Evidenz - Exzision Pilonidalsinus mit Sekundärheilung

  1. Zusammenfassung der Literatur

    Nach neueren Erkenntnissen ist der Sinus pilonidalis eine erworbene Erkrankung, eine früher diskutierte kongenitale Ursache erscheint heute unwahrscheinlich.

    Folgende Faktoren werden als prädisponierend in der Entstehung angenommen: Männliches Geschlecht, Übergewicht, starke Behaarung in der Rima ani, mangelnde Hygiene, sitzende Tätigkeiten, eine tiefe Glutealfurche, positive Familienanamnese.

    Die Haare spielen in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung: So wies F. Stelzner bereits in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach, dass Haare, an kleinen Widerhaken fixiert, die Haut penetrieren. Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass Haare eine wesentliche Rolle spielen, ist die Tatsache, dass der Sinus pilonidalis in China unbekannt ist, da Chinesen in der Rima ani keine Haare aufweisen.

    In ihrer letzten aktualisierten Form von 2014 empfehlen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie die offene Operation als Behandlungsmethode der Wahl.
    Der Abszess wird zunächst breit abgedeckelt, um damit eine wirksame Drainage zu ermöglichen. Die definitive Versorgung des Sinus pilonidalis erfolgt dann zweiseitig elektiv nach einem der beiden folgenden Verfahren:

    • Exzision mit sekundärer Wundheilung oder
    • Exzision mit primärem Wundverschluss (nur im infektfreien Stadium!) → nach Exzision wird die Wunde primär mit Naht ggf. plastisch rekonstruktiv versorgt.

    Die lokale oder systemische Gabe von Antibiotika ist abzulehnen, da sie keine definitive Abheilung des Sinus bewirken. Die Injektion von Phenollösung ist wegen der hohen Toxizität und einer möglichen Resorption des Phenols obsolet.

    Es gibt keine Spontanheilung. Ein asymptomatischer Pilonidalsinus persistiert lebenslang, kann aber auch in die akute (abszedierende) Form oder in das chronische Stadium übergehen. Nach längerem Bestehen ist eine maligne Entartung theoretisch möglich, aber nur in seltenen Fällen in der Literatur beschrieben.

    Nach Exzision ist die sekundäre Wundheilung tendenziell nicht signifikant effektiver als die primäre Wundheilung. Die Rezidivrate ist bei offener Therapie niedriger (signifikant in aktueller Cochrane-Analyse).

    Die Exzision des Sinus pilonidalis sollte grundsätzlich vollständig erfolgen. Typischerweise wird die Exzision des Granulationspannus bis nahe an die Sakralfaszie durchgeführt. In der Literatur ergibt sich dabei jedoch kein sicherer Hinweis darauf, dass das Periost tangiert werden sollte. Im Gegensatz muss aber angenommen werden, dass eine Exzision des Periosts mit Denudierung des Sakrums die Schmerzen postoperativ verstärkt und die Heilung deutlich verschlechtert.

    Um eine vollständige Exzision zu gewährleisten, empfiehlt sich die Markierung des fuchsbauartigen Entzündungsgewebes mit Toluidinblau. So konnten Doll u. Mitarb. zeigen, dass die Anwendung von Toluidinblau einen signifikanten Einfluss auf die Rezidivrate hat.

    Ein primärer medianer Wundverschluss nach Exzision eines Sinus pilonidalis ist mit einer hohen postoperativen Morbidität und Rezidivrate verbunden.Die Häufigkeit der Wundheilungsstörungen erreicht im Falle eines primären medianen Wundverschlusses eine Rate von 30% und mehr.

    Für die offene Wundbehandlung ist eine Heilungszeit von über 3 Monaten nicht ungewöhnlich.
    Die offene Wundbehandlung stellt wegen der prolongierten postoperativen Behandlungsphase und der sozioökonomischen Belastung keine optimale Alternative dar (ein mehrfaches Rezidiv ist aber auch nicht optimal). Operationsmethoden, die die Bildung einer medianen Wunde vermeiden und zur Abflachung der Glutealfurche führen, erscheinen sinnvoll und könnten zu besseren Kurz- und Langzeitergebnissen führen. Hier sind weitere Studien erforderlich.

    Eine systemische präoperative Antibiotikaprophylaxe scheint den Wundheilungsverlauf nicht zu beeinflussen. Dies konnte in der prospektiven-randomisierten Studie von Sondenaa gezeigt werden. Auch andere Berichte bestätigten diese Beobachtung.

    Die Enthaarung soll theoretisch die Rezidivrate senken. Dennoch ist seit Längerem bekannt, dass eine mechanische Haarentfernung mittels Klingenrasur keinen Vorteil bringt. So zeigten Stirnemann u. Blasimann bereits 1983, dass die Rezidivrate mittels mechanischer Rasur nicht gesenkt werden kann. Auch in einer Bundeswehr-Kohortenstudie aus dem Jahre 2009 zeigte sich der gleiche Effekt, wonach die mechanische Rasur die Rezidiventstehung sogar noch begünstigte (Petersen 2009). Ob die Haarentfernung ohne die Erzeugung von zusätzlichem Bruchhaar (Laser-Epilation) eine vielversprechende Behandlungsoption zur Rezidivvermeidung werden könnte, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen und kann derzeit noch nicht generell empfohlen werden.

  2. Aktuell laufende Studien zu diesem Thema

  3. Literatur zu diesem Thema

    1. Allen-Mersh TG. Pilonidal sinus: finding the right track for treatment.
    Br J Surg 1990; 77: 123

    2. Kronborg O, Christensen K, Zimmermann-Nielsen C: Chronic pilonidal disease: a randomized trial with a complete 3-year follow-up. Br. J. Surg. 72 (1985) 303-304

    3. Füzun M, Bakir H, Soylu M et al.: Which technique for treatment of pilonidal sinus – open or closed? Dis. Colon Rectum 37 (1994) 1148-1150

    4. Sondenaa K, Nesvik I, Andersen E et al.: Recurrent pilonidalsinus after excision with closed or open treatment: final result of a randomised trial. Eur. J. Surg. 162 (1996) 237-240

    5. Akinci OF, Bozer M, Uzunkoy A, Duzgun SA, Coskun A. Incidence and aetiological factors in pilonidal sinus among Turkish soldiers. Eur J Surg 1999; 165: 339–342

    6. Doll D, Novotny A, Rothe R et al. Blue halves the long-term recurrence
    rate in acute pilonidal sinus disease. Int J Colorectal Dis 2008; 23: 181–187

    7. Doll D, Krueger CM, Schrank S et al. Timeline of recurrence after primary
    and secondary pilonidal sinus surgery. Dis Colon Rectum 2007; 50: 1928–1934

    8. Iesalnieks I et al. Chirurgische Behandlung des Sinus Pilonidalis Viszeralchirurgie 2006; 41: 399–406

    9. I. Iesalnieks • A. Fürst • M. Rentsch • K.-W. Jauch Chirurg 2003 • 74:461–468 Erhöhtes Rezidivrisiko nach primärem medianem Wundverschluss bei Patienten mit Pilonidalsinus

    10. Sven Petersen Sinus pilonidalis Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 2 2011 151–166

Reviews

Collings AT, Rymeski B. Updates on the Management of Pilonidal Disease. Adv Pediatr. 2022 Aug;69(1)

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