Chirurgische Therapie des distalen Magenkarzinoms
Ziel der operativen Therapie des Magenkarzinoms ist bei allen potenziell kurablen Stadien, den Tumor komplett mit seinem Lymphabflussgebiet zu entfernen und den Eingriff bei Infiltration benachbarter Organe i.S. einer erweiterten En-bloc-Resektion zu erweitern, um eine R0-Situation zu erzielen.
Lange Zeit galt die Gastrektomie als Standard für die Behandlung des Magenkarzinoms, bevor in randomisierten Studien zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, dass die totale Gastrektomie beim Magenkarzinom im distalen Drittel in Hinblick auf eine R0-Resektion keinen Vorteil gegenüber einer subtotalen Magenresektion hat (3, 8). Basierend auf den Empfehlungen der Japanese Gastric Cancer Association (s. Guidelines) und der Deutsche Magenkarzinomstudie 1992 (15) ist bei der Auswahl des Resektionsausmaßes in erster Linie die Tumorlokalisation entscheidend:
- Karzinom im distalen Magendrittel → subtotale 4/5-Resektion
- Karzinom im mittleren Drittel → Gastrektomie
- Karzinom im proximalen Drittel mit Beteiligung der Kardia → erweiterte Gastrektomie mit transhiataler Resektion distaler Ösophagusanteile
Weitere Indikationen für eine totale Gastrektomie sind die Linitis plastica, einer Sonderform des Magenkarzinoms, die zu einer diffusen Infiltration der Magenwand führt (meist Siegelringkarzinom) und Karzinome, die mehrere anatomische Unterbezirke (oberes, mittleres und unteres Magendrittel) betreffen.
Subtotale, distale Resektion versus Gastrektomie beim Magenkarzinom
Während sich beim Magenfrühkarzinom vom intestinalen Typ die Tumorausbreitung überwiegend in makroskopisch erkennbaren Grenzen zeigt, kann beim fortgeschrittenen Stadium, insbesondere beim diffusen Typ, ein diskontinuierliches Wachstum vorliegen, sodass eine makroskopisch unauffällige Magenwand täuschen kann. Zum Erreichen einer R0-Resektion sollte daher beim diffusen Typ ein oraler Sicherheitsabstand von 8 cm in situ eingehalten werden, beim intestinalen Typ von 5 cm. Unter diesem Aspekt ist beim Magenfrühkarzinom beider Typen sowie beim intestinalen Typ in fortgeschrittenen Stadien bei einer Tumorlokalisation im mittleren und distalen Drittel eine subtotale, distale Magenresektion indiziert. Bei Kenntnis der histologischen Zuordnung des Tumortyps mit Einhaltung der empfohlenen oralen Sicherheitsabstände kann somit bereits präoperativ das Resektionsausmaß geplant werden (9, 13, 14).
Bei der subtotalen, distalen Magenresektion ist zur Erreichung der Tumorfreiheit am oralen Resektionsrand eine Entfernung von ca. 80 % des aboralen Magens erforderlich. Die proximale Resektionsebene sollte kleinkurvarturseitig etwa 2 cm subkardial und an der großen Kurvatur oberhalb des Zusammenflusses der rechten und linken gastroepiploischen Gefäße liegen, die distale Resektionsgrenze befindet sich ca. 3 cm postpylorisch. Zusätzlich zu Magenresektion und Lymphadenektomie sind eine Resektion des Ometum minus mit lebernahem Absetzen sowie eine subtotale Resektion des Omentum majus erforderlich. Letzteres wird bei der Gastrektomie komplett reseziert (14, 17).
Bei Karzinomen im proximalen Magendrittel ist eine transhiatal erweiterte Gastrektomie notwendig. Ein transthorakales Vorgehen ist nur dann indiziert, wenn beim transhiatalen Zugang keine Tumorfreiheit am distalen Ösophagusresektionsrand erzielt werden kann, was anhand einer intraoperativen Schnellschnittuntersuchung überprüft werden kann. Ein primär transthorakales Vorgehen wird nicht empfohlen (13, 17).
Studien haben gezeigt, dass bei Tumorlokalisationen im mittleren und distalen Drittel die subtotale, distale Magenresektion und die Gastrektomie zu identischen Behandlungsergebnissen führen. Es besteht kein signifikanter Unterschied hinsichtlich postoperativer Morbidität und Letalität, bei Beachtung der oralen Sicherheitsabstände ergeben sich keine Unterschiede bei den Fünfjahresüberlebensraten. Allerdings weist die subtotale Resektion eine generell bessere Lebensqualität auf als die Gastrektomie (3, 8, 17).
Derzeit werden die verschiedenen Resektionsverfahren überwiegend konventionell durchgeführt. Die Zahl laparoskopisch durchgeführter Resektionen, insbesondere beim Magenfrühkarzinom, nimmt zwar stetig zu, eine abschließende Beurteilung des Stellenwerts minimal-invasiver Techniken ist allerdings in Ermangelung randomisierter Studien mit größeren Fallzahlen und Langzeitergebnissen derzeit nicht möglich (2, 10, 18).
Rekonstruktion der Intestinalpassage
Nach subtotaler, distaler Magenresektion wird die Intestinalpassage generell durch eine End-zu-Seit-Gastrojejunostomie wiederhergestellt. Um den Patienten einen sehr belastenden Gallereflux mit Refluxgastritis (bei Gastrektomie: Ösophagitis) zu ersparen, empfiehlt sich eine Roux-Y-Rekonstruktion mit mindestens 40 cm langer Schlinge zwischen oraler Anastomose und Roux-Y-Jejeunojejunostomie. Eine Braunsche Fußpunktanastomose verhindert den alkalischen Reflux nicht vollständig.
Lymphadenektomie (“LAD”)
Neben einer R0-Resektion ist das Ausmaß der Tumorstreuung über die Lymphabflusswege ein wesentlicher Prognosefaktor des Magenkarzinoms, sodass auch das Lymphabflussgebiet eines Magenkarzinoms mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand reseziert werden sollte, um eine Prognoseverbesserung für den Patienten zu erzielen, was sich in der Entfernung einer ausreichenden Anzahl nicht karzinombefallener LK ausdrückt. Sind weniger als 20 % der entfernten LK befallen, ist die Prognose deutlich besser, als bei einem ungünstigeren LK-Befall (20). Es gilt daher, möglichst viele LK zu entfernen, dabei aber den Benefit der LAD nicht durch zunehmende Morbidität und Mortalität zu gefährden.
Zur Radikalität der Lymphknotendissektion beim Magenkarzinom existieren drei prospektiv randomisierte europäische Studien, die die LAD im Kompartiment 1 (perigastrische LK) mit der erweiterten LAD (Kompartiment 1 und 2 = LK von A. gastrica sinistra, Truncus coeliacus, A. hepatica communis, A. lienalis und Lig. hepatoduodenale), der sog. D2-LAD, untersuchten (1, 6, 7).
In der niederländischen (1) und der englischen Studie (6) waren Morbidität und Mortalität nach erweiterter LADdeutlich erhöht, allerdings war in beiden Studien der Anteil der Patienten signifikant höher, bei denen eine Splenektomie und/oder Pankreasschwanzresektion durchgeführt worden war. Bei genauerer Betrachtung der beiden Studien fällt auf, dass erhöhte Morbidität bzw. Mortalität in erster Linie auf Komplikationen infolge eines Pankreaseingriffs und insbesondere einer Splenektomie zurückzuführen waren. In der dritten D2-LAD-Studie (7) wurden milz- und pankreaserhaltende Eingriffe berücksichtigt, ein signifikanter Unterschied bei der Morbidität und Mortalität im Vergleich zur D1-LAD war nicht erkennbar. Ein Cochrane-Review aus 2004 unterstreicht eine verbesserte Genauigkeit des Stagings und eine Verbesserung der Prognose durch die D2-LAD (12).
Ob eine Erweiterung der D2-LAD durch zusätzliche Dissektion paraaortaler LK sinnvoll ist, wurde in einer randomisierten japanischen Studie untersucht (16). Im Vergleich zur D2-LAD waren Morbidität und Mortalität nur geringfügig erhöht, ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Prognose konnte allerdings nicht festgestellt werden. Eine zusätzliche Erweiterung der D2-LAD kann somit nicht empfohlen werden.
Fazit: Bei subtiler Präparation sind Morbidität und Mortalität bei einer D2-LAD nicht höher als bei der D1-LAD. Die D2-LAD führt bei konsequentem Verzicht auf eine Splenektomie (mit/ohne Pankreasschwanzresektion) zu einer Verbesserung der Prognose des Magenkarzinoms.
Splenektomie und Pankreasschwanzresektion
Eine routinemäßige Splenektomie sollte beim Magenkarzinom nicht durchgeführt werden und ist auch im Rahmen einer Gastrektomie nicht gerechtfertigt (5). Eine distale Pankreasresektion mit/ohne Splenektomie kann bei einem T4-Stadium sinnvoll sein, allerdings nur, wenn dadurch eine R0-Resektion erzielt werden kann (11).
Endoskopische Resektion von Magenfrühkarzinomen
Oberflächliche, auf die Mukosa begrenzte Magenfrühkarzinome (T1aN0M0) können endoskopisch reseziert werden, da das Risiko für eine Lymphknotenmetastasierung bei 0 – 2 % liegt. Sollten hingegen die oberflächlichen Anteile der Submukosa bereits befallen sein, steigt die Rate der Lymphknotenfiliae auf 25 % an. Gemäß der japanischen Klassifikation der Magenkarzinome kann bei Mukosakarzinomen eine endoskopische Submukosaresektion durchgeführt werden bei:
- Läsionen < 2 cm vom erhabenen Typ,
- Läsionen < 1 cm vom flachen Typ,
- keine Ulzeration,
- histologischer Differenzierungsgrad gut bis mäßig (G1–G2).
Ziel ist die En-bloc-R0-Resektion unter Einhaltung der Sicherheitsabstände in Abhängigkeit von der Tumorhistologie (intestinaler Typ: 4 – 5 cm, diffuser Typ: 5 – 8 cm). Patienten mit einer Heliobacter-pylori-Besiedlung sollten eine Eradikationsbehandlung erhalten.
Palliativsituationen
Die aktuelle S3-Leitlinie zur Chirurgie des Magenkarzinoms hat für die symptomatische Tumorstenose, die Tumorblutung und die Therapie von Metastasen auf der Basis vorliegender Studien konsensbasierte Statements ausgesprochen:
Tumorstenose
- Stentimplantation, Gastroenterostomie, jejunale Ernährungssonde oder palliative Bestrahlung
- palliative Resektion: nur in Ausnahmefällen, da keine hinreichende Evidenz
Tumorblutung
- endoskopische Blutstillung; falls nicht möglich oder ineffektiv:
- angiographische Embolisation
- palliative Resektion als ultima ratio
- chronische Sickerblutung: palliative Bestrahlung
Metastasen
Gegenwärtig liegt keine ausreichende Evidenz für die Effektivität operativer Maßnahmen bei Metastasen in Hinblick auf das Überleben vor. In Einzelfällen kann die Resektion isolierter Organmetastasen (Leber, Ovar) ohne Vorliegen einer Peritonealkarzinomatose erwägenswert sein.