroffen sind (Nebenschilddrüsen, Bauchspeicheldrüse und Hypophyse), stellen sich die Patienten in der Regel später im Leben vor und haben einen indolenteren Krankheitsverlauf als Patienten mit MEN 1. Die meisten Patienten mit MEN 4 und Hyperparathyreoidismus haben einzelne Nebenschilddrüsenadenome, während bei MEN 1 alle vier Nebenschilddrüsen hyperplastisch sind. MEN 4 ist weitaus seltener als MEN 1.
Auch bei MEN 2a mit Leittumor medulläres Schilddrüsenkarzinom tritt in 15 - 10 % ein pHPT auf.
In < 1 % der Fälle liegt ein Nebenschilddrüsen-Karzinom vor: Oft jüngere Patienten mit schwerem pHPT, Assoziation mit syndromalen Erkrankungen, z.B. familiäres HPT-Kiefertumor-Syndrom: Diese Erkrankung ist durch einen schweren pHPT und Tumoren in den Kieferknochen gekennzeichnet. Die NSD-Tumoren sind bei diesem Krankheitsbild in 15 - 30 % der Fälle maligne.
Das Erscheinungsbild des pHPT hat sich in den letzten drei Jahrzehnten von einer hochsymptomatischen Erkrankung zu einer zufällig entdeckten Hyperkalzämie gewandelt, insbesondere auch durch eine problemlose Verfügbarkeit von Labordiagnostik. Die Diagnose pHPT wird heute mindestens 10 Jahre früher gestellt als vor 20 Jahren.
Operation
Die Operation ist die einzige kurative Therapie, praktisch alle Patienten mit nachgewiesenem pHPT profitieren von der Operation. Wegen des Morbiditätsspektrum der Hyperkalzämie ist nicht nur bei symptomatischen Formen, sondern auch bei Asymptomatik in der Regel die Indikation zur Parathyreoidektomie gegeben.
Der präoperative Nachweis einer einzelnen vergrößerten Nebenschilddrüse ermöglicht ein fokussiertes chirurgisches Vorgehen.
Standardeingriff beim solitären Adenom ist die hier demonstrierte offene minimalinvasive Parathyreoidektomie als Ersteingriff bei lokalisiertem pHPT, in der Regel kombiniert mit einer histologischen Schnellschnittuntersuchung und intraoperativem PTH-Monitoring. Wurde das Adenom präoperativ konkordant mit Ultraschall und Szintigraphie lokalisiert, kann auf die intraoperative Kontrolle des PTH-Spiegels verzichtet werden.
Über eine 2 - 3 cm lange Hautinzision wird fokussiert die betroffene Nebenschilddrüse entfernt. Der Eingriff findet ausschließlich in einer Schilddrüsenloge statt. Aufgrund der anatomischen Lage, gestaltet sich die Resektion einer oberen Nebenschilddrüse schwieriger als die einer unteren. Sollte das Adenom nicht aufgefunden werden oder der PTH-Spiegel nicht abfallen, muss bilateral exploriert und alle vier Nebenschilddrüsen identifiziert werden.
Bei V.a. ein Karzinom ggf. Erweiterung durch Resektion der angrenzenden Strukturen (Hemithyreoidektomie, gerade Halsmuskulatur, Weichgewebe). Lymphadenektomie nur bei Nachweis von suspekten Lymphknoten.