- Pathologische Veränderungen des Rektums, die bis 5cm oberhalb der Anokutanlinie liegen, bzw. die bei einer suprasphinktären Anastomose im Rahmen einer tiefen anterioren Rektumresektion nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand zur aboralen Resektionsgrenze ergäben; die dargestellte Operationstechnik bewegt sich im Grenzbereich zwischen tiefer anteriorer Rektumresektion und abdominoperinealer Exstirpation.
- Die Operation umfasst eine totale mesorektale Exzision mit Resektion des internen Sphinkters sowie eine koloanale Anastomose unter Stomaschutz.
- Dieses sphinktererhaltende, eine Amputation vermeidende Operationsverfahren erfordert eine neorektale Rekonstruktion durch ein Kolonpouchverfahren. Dieses zeigt einen positiven Effekt auf die postoperative Stuhlfunktion.
Bei der Wahl zwischen kontinenzerhaltender Operation und Exstirpation sind sowohl onkologische als auch funktionelle Aspekte zu berücksichtigen.
Trotz der zentralen Bedeutung der Operation ist gerade beim Karzinom des unteren Rektumdrittels eine interdisziplinäre Therapieplanung im Rahmen einer multidisziplinären Tumorkonferenz wichtig. So kann durch Einsatz der Langzeitradiochemotherapie eine deutliche Tumorverkleinerung, oft sogar ein Downstaging erreicht werden, und es können geringere aborale Resektatränder, bis zu 0,5 cm, akzeptiert werden, was oft einen Erhalt der Darmkontinuität überhaupt erst möglich macht. Bei schlecht differenzierten Tumoren (G3, G4) werden allerdings größere Sicherheitsabstände empfohlen.
Wichtigster Prognosefaktor nach onkologischen Eingriffen ist die Resektion des Tumors und des Lymphabflussgebiets unter Erhalt eines >1 mm weiten Abstands zum zirkumferenziellen Resektatrand. Der zirkumferenzielle Resektatrand („cirumferential resection margin“, CRM) beschreibt den kleinsten Abstand vom Tumor zum seitlichen Absetzungsrand, und zwar unabhängig davon, ob es sich um den Primärtumor oder eine andere intramesorektale Tumormanifestation wie tumorbefallene Lymphknoten oder extramurale Gefäßinvasion handelt. Als positiver CRM wird allgemein ein Abstand von 1 mm oder weniger dokumentiert.
Beide Kriterien (aboraler und zirkumferenzieller) Resektatrand sind bei Karzinomen des unteren Rektumdrittels deutlich schwieriger zu erreichen als bei höher gelegenen Tumoren, was sich in schlechteren Präparaten und insbesondere einer höheren Lokalrezidivrate widerspiegelt. Der Grund dafür liegt vor allem an den anatomischen Besonderheiten.
Kontinuitätswiederherstellende Rekonstruktionen sollten aufgrund der hohen Rate an Insuffizienzen der koloanalen oder intersphinktären Anastomosen grundsätzlich durch ein protektives Stoma geschützt werden.
Im gezeigten Beispielhandelt es sich um ein juxtaanal gelegenes Karzinom des unteren Rektumdrittels. Es erfolgt eine partielle intersphinktere Resektion bis in Höhe der Linea dentata. Die Anastomose erfolgt nach Bilden eines Koloplastie-Pouches als koloanale Handnaht.
Funktionelle Aspekte
Neben der technischen Machbarkeit unter onkologischen Gesichtspunkten sind funktionelle Aspekte für die Entscheidung über den Kontinenzerhalt bei tief sitzenden Karzinomen entscheidend. Kontinuitätserhalt ist nicht unbedingt gleich Kontinenzerhalt. Rund die Hälfte aller Patienten mit einer tiefen anterioren Rektumresektion entwickeln ein „low anterior resection syndrome“ (LARS), dass durch eine erhöhte Stuhlfrequenz mit fraktionierter Entleerung, dringlichem Stuhldrang sowie Inkontinenz für Winde oder flüssigen Stuhl charakterisiert ist. Zudem leiden viele Patienten an erheblichen Problemen bei der Darmentleerung, was ebenfalls einen beträchtlichen negativen Einfluss auf die Lebensqualität hat. Patienten mit kontinenzerhaltenden Resektionen und Anastomosen ≤5 cm sind bezüglich der Lebensqualität deutlicher eingeschränkt als Patienten mit höher liegenden Tumoren.
Die prätherapeutische Abschätzung der späteren Funktion ist schwierig. Das funktionelle Ergebnis wird mit jedem Zentimeter, der die Anastomose näher an die Linea dentata rückt, kritischer. Auch bei vorbestehender Inkontinenz sollte man größte Zurückhaltung hinsichtlich der Durchführung einer kontinuitätserhaltenden Operation üben. Die Entscheidung für oder gegen den Kontinenzerhalt beim tief sitzenden Rektumkarzinom aus funktionellen Gründen ist fast immer eine Individualentscheidung, die ausführlich mit dem Patienten vor der Operation ergebnisoffen diskutiert werden muss.
Neoadjuvante Strahlentherapie
Die neoadjuvante Strahlentherapie kann mit und ohne Chemotherapie verabreicht werden und wird laut S3-Leitlinien für das Rektumcarcinom in den UICC- Stadien II (pT3-4 pN0) und III (pT1-4 pN+) empfohlen.
Die neoadjuvante Radiochemotherapie (RCT) dauert etwa 6 Wochen, gefolgt von einer Therapiepause von 6-8 Wochen bis zur Operation.
Die neoadjuvante Kurzzeitbestrahlung (RT) wird an 5 aufeinander folgenden Tagen verabreicht. Hier erfolgt die Operation nach 2-7 Tagen. Da ein Downsizing des Tumors nicht zu erwarten ist, wird bei Tumoren die die Hüllfaszien erreichen oder sphinkternah liegen, die RCT bevorzugt.
27% der Patienten zeigen durch die RCT eine histologische Komplettremission. Diese Patienten haben eine besonders gute onkologische Prognose. Da die Response-Beurteilung schwierig ist und eine DRE (digital rectal examination), eine Endoskopie und ein MRT zum Nachweis gefordert werden, kann eine „watch-and-wait“-Strategie nur bei Tumoren bis 7cm ab ano angewandt werden und das möglichst in Studien.