Epidemiologie und Prävalenz
Der Morbus Dupuytren (MD) ist eine primär familiäre Erkrankung, die überwiegend in Nordeuropa auftritt [1, 2]. Für den europäischen Raum zeigt eine Metastudie eine sehr weit gestreute Prävalenz zwischen 0,6 und 31,6 % [3]. Eine randomisierte Studie aus den Niederlanden ergab eine Prävalenz von 22,1 % [4]. Für Großbritannien konnte eine Prävalenz von 34,3 auf 100.000 nachgewiesen werden [5].
Der MD ist eine Erkrankung des älteren Menschen, es existieren jedoch auch juvenile Formen und Erkrankungen im Kindesalter [6]. In einer Metastudie von 19 Arbeiten wurde eine Prävalenz von ca. 12 % im Alter von 55 Jahren ermittelt, die im Alter von 75 Jahren auf 29 % ansteigt [3]. Männer erkranken häufiger und auch früher als Frauen [7].
Risikofaktoren
Mehrere Studien an Familien sowie Zwillingsstudien legen genetische Komponenten bei der Entstehung des MD nahe, verursachen die Erkrankung jedoch nicht alleine [1,2]. Eine Vielzahl an exogenen Faktoren steht in Verdacht, Entstehung und Schweregrad der Erkrankung zu beeinflussen, wobei die Studienlage oft widersprüchlich ist. So existieren Studien, die einen Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum zeigen, andere Studien hingegen nicht [8, 9]. Auch auf einen Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und MD lassen Studien keine klaren Rückschlüsse zu [3, 10]. Rauchen wurde lange als Risikofaktor für die Entwicklung eines MD angesehen (Hypoxie des Gewebes), aber auch hier ist die Studienlage widersprüchlich [3, 10, 11]. Eine Vielzahl an Studien diskutiert den Zusammenhang mit manueller Arbeit (Vibration) und Trauma. In zwei Studien konnte eine positive Korrelation zwischen dem langzeitigen (> 15 Jahre) Gebrauch vibrierender Maschinen und dem MD nachgewiesen werden [10, 12].
Dupuytren-Diathese
Einige Faktoren beeinflussen das Fortschreiten des MD ungünstig [13]:
- Auftreten vor dem 50. Lebensjahr
- bilateraler Befall
- positive Familienanamnese
- knuckle pads
Knuckle pads gehören zu den superfiziellen Fibromatosen und beschreiben umschriebene polsterartige fibrotische Verdickungen unklarer Genese, die streckseitig über den Fingergelenken lokalisiert sind. Mit einer Odds Ratio von 4,4 zeigen Knuckle pads den höchsten Zusammenhang mit der Entwicklung des MD.
Primäreingriff beim MD
Der MD führt als fibroproliterative Erkrankung der Hohlhandaponeurose zu einer zunehmenden Strangbildung und bei entsprechendem Progress zu einer Beugekontraktur des betroffenen Fingers.
Neben konservativen Therapien stehen minimal-invasive bzw. perkutane sowie offen chirurgische Verfahren zur Verfügung [14]:
- perkutane Nadelaponeurotomie
- partielle/limitierte Aponeurektomie
- radikale/totale Aponeurektomie
- Dermatofasziektomie
Stadieneinteilung nach Tubiana [15]
Stadium 0 | keine Veränderungen |
Stadium N | Knoten o. Strang in der Hohlhand ohne Beugekontraktur |
Stadium I | Summe der Beugekontraktur zwischen 0 und 45° |
Stadium II | Summe der Beugekontraktur zwischen 45 und 90° |
Stadium III | Summe der Beugekontraktur zwischen 90 und 135° |
Stadium IV | Summe der Beugekontraktur > 135° |
Es wird die gesamte Beugekontraktur eines Fingers in Grad bewertet, unabhängig davon, wie groß die Kontrakturgrade der einzelnen Gelenke sind.
Perkutane Nadelaponeurotomie (PNA)
Die PNA ist ein Verfahren, bei dem mit einer Kanüle als Mikroskalpell der Aponeurosenstrang in Lokalanästhesie durchtrennt und die Gelenkkontraktur reduziert wird [16]. Die minimal-invasive Technik kommt in den Anfangsstadien des MD in Betracht (Tubiana I und II) sofern nicht mehrere Stränge betroffen sind [17]. Beim Befall mehrerer Strahlen, bei ausgeprägter Bewegungseinschränkung im Mittelgelenk (PIP) sowie im Endgelenk (DIP), bei höheren Stadien nach Tubiana sowie bei Rezidiven sind minimal-invasive Verfahren meist nicht sinnvoll.
Die PNA ist eine sichere und effektive Maßnahme bei gegebener Indikation. Allerdings muss mit einer Rezidivrate von bis zu 85 % gerechnet werden, auch treten Rezidive signifikant früher auf [18, 19, 20]. Inadäquate Hautverhältnisse und Narben sowie Kontrakturen anderer Pathologien können mit der PNA nicht korrigiert werden, weshalb das Verfahren bei multiplen Aponeurosensträngen und breitbasigem Strang nicht in Betracht kommt [21].
Partielle/limitierte Aponeurektomie
Die partielle/limitierte Aponeurektomie gilt derzeit als Goldstandard, bei der das erkrankte Gewebe offen chirurgisch aus der Hohlhand exzidiert wird [22, 23, 24]. Die Indikation für eine partielle, ggf. auch totale Aponeurektomie ergibt sich beim Kontrakturbefall mehrerer Strahlen mit ausgeprägten Bewegungseinschränkungen im proximalen und distalen Interphalangealgelenk (Tubiana III und IV) sowie bei Rezidiven [25].
Für die offen chirurgische Therapien des MD werden Komplikationsraten zwischen 17 und 19 % angegeben: dauerhafte Sensibilitätsstörungen, Beugesehnenläsionen, erforderliche Vollhauttransplantationen infolge unzureichender Weichteildeckung nach Tenoarthrolyse, Wundheilungsstörungen, Infekte, Hämatome und CRPS [25, 267, 27]. Metaanalysen zeigen durchschnittliche Rezidivraten von 21 % nach Aponeurektomie [28].
Dermatofasziektomie
Die Dermatofasziektomie geht auf die Beschreibung von Busch und Lexer vor über 100 Jahren zurück. Es erfolgt die vollständige Resektion von Haut, Subkutis und dem darunterliegenden Kontrakturstrang, der große Weichteildefekt wird anschließend mit einem Vollhauttransplantat versorgt [29, 30]. Diese radikalste Technik zur operativen Behandlung des MD dürfte kaum noch durchgeführt werden.
Therapie des MD mit Kollagenase Clostridium histolyticum
Erste Behandlungsansätze zur enzymatischen Auflösung der Dupuytren-Stränge wurden bereits 1965 vorgestellt [31]. Ein Beispiel für derartige Enzyme sind Kollagenasen, die Peptidbindungen spalten und somit Kollagene abbauen können.
Die Kollagenase Clostridium histolyticum (CCH) wurde erstmals 1996 im Rahmen einer In-vitro-Studie vorgestellt [32]. In dieser Studie wurde das Enzym in operativ gewonnene Dupuytren-Stränge injiziert und deren Reißfestigkeit mit nicht-injizierten Strängen verglichen. Das Elastizitätsmodul der mit CCH behandelten Stränge sank um 93 % und damit die Kraft, die benötigt wurde, um einen Strangbruch herbeizuführen.
Die CCH wird direkt in den Dupuytren-Strang injiziert. Nachdem die Kollagenase die Kollagene im Strang partielle aufgelöst hat, erfolgt am darauffolgenden Tag die manuelle Aufdehnung des enzymatisch angedauten Stranges durch passive Extension des betroffenen Stranges.
In einer randomisierten klinischen Phase-III-Multicenter-Studie aus 2009 (CORD I, Collagenase Option for Reduction of Dupuytren´s) mit 308 Patienten konnte gezeigt werden, dass bei Patienten, deren Stränge mit CCH behandelt wurden, die manuelle Aufdehnung am Folgetag zu signifikant besseren Ergebnissen führte als bei Patienten, denen ein Placebo injiziert wurde [33, 34]. Die CORD II-Studie aus 2010 bestätigte die Ergebnisse und zeigte außerdem die signifikant höhere postinterventionelle Patientenzufriedenheit nach CCH-Anwendung im Vergleich zur Placebogruppe [35].
Die CORD I-Studie ergab, dass es bei 96,6 % der behandelten Patienten zu mindestens einer behandlungsassoziierten unerwünschten Nebenwirkung kam, meist mild bis moderat sowie selbstlimitierend (21,2 % bei der Placebogruppe):
- Schwellung 72,2 %
- Erguss 51,0 %
- Hämatom/Einstichstelle 37,3 %
- Schmerzen/Einstichstelle 32,4 %
- Schmerzen in der oberen Extremität 30,9 %
Die Indikationen für eine CCH-Behandlung sind:
- Alter > 18 Jahre
- Palpabler Strang
- MCP-Kontraktur 20 – 100°
- PIP-Kontraktur 20 – 80°
- Tubiana-Stadium II
- Fixierte Beugekontraktur: Ein Streckdefizit ist Voraussetzung, damit der Strang bei der passiven Aufdehnung rupturiert
Kontraindikationen sind Schwangerschaft (keine Daten), Hypersensibilität gegen Kollagenase und eine Antikoagulation 7 Tage präinterventionell (Ausnahme: ASS bis zu 150 mg tgl.)
Bei bereits mittels partieller Fasziektomie voroperierten Patienten mit einem manifesten Rezidiv zeigt die CCH-Intervention keine signifikanten Unterschiede bezüglich Effektivität oder Sicherheit im Vergleich zu nicht-voroperierten Patienten [36].
Effizienz und Sicherheit von CCH-Injektionen wurden 2013 von zwei Open-label-Studien (JOINT I [US] und JOINT II [AUS]) an insgesamt 879 Gelenken bei 587 Patienten an 34 Institutionen untersucht [37]. Bei 57 % der Patienten war die Behandlung erfolgreich (0-5 % Streckung innerhalb von 30 Tagen), dies bei mehr MCP- als PIP-Gelenken (70 vs. 37 %). Gelenke mit geringen Kontrakturen sprachen besser auf die CCH-Intervention an als ausgeprägte Kontrakturen, weshalb eine Intervention in frühen Stadien des MD vorteilhafter ist. Sehnenrupturen und systemische Reaktionen wurden nicht beobachtet.
Aus den ersten klinischen Studien (CORD I und II, JOINT I und II) wurden die Patienten im Rahmen einer 3-Jahres-Follo-up-Studie (CORDLESS-Study: 3-year data) nochmals untersucht [38]. Zu einem Rezidiv kam es bei 35 % der mit CCH behandelten Gelenke, womit die Rezidivrate sich als vergleichbar zu operativen Standardverfahren zeigte.