In rund 75 - 90 % der Fälle ist der primäre Hyperparathyreoidismus (pHTP) auf ein solitäres Nebenschilddrüsen-Adenom (NSD-Adenom) zurückzuführen. Während Doppel-Adenome eher selten auftreten, sind Hyperplasien aller vier NSD etwas häufiger. Letztere sind überwiegend genetisch bedingt und treten familiär gehäuft auf. In < 1 % der Fälle liegt ein NSD-Karzinom vor. Mit einer Prävalenz von 0,2 - 0,4% bei den über 60jährigen ist der pHTP eine der drei häufigsten hormonell bedingten Erkrankungen in der Bevölkerung [1, 2, 3].
Lokalisationsdiagnostik der NSD-Adenome
Während bis vor rund 20 Jahren die bilaterale Halsexploration üblich war [4], stehen heute die fokussierten Operationstechniken im Vordergrund. Ist die biochemische Diagnose eines pHTP gestellt worden, folgt daher die Lokalisationsdiagnostik.
Die Sonographie ist das Lokalisationsdiagnostikum der ersten Wahl, mit dem sich rund 70 % der NSD-Adenome darstellen lassen [5]. Ähnlich gute Ergebnisse sind mit der Tc-99m-Methoxyisobutyl-Isonitril(MIBI)-Szintigraphie zu erzielen. Die Aussagekraft der Szintigraphie lässt sich durch Anwendung der SPECT-Technologie weiter verbessern [6]. SPECT (Single Photon Emission Computed Tomography) kombiniert die Gammakamera und Computertomographie miteinander und ermöglicht die dreidimensionale Darstellung des zu untersuchenden Kompartiments. Im Gegensatz zur Sonographie können mit der Szintigraphie auch mediastinal gelegene Adenome dargestellt werden.
Die Sensitivität der Computer- und Magnetresonanztomographie wird in der Literatur mit 30 – 80 % angegeben und liegt damit unter der von Sonographie und Szintigraphie.
Mit der 11C-Methionin-Positronenemissionstomographie(PET)-CT kann ein Teil der NSD-Adenome lokalisiert werden, die sich mit anderen bildgebenden Verfahren nicht darstellen lassen [7]. Das Verfahren kann allerdings nicht zu Lasten der GKV durchgeführt werden (Stand: 2017).
Bei der selektiven Venenblutabnahme aus den Jugularvenen, der Vena brachiocepalica und der Vena cava superior kann die Bestimmung der PTH-Konzentration in den Blutproben bei erhöhten Werten zur Eingrenzung der Adenom-Lokalisation beitragen. Das Verfahren ist bei Erstoperationen nicht indiziert.
Die fokussierten Operationstechniken erfordern die Sonographie und ggf. Szintigraphie, weitergehende Untersuchungen zur Adenom-Lokalisation müssen kritisch gesehen werden. Vor einer Erstoperation sollte die OP-Indikation des NSD-Adenoms nicht von der erfolgreichen Lokalisationsdiagnostik abhängig gemacht werden. Ausnahmen stellen Voroperationen an der Schilddrüse wegen des erhöhten Operationsrisikos dar.
Operationsindikation
Die OP-Indikation ist bei allen Patienten mit klassischen Symptomen und Folgeerkrankungen des pHPT gegeben. Bei vermeintlich asymptomatischen Patienten wird die Indikation kontrovers diskutiert [8, 9]. Nach den Empfehlungen sollten asymptomatische Patienten operiert werden, wenn
- sie jünger als 50 Jahre sind oder
- einen Kalziumspiegel von mehr als 0,25mmol/l über dem oberen Normwert oder
- eine Kreatininclearance von wenigerals60ml/min oder
- eine Kalziumausscheidung im Urin von mehr als10mmol/Tag aufweisen.
Die OP-Indikation sollte zudem in Betracht gezogen werden, wenn
- die Knochendichtemessung einen T-Score von < - 2,5 ergibt,
- eine Wirbelkörperfraktur vorliegt,
- die bildgebende Diagnostik asymptomatische Nierensteine oder eine Nephrokalzinose zeigt.
Bei vielen vermeintlich asymptomatischen Patienten ist nach erfolgreicher Operation zudem eine Verbesserung der Lebensqualität zu beobachten [10]. Wird keine Operation durchgeführt, werden Kontrolluntersuchungen im jährlichen Abstand empfohlen (Kalziumspiegel, Knochendichtemessung, bildgebende Diagnostik der Nieren).
Fokussierte Operationstechnik
Unter diesem Begriff werden verschiedene Operationstechniken zusammengefasst, mit denen ein präoperativ lokalisierter NSD-Tumor gezielt aufgesucht und entfernt wird [11, 12, 13]. Die Präparation auf der Gegenseite mit entsprechenden Operationsrisiken und postoperativer Vernarbung wird somit vermieden.
Die früher übliche bilaterale Halsexploration mit Darstellung aller vier NSD ist bei Patienten indiziert, die wahrscheinlich an einer Mehrdrüsenerkrankung leiden, oder wenn präoperativ kein NSD-Adenom lokalisiert werden konnte oder keine Möglichkeit besteht, intraoperativ die Messung des PTH-Spiegels durchzuführen.
Intraoperative PTH-Bestimmung
Um bei fokussierten Operationstechniken deren Erfolg zu kontrollieren, ist die intraoperative PTH-Bestimmung erforderlich. Sofern kein weiteres Adenom vorliegt, fällt nach Entfernung des Adenoms der PTH-Spiegel aufgrund der kurzen Halbwertszeit des PTH innerhalb weniger Minuten ab. Der Eingriff kann in diesen Fällen beendet werden. Sinkt der PTH-Spiegel nicht, muss die Gegenseite exploriert werden. Nach Angaben der Europäischen Gesellschaft der endokrinen Chirurgen kann auf die intraoperative PTH-Bestimmung verzichtet werden, wenn das Adenom präoperativ sowohl mit Ultraschall als auch Szintigraphie lokalisiert wurde [14].
Zur Interpretation der intraoperativ erhobenen PTH-Werte existieren verschiedene Empfehlungen [15], die sich auf den Zeitpunkt der Blutabnahmen und des geforderten PTH-Abfalls beziehen. In den USA sind die „weichen“ Miami-Kriterien gebräuchlich (Abfall des PTH-Spiegels nach Adenom-Entfernung auf < 50 % des Ausgangswertes), in Deutschland hingegen die „harten“ Halle-Kriterien (Abfall des PTH-Spiegels < 35 pg/ml). Bei den Miami-Kriterien besteht die Gefahr, eine Mehrdrüsenerkrankung zu übersehen, bei den Halle-Kriterien ist das Risiko größer, die Gegenseite unnötig zu explorieren.