Das Magenkarzinom
Das Magenkarzinom gehört mit einer weltweiten Inzidenz von über 1 Million Neuerkrankungen zu den häufigsten soliden Malignomen [1]. In Deutschland liegt die Inzidenz bei ca. 15.000 Neuerkrankungen pro Jahr (ca. 9.000 Männer und 6.000 Frauen), wobei die aktuelle 5-Jahres-Überlebensrate geschlechtsabhängig zwischen 30 % (Männer) und 33 % (Frauen) liegt [2]. Während im asiatischen Raum aufgrund von Screeningprogrammen 5-Jahres-Überlebensraten von über 70 % erreicht werden, präsentiert sich das Magenkarzinom hierzulande bei der Erstdiagnose häufig in einem fortgeschrittenen Stadium, welches lokal nicht mehr durch eine endoskopische Resektion abgetragen werden kann.
Die einzige Möglichkeit zur kurativen Therapie bei lokal fortgeschrittenen Magenkarzinomen und Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs (AEG) stellt derzeit die onkologisch-chirurgische Resektion mit dem Ziel der vollständigen Entfernung des Primärtumors (tumorfreie Resektionsränder, R0) und der regionären Lymphabflusswege (systematische D2-Lymphadenektomie) dar [3].
Endoskopische Submukosadissektion (ESD)
Eine Ausnahme stellen Frühkarzinome dar (pT1a und N0), die endoskopisch en bloc reseziert werden können, sofern sie alle der folgenden vier Kriterien erfüllen [3]:
- < 2 cm Durchmesser
- nicht ulzeriert
- Mukosakarzinom
- intestinaler Typ bzw. histologischer Differenzierungsgrad gut oder mäßig (G1/G2)
Da einige Kriterien (Grading, Submukosainvasion) erst nach genauer histopathologischer Diagnose vorliegen, kann die endoskopische Resektion zunächst unter diagnostischen Aspekten durchgeführt werden. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass dies mit dem Ziel einer en-bloc-R0-Resektion erfolgen soll. Dabei stellt die endoskopische Submukosadissektion (ESD) die Methode der Wahl dar, da nur sie eine sichere en-bloc-R0-Resektion größenunabhängig erlaubt.
Magenfrühkarzinome mit maximal einem „erweiterten Kriterium“ können ebenfalls endoskopisch kurativ reseziert werden [3]:
- differenziertes Mukosakarzinom (G1/G2) ohne Ulzeration und Größe > 2 cm
- differenziertes Mukosakarzinom mit Ulzeration und Größe ≤ 3 cm
- gut differenzierte Karzinome mit Submukosainvasion < 500 µm und Größe < 3 cm
- undifferenziertes Mukosakarzinom < 2 cm Durchmesser (sofern bioptisch kein Nachweis von Tumorzellen im Abstand ≤ 1 cm besteht)
Liegen mehr als ein erweitertes Kriterium vor, soll eine onkologisch-chirurgische Resektion erfolgen [3].
Onkologisch-chirurgische Resektion
Neben der totalen und transhiatal erweiterten Gastrektomie ist je nach Indikation und Tumorgröße eine partielle Magenteilresektion im Sinne einer proximalen oder distalen Magenteilresektion möglich.
Beim Magenfrühkarzinom besteht die Indikation zur Operation immer dann, wenn das auf die Mukosa beschränkte Karzinom (T1a) endoskopisch nicht kurativ reseziert werden kann oder bei größerer Eindringtiefe (T1b) das Risiko von Lymphknotenmetastasen ansteigt und eine adäquate Lymphadenektomie für das sichere Erreichen einer Kuration unabdingbar ist [3, 4].
Für Frühkarzinome belegt eine hohe Evidenz, dass die laparoskopischen Verfahren unabhängig von der Tumorlokalisation und Resektionsart technisch sicher und onkologisch mit der offenen Chirurgie vergleichbar sind [5-18]. Im Vergleich zu konventionell-offen operierten Patienten erholen sich Patienten nach laparoskopischer Resektion schneller, weisen eine signifikant frühere orale Toleranz der Nahrungsaufnahme, eine verkürzte postoperative Atonie, eine raschere Mobilisation und einen kürzeren stationären Klinikaufenthalt auf [5, 9-11, 16-18]. Die Gesamtmorbidität nach laparoskopischer Chirurgie ist in RCTs signifikant geringer: laparoskopisch vs. offen 2,0–2,8 % vs. 2,0–57,1 % [13, 18]. Die 30-Tage-Letalität der laparoskopischen und offenen Technik ist mit 0,1–3,0 % gleich [4, 5, 19]. Eine LAD mit jeweils mehr als 25 entfernten Lymphknoten sowie eine D2-LAD ist laparoskopisch ohne Erhöhung der Morbidität durchführbar [17].
Es liegen ausreichend Daten vor, welche belastbare Aussagen zum onkologischen Outcome nach laparoskopischer Resektion von Magenfrühkarzinomen zulassen. Im koreanischen COACT0301-Trial wurde ein 5-Jahres-DFS (erkrankungsfreies Überleben) von 98,8 % in der laparoskopischen Gruppe und von 97,6 % in der konventionell-offenen Gruppe festgestellt. Das 5-Jahres-Gesamtüberleben war mit 97,6 % in der laparoskopischen Gruppe und 96,3 % in der offenen Gruppe nahezu identisch [20]. Weitere Vergleichsstudien kamen zu ähnlichen Ergebnissen [11, 21].
Bei lokal fortgeschrittenen Magenkarzinomen, die proximal lokalisiert sind, bedarf es in der Regel einer Gastrektomie. Bei Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs (Kardiakarzinom, AEG Typ II und III) ist zusätzlich eine distale Ösophagusresektion indiziert. Je nach luminaler Tumorausbreitung ist ggf. auch eine subtotale Ösophagektomie mit proximaler Magenresektion bzw. Ösophagogastrektomie zum Erreichen einer R0-Resektion erforderlich. Bei distalen Tumoren kann ohne Verschlechterung der Prognose der proximale Magen erhalten werden. Ein ausreichender Resektionsabstand von 5 cm (intestinaler Typ nach Lauren) bzw. 8 cm (diffuser Typ nach Lauren) ist dabei anzustreben. Bei Unterschreitung des Sicherheitsabstandes nach oral sollte eine Schnellschnittuntersuchung stattfinden. Am Tumor adhärente Strukturen (z. B. Zwerchfell, Milz) sollten möglichst en bloc mit dem Tumor entfernt werden. Eine Routine-Splenektomie soll vermieden werden [22–27].
Für laparoskopische Verfahren zur kurativen Chirurgie des Magenkarzinoms liegen mittlerweile zahlreiche Studien vor, die für distale, lokal fortgeschrittene Karzinome und distale bzw. subtotale Magenresektionen einen hohen Evidenzgrad haben, der sowohl die technische Machbarkeit als auch das onkologische Outcome mit den Vorteilen einer besseren frühpostoperativen Erholung verbinden [19, 28–42]. Für proximal lokalisierte fortgeschrittene Karzinome ist die Sicherheit laparoskopischer Techniken belegt, für die onkologische Gleichwertigkeit stehen aktuell Evidenzgrad-1-Studien (RCT) noch aus.
Die aktuelle deutsche S3-Leitlinie (Update 2019) empfiehlt laparoskopische Verfahren zur kurativen Chirurgie des Magenkarzinoms derzeit „nicht generell“ [3]. Das Ziel der Kuration sollte bei allen funktionell operablen Patienten mit T1- bis T4-Tumoren angestrebt werden [43]. Patienten mit T4b-Tumoren, die nicht resektable Strukturen betreffen, und solche mit Fernmetastasen sollten keiner radikalen Chirurgie unterzogen werden.
Stellenwert minimalinvasiver Techniken
Bezüglich der Indikation minimal-invasiver Verfahren bei fortgeschrittenem Magenkarzinom deuten die neuesten Ergebnisse großer prospektiver randomisierter Studien auf ein gleichwertiges onkologisches Ergebnis der laparoskopischen Gastrektomie im Vergleich zur offenen Magenresektion hin. Eine entsprechende chinesische Studie hat bereits vergleichbare krankheitsspezifische 3-Jahres-Ergebnisse gezeigt [44]. Die koreanische KLASS-02-Studie (Korean Laparoendoscopic Gastrointestinal Study Group) zeigte eine geringere postoperative Morbidität nach laparoskopischer Gastrektomie mit D2-Lymphadenektomie, während eine äquivalente japanische Studie eine Gleichwertigkeit nachweisen konnte [45, 46]. Westliche Evidenz zu minimal-invasiven Gastrektomien (MIG) basiert auf kleineren Studien, die das postoperative Ergebnis als primären Endpunkt untersuchen. Hervorzuheben sind hier die LOGICA-Studie (NCT02248519) und die STOMACH-Studie (NCT02130726), in denen die postoperative Morbidität, Verweildauer und chirurgische Qualität der laparoskopischen Gastrektomie im Vergleich zur offenen Gastrektomie verglichen werden.
Robotik in der Magenchirurgie
Bei gleicher Indikation zeigten sich in einer koreanischen prospektiven multizentrischen, nicht randomisierten Studie bei der robotischen Gastrektomie gleichwertige postoperative Ergebnisse im Vergleich zur laparoskopischen Gastrektomie. In einer Subgruppenanalyse ergab sich ein geringerer Blutverlust bei der D2-Lymphadenektomie in der Robotikgruppe [47, 48].
Eine japanische prospektive multizentrische einarmige Studie für Magenkarzinome im Stadium UICC I/II zeigte eine geringere Morbidität nach robotisch-assistierter Gastrektomie im Vergleich zu einer historischen laparoskopischen Kohorte [49].
Die Anzahl der resezierten Lymphknoten war in dieser und anderen Studien nicht unterschiedlich, sodass gleichwertige Langzeitergebnisse erwartet werden.
In größeren retrospektiven Serien konnte gezeigt werden, dass auch die Langzeitergebnisse nach robotischer Resektion denen nach laparoskopischer Resektion nicht unterlegen sind. Bereits publizierte Ergebnisse zur Magenresektion konnten selbst für ausgewählte, als technisch anspruchsvoll geltende Lymphknotenstationen stets gleichwertige Lymphknotenzahlen zeigen [50, 51].