Die Prognose der schweren akuten Pankreatitis wird entscheidend durch die bakterielle Infektion der Pankreasnekrosen bestimmt. 40-70 Prozent aller Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis entwickeln infizierte Nekrosen. Die Inzidenz steigt mit dem Ausmaß der Nekrosen und zunehmender Dauer des Verlaufs.
Die in der Initialphase der schweren akuten Pankreatitis auftretenden Nekrosen sind primär steril. Zu einer bakteriellen Superinfektion kommt es erst im weiteren Verlauf der Erkrankung, meistens in der zweiten bis vierten Woche nach Krankheitsbeginn.
Treten akute abdominelle Komplikationen auf, muss sofort operativ oder interventionell gehandelt werden.
- Hohlorganperforation
- Hämorrhagie: primär radiologisch interventionell
- Abdominelles Kompartment
- Infizierte Nekrosen
Nachgewiesene infizierte Nekrosen (pos. FNP / Luft im Nekroseareal) in Verbindung mit septischen Komplikationen sind allgemein akzeptierte Indikationen für eine chirurgische oder interventionelle Therapie. Die Mortalität von Patienten mit septischen Komplikationen beträgt 30–80 %. Sterblichkeitsraten von bis zu 100 % werden berichtet, wenn bei Patienten mit infizierten Nekrosen und Organkomplikationen auf eine Intervention verzichtet wird.
- Persistierendes Multiorgan-Dysfunktionsyndrom
Auch bei sterilen Nekrosen und Organdysfunktionen kann eine chirurgische Therapie indiziert sein, wenn unter konservativer Therapie eine Verschlechterung der klinischen Situation im Sinne eines progredienten SIRS auftritt. Bei diesen Patienten mit sterilen Nekrosen und fortschreitenden Organkomplikationen trotz maximaler Intensivtherapie (Nonresponder) wird die Indikation zur chirurgischen Therapie gestellt. Es ist weiterhin ungeklärt, ab welchem Zeitpunkt ein Patient als Nonresponder definiert wird. Generell werden hier jedoch mindestens 6 Wochen konservativer Therapie auf einer Intensivstation gefordert.
- Fulminante akute Pankreatitis -> OP als Ultima Ratio!
Patienten mit einer fulminanten akuten Pankreatitis stellen eine seltene Verlaufsform dar. Hier kommt es bereits in den ersten Tagen der Krankheit trotz Intensivtherapie zu einem rapiden progressiven Organversagen. In diesen Fällen wird eine frühzeitige chirurgische Therapie als eine Behandlungsoption angesehen. Leider kann bei diesem Krankheitsverlauf weder die chirurgische noch die konservative Therapie die schlechte Prognose entscheidend verbessern.
Operationstechnik:
Ziel des operativen Vorgehens ist die Ausräumung des Infektherdes.
Der Eingriff sollte lieber spät als früh, möglichst erst 3-6 Wochen nach Symptombeginn!
Ob minimal invasiv oder konventionell offen ist abhängig vom Ausmaß der Nekrosen.
- Offenes Vorgehen mit Nekrosektomie und postoperativ angeschlossener Lavage
- Video-assistiertes retroperitoneales Debridement (VARD)
- Endoskopische transgastrische Nekrosektomie bei limitierten Nekrosen
Konventionelle offene chirurgische Nekrosektomie
Die chirurgische Nekrosektomie wird nach Laparotomie und Eröffnung der Bursa omentalis durch das gastrokolische Ligament digitoklastisch und ohne scharfe Instrumente vorgenommen.
Da eine wiederkehrende intraabdominelle Sepsis nach einzeitiger Nekrosektomie ein potenzielles Problem ist, wurden unterschiedliche Konzepte zur Entfernung von postoperativ verbleibendem nekrotischen Gewebe und Exsudat entwickelt.
4 Verfahren sind bekannt:
- Open Packing
- geplante wiederholte Relaparotomien (Etappenlavage)
- Closed Packing
- geschlossene kontinuierliche Lavage
Open Packing und geplante Relaparotomie
Bei massiven Flüssigkeitsverhalten oder Ausbildung eines abdominellen Kompartsyndroms in frühen Krankheitsstadien. Das offene Abdomen kann am besten durch einen Vakuumverband gehandhabt werden.
Prinzipiell ist ein primärer Bauchdeckenverschluss anzustreben.
Das Open Packing und die geplante Relaparotomie haben gemeinsam, dass multiple Wiederholungen der Nekrosektomie und Lavage bis zur Komplettierung der Behandlung notwendig sind und somit eine hohe Folgemorbidität bedingen. Wiederholte Nekrosektomien, die in der Regel zwischen 5- und 10-mal erforderlich sind, korrelieren mit häufigerem Auftreten von intraabdominellen Komplikationen inklusive Pankreasfisteln (ca. 25–50 %) und Blutungen (ca. 20–45 %), aber auch mit vermehrt systemischen Komplikationen. Beide Operationsmethoden werden deshalb nur dann angewendet, wenn eine chirurgische Intervention in einer frühen Phase der akuten Pankreatitis nötig wird, d. h. zu einem Zeitpunkt, an dem die Nekroseareale noch nicht vollständig demarkiert sind und somit weitere Operationen sowieso notwendig sind.
Closed Packing und geschlossene kontinuierliche Lavage
Beim Closed Packing werden in die Abszesshöhle Penrose-Drainagen eingeführt, die mindestens 7 Tage belassen werden.
Bei der kontinuierlichen Lavage werden geschlossene Drainagen in die Pankreasloge eingebracht. Die postoperative Lavage beginnt mit einer Spülmenge von ca 10–20 l pro Tag, die unter Kontrolle der Infektionswerte langsam reduziert wird.
Die postoperative kontinuierliche Lavage und das Closed Packing sind zwei Operationsmethoden, die die postoperative Entfernung von Nekroseanteilen und Exsudat ohne erneute Operation ermöglichen. Hierdurch kann in den meisten Fällen auf eine Relaparotomie verzichtet und die chirurgische Behandlung in ca. 70–80 % mit einem einzigen Eingriff abgeschlossen werden. Dadurch wird zwar nicht die Mortalität, aber die postoperative Morbidität, insbesondere hinsichtlich Fisteln (ca. 15–30 %) und Blutungen (ca. 5–15 %) und Narbenhernien reduziert.
In unserer Klinik bevorzugen wir die geschlossene kontinuierliche Lavage. Hierdurch kann in der überwiegenden Anzahl der Fälle eine Relaparotomie verhindert werden. Mittlerweile wird dieses Vorgehen weltweit am häufigsten von allen Operationsverfahren angewendet.
Minimalinvasive Techniken
Prinzipiell stehen heute neben der offenen chirurgischen Technik unterschiedliche minimalinvasive Techniken inklusive Chirurgie, Endoskopie und interventioneller Radiologie zur Verfügung.
Dabei ist das retroperitoneoskopische Verfahren in unterschiedlichen Varianten das minimalinvasive chirurgische Verfahren der Wahl.
Die retroperitoneoskopische Nekrosektomie ist dabei Bestandteil eines Step-up-Approach im Sinne eines Eskalationstherapieschemas. Bei diesem Schema wird bei Nachweis einer infizierten Nekrose in einem septischen Patienten eine interventionelle Drainage in den Infektherd gelegt und nur bei fehlender klinischer Stabilisierung in den Folgetagen eine minimalinvasive Nekrosektomie durchgeführt. Dabei dient der eingelegte Drain als Leitschiene für die Nekrosektomie.
Je nach Technikvariante wird dann der so markierte Zugang dilatiert/inzidiert und die Nekrosektomie video-assistiert mittels Zystoskop, Nephroskop, Mediastinoskop („minimal access retroperitoneal pancreatic necrosectomy“, MARPN; „video-assisted retroperitoneal debridement“, VARD) oder auch mit Hilfe eines Endoskops durchgeführt.
Werden zwei Zugänge angelegt, so kann postoperativ eine kontinuierliche Lavage mit hohem Spülvolumen durchgeführt werden. Das Endoskop bietet den Vorteil, dass flexibel die Richtung geändert werden kann und so auch weit retrokolisch gelegene Nekroseanteile ohne weitere Zugänge entfernt werden können.
Vergleich der offenen und minimalinvasiven chirurgischen Techniken
Es ist anzunehmen, dass eine Selektion stattfindet, welchem Verfahren der jeweilige Patient zugeführt wird.
Im Gegensatz zu den konventionellen Operationsverfahren sind in der Regel mehrere minimalinvasive Eingriffe bis zur Beherrschung der Sepsis notwendig, und in der Regel verbleiben die Patienten länger im intensivmedizinischen Überwachungsbereich und im Krankenhaus.
Im Gegensatz zu den minimalinvasiven retroperitoneoskopischen Techniken kann die offene konventionelle Operationstechnik auch im Notfall, z. B. bei Verdacht auf Darmischämie oder Blutung, sowie bei der Notwendigkeit einer Stomaanlage oder Cholezystektomie angewendet werden.
Endoskopische transgastrische Nekrosektomie
Die endoskopische Nekrosektomie ist eine Alternative zu den bereits aufgeführten Methoden. Da durch die endoskopische Technik Areale im Pankreaskopf leichter zu erreichen sind als perkutan, während linksseitige Areale besser perkutan erreichbar sind, ist in Zukunft eine Kombination der Techniken sicherlich sinnvoll. Potenzielle Vorteile des transgastrischen Zugangs sind
- die Schmerzfreiheit und
- die Vermeidung von kutanen Fisteln.
Nachteile sind gegebenenfalls
- die obligate sekundäre Kontamination der Nekrose mit Darmflora,
- die fehlende Möglichkeit der kontinuierlichen postoperativen Lavage und
- der schnelle Verschluss des Zugangs (Offenhalten des Zugangs durch Einlage von Plastikstents oder eines speziellen Metallstents (hot-Axios-Stent, cave Arrosionsblutungen nach 2 Wochen!).
Cholezystektomie
Bei biliären Pankreatitiden sollte die Gallenblase als Quelle der auslösenden Konkremente entfernt werden.
Im Fall eines milden Verlaufs mit konservativer Therapie und Ausheilung kann dieser Eingriff dann elektiv, in der Regel auch laparoskopisch erfolgen. Die Cholezystektomie sollte möglichst während des ersten stationären Aufenthaltes – also direkt im Anschluss an die abgeklungene Pankreatitis – durchgeführt werden, da dies ohne erhöhte Morbidität möglich ist und das Risiko einer erneuten Pankreatitisepisode im Intervall verringert.
Im Fall einer schweren Pankreatitis, die im Verlauf eine Laparotomie erfordert, sollte bei biliärer Genese der aP präoperativ unbedingt eine ERCP mit Papillotomie und ggf. Stentplatzierung durchgeführt worden sein.