Die akute Pankreatitis ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, bei der morphologisch die interstitielle ödematöse und nekrotisierende Form unterschieden werden. Aufgrund lokaler und systemischer Komplikationen sowie begleitendem Organversagen werden milde, moderate und schwere Verläufe differenziert. Die Schweregradeinteilung erfolgt auf der Basis der revidierten Atlanta-Klassifikation.
Die revidierte Atlanta-Klassifikation 2012
Einteilung und Definition der akuten Pankreatitis erfolgten bis vor wenigen Jahren auf der Basis der Atlanta-Klassifikation aus 1992 [1], die zwischen 2007 und 2012 von 11 internationalen Pankreas-Expertenkommissionen grundlegend überarbeitet und 2013 veröffentlicht wurde [2]. Das Besondere an der revidierten Klassifikation ist die Neudefinition von lokalen Komplikationen und die klare Definition des Schweregrades.
Nach der Atlanta-Klassifikation 2012 kann die Diagnose einer akuten Pankreatitis gestellt werden, wenn 2 der 3 folgenden Kriterien erfüllt sind:
1. Für das Krankheitsbild typischer abdomineller Schmerz (z. B. schwere gürtelförmige Oberbauchschmerzen, oft mit Ausstrahlung in den Rücken)
2. Erhöhung der Serum-Lipase (auch -Amylase) > 3-fach des oberen Normwertes
3. Charakteristische bildgebende Befunde (Kontrastmittel-CT, MRT oder Sonografie)
Unterschieden werden Früh- und Spätphase der Erkrankung:
Frühphase
- erste Woche der Erkrankung, in der die systemische Reaktion auf die Pankreatitis im Vordergrund steht.
Spätphase
- Persistenz systemischer Reaktionen oder Vorhandensein lokaler Komplikationen, kann Wochen bis Monate andauern.
Unterschieden werden 2 Formen der akuten Pankreatitis:
1. interstitielle, ödematöse Form
- Inflammation beschränkt sich auf das Pankreasparenchym und umgebendes Gewebe
- keine Nekrosen
2. nekrotisierende Form
- Parenchymnekrose und/oder peripankreatische Nekrose
Es werden 3 Schweregrade der akuten Pankreatitis definiert:
1. Milde akute Pankreatitis
- Kein Organversagen
- Keine lokalen oder systemischen Komplikation
2. Moderate schwere akute Pankreatitis
- Transientes Organversagen < 48 h
- Lokale und/oder systemische Komplikationen (ohne Organversagen)
3. Schwere akute Pankreatitis
- Persistierendes Organversagen > 48 h (Ein- oder Mehr-Organ-Versagen)
- Nicht zwingend zur Definition erforderlich: lokale Komplikationen (liegen aber meist vor)
Definition der Komplikationen einer akuten Pankreatitis:
1. Lokale Komplikationen
- APFC, acute peripancreatic fluid collection: akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen bei der interstitieller ödematösen Pankreatitis ohne Nekrosen, innerhalb der ersten 4 Wochen, keine Ausbildung von Pseudozysten
- Pankreatische Pseudozysten; abgekapselte Flüssigkeit mit entzündlich bedingter Wand ohne Nekrosen oder allenfalls minimaler Nekrosenbildung; entstehen nach der 4. Woche einer ödematösen interstitiellen Pankreatitis
- ANC, acute necrotic collection: Ansammlung von Flüssigkeit und Nekrosen ohne Kapsel in der Frühphase, betrifft Pankreasparenchym und/oder peripankreatisches Gewebe
- WON, walled-off necrosis: abgekapselte Nekrosen; (peri)pankreatische Nekrosen mit gutdefinierter Kapsel, die frühestens 4 Wochen nach Erkrankungsbeginn entstehen
- Infizierte Nekrosen
2. Systemische Komplikationen
Exazerbation vorbestehender Erkrankungen, z. B. KHK, COPD – zählt nicht als Organversagen!
3. Organversagen
Pulmonales, kardiovaskuläres und renales System werden nach dem modifizierten Marshall-Score bewertet [3].
Flüssigkeitsansammlungen und Nekrosen treten innerhalb von 4 Wochen nach Beginn der akuten Pankreatitis auf, während Pseudozysten und WON erst > 4 Wochen nach Beginn der Pankreatitis nachgewiesen werden können. Zusätzlich kann es in bis zu 50% der Fälle bei nekrotisierender Pankreatitis zu Thrombosen im Splanchnikusstromgebiet (V.porta, V.mesenterica, V. lienalis) kommen [4].
In einer 2016 veröffentlichten Studie wurde die ursprüngliche Altlanta-Klassifikation aus 1992 mit der revidierten Fassung aus 2012 verglichen. Die Studie zeigte, dass die ursprüngliche Klassifikation signifikant schlechter als die revidierte Form abschneidet, insbesondere hinsichtlich der Stratifizierung für die Notwendigkeit und Dauer einer intensivmedizinischen Behandlung sowie für die Indikation eines chirurgischen Eingriffs [5].
Bildgebung
Beginn und Zeitintervall der verschiedenen Stadien (Früh- und Spätphase) werden vom Symptombeginn bestimmt, weshalb eine detaillierte Anamnese wichtig ist. Passen Laborbefunde und Klinik für die Diagnose einer akuten Pankreatitis zusammen, ist ein Kontrastmittel-CT bei der Aufnahme des Patienten nicht zwingend erforderlich. Eine Kontrastmittel-CT sollte bei der Aufnahme des Patienten nur bei diagnostischen Untersicherheiten erfolgen (DD. z. B. Abszess, Hohlorganperforation) oder aber, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt der Verdacht auf lokale Komplikationen besteht (Frühphase bedeutet nicht, das keine lokalen Komplikationen auftreten können).
Die CT ermöglicht eine Risikostratefizierung durch die Unterscheidung einer ödematösen und nekrotisierenden Pankreatitis und sollte frühestens 72 - 96 h nach Symptombeginn, am besten aber nach 5 - 7 Tagen erfolgen, da das CT dann am aussagekräftigsten ist. Zu beachten ist, dass das Ausmaß der Nekrosen nicht proportional zur Schwere der Erkrankung sein muss. Die MRT-Untersuchung ist ein der CT vergleichbares diagnostisches Verfahren.
Die transabdominelle Ultraschalluntersuchung ist das Standardverfahren in der bildgebenden Diagnostik der akuten Pankreatitis und sollte bei jedem Patienten mit akuter Pankreatitis durchgeführt werden. Neben der Darstellung des Pankreas selbst sind in der Regel andere Differentialdiagnosen gut abgrenzbar, z. B. Cholezystitis oder Nephrolithiasis. Auch können eine Cholezystitis oder eine Cholestase Hinweise auf eine biliäre Pankreatitis geben.
In einem Review wurde die Notwendigkeit von einfachen, aber aussagekräftigen Scores hinsichtlich der Schwere einer akuten Pankreatitis verglichen. Als hilfreich wurden der BISAP-Score (Bedside index of severity in acute pancreatitis) und der HAPS-Score (Harmless acute pancreatitis score) angesehen. Der modifizierte Marshall-Score (A definition of organ failure in acute pancreatitis), der in der revidierten Fassung der Atlanta-Klassifikation empfohlen wird, wurde allerdings nicht verglichen [6].
Therapeutische Aspekte
Bei der Therapie der akuten Pankreatitis können prinzipiell eine frühe und späte Behandlungsphase unterschieden werden. Stehen in der Frühphase Kreislaufstabilisierung, Unterstützung der Organfunktion und Schmerztherapie im Vordergrund, liegt in der Spätphase die Behandlung von Infektionen und die Sanierung von Nekrosen im Fokus.
Für die Indikation zur Aufnahme auf die Intensivstation eignen sich prinzipiell die gleichen Kriterien, die bei anderen schweren internistischen Erkrankungen Anwendung finden. Hilfreich für die Entscheidung zur intensivmedizinischen Versorgung können folgende Scores sein:
- SIRS = Systemic Inflammatory Response Syndrome
- APACHE II = Estimate mortality in the critically ill
- SOFA = Sequential Organ Failure Assessment
Die Leitlinien des American College of Gastroenterology enthalten verschiedene Patientencharakteristika, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer akuten Pankreatitis aufweisen [7]. Die Leitlinien der International Association of Pancreatology (IAP)/American Pancreatic Association (APA) empfehlen eine intensivmedizinische Überwachung für jeden Patienten mit einer schweren akuten Pankreatitis nach der Atlanta-Klassifikation [8].
In Abhängigkeit von der Ätiologie der akuten Pankreatitis muss frühzeitig eine kausale Therapie geprüft werden. Liegt eine akute biliäre Pankreatitis mit Cholangitis vor, sollte zur Sanierung des Infektfokus eine ERCP innerhalb von 24 h erfolgen [8, 9], ohne Cholangitis innerhalb von 72 h. Im gleichen stationären Aufenthalt sollte eine Cholezystektomie erfolgen, die auch im Rahmen einer Nekrosektomie sicher ist [10]. Die frühe Cholezystektomie zeigt im Vergleich zur spät elektiven Cholezystektomie keine erhöhten Risiken [11]. In einem Review aus 2012 konnte gezeigt werden, dass eine verzögerte Cholezystektomie zu einer höheren Rate an stationären Wiederaufnahmen führte [12].
In der Spätphase der schweren akuten Pankreatitis können sich Pseudozysten oder abgekapselte Nekroseareale entwickeln. Pseudozysten können mit zunehmender Größe benachbarte Strukturen wie beispielsweise das Duodenum kompromittieren, sie können sich infizieren und bluten. Bei entsprechender Symptomatik wird daher eine endosonografische Zystenpunktion mit naso-zystischer Drainage empfohlen [13].
Nekrosen im Pankreas- und peripankreatischem Gewebe können in der Frühphase als ANC (nichtabgekapselte Nekrosen) und in der Spätphase als WON (Nekrosen mit Wandstruktur) auftreten. In etwa 1/3 der Fälle kommt es zur Infektion der Nekrosen, was mit einer erhöhten Mortalität einhergeht und daher einer Intervention bedarf [14]. Eine Infektion der Nekrosen tritt überwiegend erst 2 Wochen nach Krankheitsbeginn auf [15]. Eine interventionelle Therapie der infizierten Nekrose sollte möglichst spät erfolgen, idealerweise > 4 Wochen, wenn eine definierte Wandstruktur abgrenzbar ist. Eine frühzeitige Intervention ist sowohl technisch schwieriger als auch mit einer erhöhten Komplikationsrate (z. B. Blutung, Hohlorganperforation) assoziiert [16]. Eine frühzeitige Intervention sollte daher nur bei zunehmender klinischer Instabilität bzw. Sepsis erfolgen. Die Standardtherapie der infizierten Nekrose bis zur Ausbildung einer Wandstruktur sind Drainage und Antiinfektivagabe [16]. Retrospektive Analysen zeigen, dass eine frühzeitige Drainage die Indikation einer definitiven Nekrosektomie reduzieren kann [17].
Die Intervention bei Nekrosen sollte prinzipiell einem minimal-invasivem Step-up-Approach folgen: Antibiotika -> Drainage -> ggf. Nekrosektomie [16]. In rund 30 % der Fälle ist eine alleinige Drainage ausreichend; bei der WON liegt meist solides Nekrosenmaterial vor, so dass eine zusätzliche Nekrosektomie erforderlich wird [18]. Als endoskopisches Manöver kommt beispielsweise die endosonografische Punktion mit transgastrischer bzw. transduodenaler Anlage einer Drainage mittels selbstexpandierender Metallstents und anschließender endoskopischer Nekrosektomie durch den bestehenden Zugang in Betracht. Das Step-up-Verfahren kann chirurgisch mit sonografisch- oder CT-gesteuerter perkutaner Drainageanlage und anschließender minimal-invasiver Nekrosektomie (videoassistiertes retroperitoneales Débridement = VARD) erfolgen.
Das minimal-invasive Step-up-Verfahren verursacht weniger Komplikationen, Organversagen und auch Kosten im Vergleich zur offenen Nekrosektomie [19, 20, 21].
Eine Metaanalyse aus 2015 zeigte, dass obwohl eine Antibiotikaprophylaxe bei der akuten Pankreatitis nicht generell empfohlen wird, die Mortalität bei Patienten mit schwerer akuter Pankreatitis mit einer Prophylaxe signifikant gesenkt werden kann [22].