Perioperatives Management - EVAR – Endovaskuläre Versorgung eines abdominellen Aortenaneurysmas (Y-Prothese)

  1. Indikationen

    • Bauchaortenaneurysma (BAA) > 5 cm
    • kleinere Aneurysmen bei exzentrischem BAA oder Ulzerationen mit gedeckter Perforation (PAU, primary aortic ulcer)
    • symptomatische Aneurysmen jeglicher Größe

    Besondere Indikationen und Therapieoptionen bei M. Behçet, Marfan-Syndrom, mykotischen Aneurysmen wie z. B. Salmonellen-Infektionen und BAA mit peripherer Embolisation.

    Die Indikation zur invasiven Therapie eines abdominalen Aortenaneurysmas (AAA) ergibt sich grundsätzlich aus einer Gegenüberstellung des individuellen Rupturrisikos im Spontanverlauf gegen das Operationsrisiko. Übersteigt das Rupturrisiko im Spontanverlauf das individuelle Operationsrisiko, wird in der Regel die Indikation zur invasiven Therapie gestellt.

    Klassifikation des Rupturrisikos

    Faktoren

    Niedriges Risiko

    Mittleres Risiko

    Hohes Risiko

    Aneurysmadurchmesser

    < 5 cm

    5-6 cm

    > 6 cm

    Wachstumsrate pro Jahr

    < 0,3 cm

    0,3-0,5 cm

    > 0,5 cm

    Rauchen/COPD

    gering

    mäßig

    viel

    Familienanamnese

    keine

    vereinzelt

    gehäuft

    Arterielle Hypertonie

    keine

    gut eingestellt

    instabil trotz Therapie

    Morphologie

    fusiform

    sakkulär

    Ausstülpungen

    Geschlecht

    männlich

    weiblich

    OP-Indikation

    Klassifikation

    Größe

    Wand

    Klinik

    OP-Indikation

    asymptomatisch infrarenal

    > 5 cm  ♂

    > 4,5 cm  ♀

    intakt

    keine

    elektiv

    asymptomatisch supraaortal

     > 6 cm

    intakt

    keine

    elektiv

    symptomatisch

    unabhängig

    intakt

    Spontanschmerz, DS Abdomen, Rücken oder Flanke

    dringlich, bis 24 Std.

    rupturiert

    unabhängig

    gedeckt o. frei rupturiert

    diffuser starker Spontan-/Berührungsschmerz des gespannten Abdomens, mit/ohne hämorrhagischer Schock

    Notfall

    aortoduodenale Fistel

    intermittierendes Erbrechen, Melaena

    Notfall

    aortokavale Fistel

    Rechtsherzinsuffizienz, Fistelgeräusche, Stammzyanose, simultane KM-Kontrastierung Aorta & V. cava inferior

    Notfall

    Für die operative Therapie des AAA stehen zwei Verfahren zur Verfügung:

    • der offene Ersatz der abdominalen Aorta durch eine Rohr- oder Bifurkationsprothese (OAR, open aortic repair)
    • die endovaskuläre Implantation einer Stentprothese (EVAR, endovascular aortic repair)

    Die laparoskopische Aneurysmachirurgie, meist in Kombination mit einer Mini-Laparotomie, ist von eher untergeordneter Bedeutung.

    Für die Auswahl des Verfahrens - OAR oder EVAR - existieren folgende Empfehlungen:

    OAR (trans-, retroperitoneal)

    • normale Lebenserwartung
    • niedriges OP-Risiko („Fitness“)
    • ungeeignete Anatomie für EVAR: Landezone, Aneurysma-Hals (Winkel, Länge), Iliakalgefäße (Stenosen, Elongation, Kinking), Thromben, Kalzifikation
    • Marfan und andere Bindegewebserkrankungen

    EVAR (Standard-Prothese, Custom-made)

    • abdominelle Voroperationen
    • begrenzte Lebenserwartung
    • hohes OP-Risiko
    • für EVAR geeignete Anatomie (s.o.)

    EVAR setzt adäquate iliakale Gefäße für den Zugang voraus, da die Stengraftsysteme oft großkalibrig sind. Problematisch sind atherosklerotisch verengte, kurven- und knickreiche, aber auch aneurysmatisch erweiterte Iliakalgefäße.

    Im Langzeitverlauf ist die endovaskuläre Aortenprothese mit einer höheren Komplikationsrate verbunden als die offene Aortenchirurgie.

    Das Sterblichkeitsrisiko für EVAR oder OAR eines individuellen Patienten ist schnell über den sog. BAR Score Calculator berechenbar → www.britishaneurysmrepairscore.com, was zur Patientenberatung über das Risiko eines elektiven Eingriffs mit EVAR oder OAR sinnvoll genutzt werden kann.

    Im Filmbeispiel handelt es sich um ein infrarenales, geschlossenes BAA mit einem Durchmesser von > 5 cm:

    PM 312-1
    Abb. 1 Präoperatives Angio-CT ap

     

    PM 312-2
    Abb. 2 Präoperatives Angio-CT seitlich

     

  2. Kontraindikationen

    Weil bei interventionellem Vorgehen wegen unerwarteten technischen Problemen ein Verfahrenswechsel zu einer offenen Operation notwendig werden kann, sind die präoperative Risikoabklärung und die Definition der Kontraindikationen wichtig:

    • Herzinsuffizienz (Ejektionsfraktion < 25-30 %)
    • COPD (FEV1 < 0,8)
    • nicht korrigierbare schwere KHK
    • inkurables Krebsleiden

    Relative Kontraindikation:

    • kompensierte Niereninsuffizienz (wegen intraoperativer Kontrastmittel-Belastung)

    Sollte in Grenzfällen die Operation trotz Kontraindikationen durchgeführt werden, so bedarf dies der besonderen Absprache mit dem Patienten bzw. mit seinen Angehörigen.    

    Technische Kontraindikationen zur endovaskulären Versorgung: s. Präoperative Diagnostik/Planung

  3. Präoperative Diagnostik

    Gründliche gefäßchirurgische Untersuchung:

    • Pulsstatus
    • Doppler Beine
    • ggf. Gehstreckentest bei gleichzeitig bestehender AVK  und schlecht tastbaren Fußpulsen
    • Ultraschall Abdomen
    • F-Duplex Carotiden
    • Herzecho
    • Belastungs-EKG
    • Laboruntersuchungen (Elektroyte , Gerinnung, Nierenwerte, Blutbild, Blutfette)
    • Rö Thorax
    • Spiral CT
    • ggf. bei gleichzeitigem Vorliegen einer AVK oder kritischer Viszeralarterien-Morphologie i.a. DSA der abdominellen Aorta und Becken- und Beingefäße

    Wichtig ist vor allem die präoperative angiographische Klärung der Zugangspathologie:

    • Stenosen der Femoral- und Beckenarterien
    • Aneurysmen der Zugangsarterien
    • lokale Infekte wie z.B. Erythrasma
    • Voroperationen im Op-Gebiet

    Eine Besonderheit ist das Vorliegen einer Hufeisenniere bei BAA, bei der sowohl bei geplantem offenem Eingriff als auch bei endoluminalem Verfahren eine besondere Planung notwendig ist, die Rücksicht auf den Erhalt der mehrfach angelegten Nierenarterien im Bereich des Bauchaortenaneurysmas nehmen muss.

    Zusammenfassend muss die präoperative Diagnostik also folgende Parameter beachten:

    1. Aortenpathologie

    2. Risikofaktoren (Multimorbidität)

    3. Zugangspathologie 

    Planung

    Hierbei sind die Vermessung des Aneurysmas und die Berücksichtigung von Verkalkungen und Stenosen von entscheidender Bedeutung, um die lokale Machbarkeit zu überprüfen.

    PM 312-3
    Abb. 3 Präoperative Vermessung des BAA

    Eine der möglichen Kontraindikationen zur endoluminalen Versorgung ist ein starkes Kinking des Aneurysma-Halses. Weiterhin sind Coiling, Stauchung und Elongation zu berücksichtigen, weil die Prothese - von der Centerline abhängig -  von der Aneurysmakonfiguration abweichen und es in der Folge zu Fehlplatzierungen kommen kann.

    Nach Analyse der Morphologie sollte auch entschieden werden, von welcher Seite aus man mit dem Hauptkörper der Prothese kommt oder ob man primär eine sogenannte Ballerina-Konfiguration anstreben soll, um die Sondierung des kontralateralen Beins leichter realisieren zu können.  

    PM 312-4
    Abb. 4 Ballerina-Konfiguration

     

    Beispiele besonderer Aneurysmakonfigurationen und Zugangspathologien

    PM 312-5
    Abb. 5 Kinking des Aneurysma-Halses
    PM 312-6
    Abb. 6 Linkskonvexes BAA
    PM 312-7
    Abb. 7 Rechtskonvexes BAA
    PM 312-8
    Abb. 8 Elongationen BAA
    PM 312-9
    Abb. 9 Dilatation der A. iliaca com.
    PM 312-10
    Abb. 10 Pararenales BAA
    PM 312-11
    Abb. 11 Stenosen der Beckenarterien
    PM 312-12
    Abb. 12 Dreier-Aneuyrsma
    PM 312-13
    Abb. 13 Kugelförmiges BAA
  4. Spezielle Vorbereitung

    • Blutgruppe bestimmen, ggf. Blutkonserven bereitstellen
    • OP-Gebiet enthaaren
    • ggf. Blasenkatheter legen
    • prophylaktische Antibiose wird meist durchgeführt und wird von der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie empfohlen (single-shot Cefuroxim 30 Minuten vor Hautschnitt), der Nutzen wird jedoch wegen der Resistenzproblematik derzeit diskutiert (RKI).   
  5. Aufklärung

    Allgemeine Operationsrisiken

    • Schwere Blutungen, Bluttransfusionen, Übertragung Hepatitis/HIV durch Fremdblutkonserven
    • Allergie/Unverträglichkeit
    • Wundinfektion
    • Thrombose/Embolie
    • Haut-, Gefäß-, Nervenschädigung z. B. durch Lagerung
    • Keloide (sofern offener Zugang)

    Spezifische Eingriffsrisiken

    • Gefäßverletzungen z. B. bei der Platzierung der Prothese: operative Blutstillung, Bluttransfusionen, bei schwerer Blutung oder Einriss der Aorta sofortige Konversion zur offenen Operation
    • Aneurysma spurium der punktierten Gefäße, av-Fistel, Serom
    • primäre aortoenterale Fistel: Operative Intervention, ggf. mit Entfernung der Gefäßprothese
    • mangelhafte Verankerung oder Leckage der Prothese: Korrektureingriffe, evtl. offen
    • Infektion der Gefäßprothese: nach Tagen, Monaten oder Jahren möglich; Endokarditis,  Sepsis, Beinischämie, Amputation; operative Entfernung der Gefäßprothese
    • Schädigung benachbarter Organe; Darmischämie → Resektion, AP-Anlage
    • Nervenläsionen → Missempfindungen, Schmerzen, Paralyse der Bauchdecken-, Oberschenkelmuskulatur
    • Lymphfistel
    • Lymphödeme der Beine; vorübergehend, dauerhaft; Kompressionsstrümpfe, Lymphdrainage
    • Nachblutungen
    • Impotenz    
    • Kompromittieren der Nierenfunktion durch intraoperative Angiographie, dauerhafte Dialyse

    Risiken durch Perfusionsstörungen

    • Thrombose/Embolie: Lungenembolie, Apoplex, Myokardinfarkt; Prophylaxe Heparin → HIT II-Risiko
    • Beine: Thrombosierung der Gefäßprothese und evtl. angrenzender Gefäßabschnitte, ggf. Beinischämie, Amputation (z. B. Zehen)
    • Nieren: durch Thrombose oder Platzieren der Gefäßprothese; trotz sofortiger operativer Korrektur u.U. bleibende Nierenschädigung → Dialyse
    • Darm: Perfusionsstörungen durch Thrombose/Embolie und ggf. Platzieren der Gefäßprothese; gefäßchirurgischer Eingriff erforderlich, ggf. Darmresektion, dauerhafter AP
    • Rückenmark: je nach Größe des Aneurysmas Perfusionsstörungen durch Platzieren der Gefäßprothese; temporäre Sensibilitätsstörungen/Paresen, evtl. auch dauerhafte Paraplegie bei tief abgehender A. radicularis magna
    • Gesäßmuskulatur: durch Überstenten der Beckenarterien, insb. beidseits; Claudicatio-Beschwerden beim Gehen, ggf. Nekrosenbildung gluteal
    • Leber: Funktionsstörung durch Minderperfusion, insb. bei Vorerkrankungen der Leber
Anästhesie

ITNbei geeigneten Patienten (Compliance) auch Lokalanästhesie ... - Operationen aus der Allgemein-,

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