Zur Therapie der akuten Extremitätenischämie (AEI) stehen zur Verfügung:
1. offen-chirurgische Verfahren
- Katheterthrombektomie/embolektomie nach Fogarty
- Thrombendarteriektomie (TEA) mit Patchplastik
- unterschiedliche Bypassverfahren
2. Endovaskuläre Verfahren
- lokale direkte sowie pharmakomechanische Thrombolyse
- Thrombusaspiration
- mechanische Thrombektomie
- Ballon- und Stent-Angioplastie
Offen-chirurgische und endovaskuläre Revaskularisation - Ergebnisse systematischer Übersichtsarbeiten
Ob offen-chirurgische Verfahren oder die Thrombolyse die bevorzugte Behandlungsmethode bei AEI darstellen sollten, untersuchte ein Cochrane Review aus 2013 mit insgesamt 1283 Patienten [1]. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede in Extremitätenerhalt oder Tod nach 30 Tagen, 6 Monaten oder 1 Jahr zwischen den Gruppen. Schlaganfälle waren nach 30 Tagen in der Thrombolysegruppe häufiger als in der Gruppe chirurgischer Patienten (1,3 % vs. 0 %). Gleiches traf auch für Blutungskomplikationen (8,8 % vs. 3,3 %) und distale Embolisationen (12,4 % vs. 0 %) zu. Diese Risiken müssten jedoch gegen das individuelle Operationsrisiko im Einzelfall abgewogen werden. Die Autoren kamen daher zu dem Schluss, dass eine allgemeingültige Empfehlung für offene Chirurgie oder Thrombolyse nicht gegeben werden kann.
Eine spätere Übersicht auf der Basis von 1773 Patienten, die in 6 Studien erfasst wurden, kam bezüglich Kurzzeitergebnissen und Mortalität, Amputationsraten und rezidivierende Ischämie nach 12 Monaten zu ähnlichen Ergebnissen[2]. Die endovaskulären Verfahren waren allerdings mit einer niedrigeren Morbidität verbunden, so dass eine endovaskuläre Erststrategie bei der AEI durch diese Analyse untermauert wurde.
In einer dritten Übersicht aus 2016, die auf 4 prospektiv randomisierten sowie 5 weiteren Studien fußte, empfahlen die Autoren ebenfalls eine endovaskuläre Erststrategie bei der AEI aufgrund gleichwertiger kurzfristiger Ergebnisse und geringerer perioperativer Morbidität und Mortalität [3]. Allerdings wiesen die Autoren bei dieser Strategie auf den höheren Bedarf an weiteren Interventionen hin: Ist die AEI endovaskulär behoben, sind die Patienten im Einzelfall eher Kandidaten für eine definitive chirurgische Revaskularisation mit besserem Langzeitergebnis.
Weitere Studien
Einen retrospektiven Vergleich von endovaskulärer (154 Extremitäten) und offen-chirurgischer Revaskularisation (326 Extremitäten) bei AEI der unteren Extremität legten Taha et al. vor [4]. In der operativen Gruppe wurden 293 Thrombembolektomien zusätzlich zu 107 Bypässen, 67 Endarteriektomien und 56 Hybridprozeduren ausgeführt, in der endovaskulären Gruppe 83 katheterbasierte Thrombolysen, 15 pharmakomechanische Thrombolysen und 56 Kombinationen von katheterbasierter und pharmakomechanischer Thrombolyse.
Ergebnisse:
Parameter | offen-chirurgisch | endovaskulär |
---|---|---|
technische Erfolgsrate | 88,0 % | 81,0 % |
Wundinfektion | 9,0 % | 0,7 % |
Rethrombosen | 14,7 % | 1,3 % |
Amputationsrate nach 30 Tagen | 13,5 % | 6,5 % |
Amputationsrate nach 1 Jahr | 19,6 % | 13,0 % |
Sterblichkeit nach 30 Tagen | 13,2 % | 5,4 % |
Sterblichkeit nach 1 Jahr | 33,8 % | 12,9 & |
Sterblichkeit nach 1 Jahr | 40,5 % | 18,7 % |
primäre Offenheitsrate nach 1 Jahr | 57,0 % | 51,0 % |
primäre Offenheitsrate nach 2 Jahren | 48,0 % | 38 % |
Bei der Interpretation der Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass in der chirurgischen Patientengruppe häufiger fortgeschrittene Ischämiegrade der AEI behandelt wurden. Die offen-chirurgische Revaskularisation war endovaskulären Techniken hinsichtlich der technischen Erfolgsrate in diesen Fällen überlegen, insbesondere wenn der Ischämie ein Stent- oder Bypassversagen zugrunde lag.
Um zu Morbidität und Mortalität nach Embolektomie Aussagen machen zu können, nutzten Casillas-Berumen et al. die NSQIP-Datenbasis [5]. In die Datenbasis gingen 1749 Embolektomien aus den Jahren 2005 bis 2012 ein. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 68 Jahren, knapp 48 % waren Männer. Iliofemoral-popliteale Embolektomien wurden bei 1231 (70,4 %) Patienten vorgenommen, popliteo-tibioperoneale Embolektomien bei 303 (17,3 %) Patienten und Embolektomien in beiden Levels bei 215 (12,3 %) Patienten. Bei 308 Patienten (17,6 %) wurde gleichzeitig mit der Embolektomie eine Fasziotomie ausgeführt. An postoperativen Komplikationen traten auf: Myokardinfarkt/Herzstillstand bei 4,7 %, pulmonale Komplikationen bei 16,0 % und Wundkomplikationen bei 8,2 % der Fälle. Bei 25 % der Patienten musste innerhalb 30 Tagen eine Reoperation erfolgen. Die Sterblichkeit innerhalb 30 Tagen postoperativ machte 13,9 % aus.
In einer Analyse entwickelten die Autoren ein Prognosemodell für die perioperative Letalität. Als Risikofaktoren wurden Alter > 70 Jahren, männliches Geschlecht, funktionelle Abhängigkeit, COPD, Herzinsuffizienz, kürzlich erlittener Myokardinfarkt/Pectangina, chronische Niereninsuffizienz und Steroidtherapie eingeschlossen. Die Notwendigkeit einer Risikostratefizierung ist aus mehreren Gründen sinnvoll, da die Hälfte der verstorbenen Patienten komplett körperlich abhängig war, weshalb die chirurgische Revaskularisation gegen eine palliative Pflege am Lebensende abzuwägen ist. Andererseits kann das Vorhersagemodell der Risikostratefizierung von Patienten dienen, die zur operativen Embolektomie anstehen, aber eventuell besser mittels perkutanen Embolie-Devices oder aber mittels katheterbasierter Thrombolyse behandelt werden.