Manuelle Anastomosen im Gastrointestinaltrakt
Die Wundheilung im Gastrointestinaltrakt ist ein komplexer Prozess auf zellulärer und biochemischer Ebene. Unterschieden werden drei sich überlappende Phasen, die exsudative, proliferative und reparative.
Die initiale exsudative Phase mit Ödem und lokaler Entzündung dauert am Gastrointestinaltrakt ca. 4 Tage [1]. Sie beginnt mit der Verklebung der Serosaflächen einer Darmanastomose durch Fibrinexsudation, die zu einem gas- und flüssigkeitsdichten Verschluss in den ersten 4 bis 6 Stunden führt. Die mechanische Festigkeit in dieser ersten Phase der Anastomosenheilung ist vor allem durch das Nahtmaterial gegeben. Der Dünndarm reagiert auf Verletzungen der Darmintegrität wesentlich schneller als der Dickdarm, was sich in der raschen Zunahme der Kollagenkonzentration zeigt und erklärt, warum kolorektale Anastomosen ein höheres Risiko für Insuffizienzen aufweisen [2]. Die Anastomosenheilung ist in dieser Phase kritisch und kann zu Frühinsuffizienzen um den 3. bis 5. postoperativen Tag führen.
Die proliferative Phase dauert ca. 14 Tage und ist gekennzeichnet durch die zunehmende Proliferation von Fibroblasten und Muskelzellen sowie Kollagenbildung, was die Festigkeit der Anastomose ansteigen lässt, so dass deren Reißfestigkeit nicht mehr allein vom Nahtmaterial abhängig ist. Auch die Neoangiogenese fällt in diese Phase. Sie beginnt um den 4. bis 5. postoperativen Tag und geht im Wesentlichen von der Submukosa aus. Am Ende der proliferativen Phase sind Mukosadefekte vollständig abgeheilt. Die kollagenreiche Submukosa ist in dieser Phase der eigentliche nahttragende Wandanteil. Nach ca. 10 Tagen erreicht die Anastomose gegen Berstungsdruck die Resistenz des intakten Darmes, dessen maximale Reißfestigkeit jedoch erst nach 4 bis 6 Wochen [3].
In der reparativen Phase erfolgt der endgültige Umbau der Wandschichten über die Anastomose hinweg. Diese Phase kann bis zu mehrere Monate andauern und führt - eine ungestörte Anastomosenheilung vorausgesetzt – zur mechanischen Festigkeit von intaktem Darm [4].
Absolute Voraussetzung für eine suffiziente Anastomose sind eine ausreichende Mobilisierung und somit spannungsfreie Annäherung gut durchbluteter Darmenden. Ausgedehnte Skelettierungen führen zu einer mangelhaften Durchblutung und sind daher zu unterlassen wie auch ein aggressives Abtragen von Appendices epiploicae des Kolons, da diese gelegentlich Endarterien darstellen.
Anastomosentechnik
Handgenähte Anastomosen werden nach einer definierten Terminologie deskriptiv erfasst. Die Reihigkeit gibt die Anzahl der Nahtreihen an, die Schichtigkeit die mit der Naht durchdrungenen Wandschichten. Die Adaptationstechnik der Wundränder wird beschrieben als Stoß-auf-Stoß, invertierend, evertierend und invaginierend. Prinzipiell können alle Nähte entweder in Einzelknopftechnik oder als fortlaufende Naht durchgeführt werden. Häufige Anwendung findet die fortlaufende, einreihige, extramuköse Naht mit doppelt armiertem Faden. Letztere ist im Vergleich zur Einzelknopfnaht kostengünstiger, es wird eine geringere Menge an Fremdmaterial eingebracht und sie ist gut erlernbar [5]. Für die einreihige fortlaufende Naht liegen überzeugende tierexperimentelle Daten vor [6].
Invertierende Nahttechniken wurden von Jobert (1822) und Lembert (1826) eingeführt und beruhen auf der Erkenntnis, dass die Serosaflächen schnell verkleben und dies eine größere Sicherheit vor Insuffizienzen bietet. Die schichtgerechte Adaptation der Darmwand Stoß-auf-Stoß wurde Anfang der 1950er Jahre untersucht, u. a. durch Gambee, der 1951 eine solche einreihige Nahttechnik beschrieb. Schichtgerechte, weder in- noch evertierende Nähte wurden auch von Allgöwer propagiert und durch gute klinische Ergebnisse belegt [7]. Voraussetzung für eine sichere einreihige Naht auf Stoß, die zu einer raschen Wiederherstellung der Gefäßversorgung führt, sind gewebeschonende Präparationstechnik, eine Stichführung, die eine gute Adaptation ohne Ischämie der Darmränder erzielt und eine sichere Knotentechnik. Die zentrale Bedeutung der Submukosa für die Neoangiogenese konnte in Studien belegt werden [6] wie auch die Wichtigkeit der Mukosainversion 1970 durch Goligher. Er zeigte durch eine randomisierte Studie, dass die Nahttechnik mit Versenkung der Mukosa (invertierend) einer Technik, bei der die Mukosa Außenkontakt behält (evertierend), überlegen ist [8]. Die Evertierung von Mukosaanteilen bei der Anastomosierung führt an diesen Stellen gehäuft zu Leckagen, Fisteln und Abszessen.
Einflussfaktoren auf die Anastomosenheilung
Chirurgisch-technische, patienteneigene und äußere Faktoren beeinflussen die Anastomosenheilung. Zu den Negativfaktoren gehören:
- Mangelnde chirurgische Erfahrung, Spannung an der Anastomose, lokale Ischämie, falsche Nahttechnik, Kontamination des Operationsgebietes,
- Zustand des Patienten, insbesondere Alter, Adipositas, Grundleiden (Ileus, Sepsis, Diabetes), Notfallsituation, Medikation (Immunsuppression),
- Wahl des Narkosemittels [9], perioperative Volumentherapie, präoperative Radiochemotherapie, Patientenvorbereitung (Lagerung, Abführmaßnahmen).
Eine drohende Anastomoseninsuffizienz ist mit einer erheblichen Morbidität und Letalität vergesellschaftet [10, 11].
End-zu-End-Anastomose
Bei der terminoterminalen Anastomose werden zwei terminale Lumina an ihren eröffneten Enden wieder vereint. Die Lumina sollten einen vergleichbar großen Durchmesser haben, was das Risiko einer Anastomosenstenose senkt.
End-zu-Seit- resp. Seit-zu-End-Anastomose
Bei der terminolateralen Anastomose wird das terminale Lumen eines Hohlorganabschnitts mit einem anderen seitlich eröffneten Abschnitt anastomosiert. Die Indikation ergibt sich bei unterschiedlichem Lumendurchmesser wie das beispielweise bei der Fußpunktanastomose bei der Y-Roux-Rekonstruktion nach Gastrektomie oder Magenteilresektion, der Ösophagojejunostomie nach Gastrektomie oder der Deszendorektostomie nach Rektumresektion der Fall ist.
Seit-zu-Seit-Anastomose
Die laterolaterale Anastomose vereint die seitlichen Öffnungen zweier Hohlorganabschnitte mit dem Ziel einer großlumigen Anastomose bei kleinlumigen Enden. Beispiele sind gastrointesinale Bypassoperationen zur Umgehung maligner Stenosen, die Fußpunktanastomose nach Braun sowie die Rekonstruktion eines Reservoirs z. B. nach Proktokolektomie bei Colitis ulcerosa.