Evidenz - Hybrid-NOTES - Sigmaresektion

  1. Zusammenfassung der Literatur

    NOTES („natural orifice transluminal endoscopic surgery“) ist eine Technik der minimalinvasiven Chirurgie, bei der zwecks Reduzierung des Zugangstraumas ausschließlich natürliche Körperöffnungen wie Mund, Vagina oder Rektum als Portal zum Körperinneren verwendet werden. Wird die NOTES-Technik mit anderen Methoden kombiniert (z. B. NOTES + klassische Laparoskopie oder SILS), bezeichnet man dies als Hybrid-NOTES-Technik oder NOSE („natural orifice specimen extraction“), bei der nur einzelne Operationsschritte über den NOTES-Zugang durchgeführt werden wie z. B. das Einführen eines Klammernahtgeräts oder das Bergen eines Präparats. Ansonsten erfolgt bei der Hybrid-Technik der Eingriff wie bei der konventionellen Laparoskopie üblich. Die Hauptvorteile der beiden Techniken liegen in den geringeren postoperativen Schmerzen, einer rascheren Rekonvaleszenz, weniger Wundkomplikationen und Narbenhernien [4, 10, 12, 14].

    Den Begriff NOTES prägte Antonie Kallo aus Baltimore im Jahr 2004 für eine transgastrale Peritoneoskopie [6]. Die erste transvaginale Cholezystektomie am Menschen wurde als Fallbericht in 2007 publiziert [11]. Im gleichen Jahr beschrieben Zornig et al. die erste transvaginale Cholezystektomie mit starrem Instrumentarium in hybrider NOTES-Technik in Deutschland  [16] und berichteten im Folgejahr bereits über eine Serie von 20 Patientinnen [15].  Die erste NOTES-Sigmoidektomie erfolgte 2007 durch Whiteford et al. an einem Kadavermodell [13]. In 2009 berichteten Leroy et al. über eine kombinierte transgastrische und transanale NOTES- Sigmoidektomie an einem Schwein, das den Eingriff überlebte [9].

    NOTES-Datenbanken

    Die NOTES-Chirurgie, dessen Erlernen erfahrenen Laparoskopikern eine nur flache Lernkurve abverlangt, entwickelte sich innerhalb weniger Jahre von Tiermodellen zur klinischen Anwendung. Es wurden Onlinedatenbanken eingerichtet wie das „German Registry for Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery (GNR)“ oder das „EURO-NOTES Clinical Registry for Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery (ECR)“ [1], in denen Kliniken ihre Ergebnisse einpflegen und zur sicheren Implementierung der NOTES-Techniken beitragen können. Im nationalen NOTES-Register der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) sind aktuell 4270 Patienten erfasst (Stand 14.01.2017).

    Transgastrale und transvaginale NOTES-Technik

    Die transgastrale NOTES-Technik wurde mittlerweile aufgegeben. Gründe sind u. a. Probleme bei der Aufrechterhaltung des Pneumoperitoneums und der Bergung größerer Präparate über den Ösophagus. Als besonders problematisch stellt sich der sichere Verschluss der Gastrostomie dar, der mit einer potenziellen, hohen Morbidität assoziiert ist [2]. In einer Literaturübersicht aus 2012 berichteten Coomber et al. über 61 Patienten, die sich einem transgastrischen Eingriff unterzogen hatten (35 Cholezystektomien und 26 Appendektomien). Mit 24 % nach Cholezystektomie und 21,4 % nach Appendektomie lag die Morbidität weit über den 4 – 10 % nach klassischer laparoskopischer Operation [5].

    Die überwiegende Zahl der NOTES-Eingriffe sind transvaginale Prozeduren, die im Gegensatz zu den transgastralen Eingriffen ein solides Sicherheitsprofil aufweisen [2]. Die Kolpotomie und das Einbringen von Instrumenten erfolgen unter Sicht und die seit über 120 Jahren durchgeführten transvaginalen gynäkologischen Eingriffe im kleinen Becken zeigen, dass Infektionen und Hernien sehr selten auftreten. Die Dehnbarkeit der Vaginalwand erlaubt das Einbringen von Arbeitsgeräten mit höherem Durchmesser sowie die Bergung von größeren Präparaten [3].

    Technische Aspekte der Hybrid-NOTES-Sigmaresektion

    Das Spektrum der transvaginalen NOTES-Eingriffe umfasst die Cholezystektomie, Appendektomie, Nephrektomie, Sigmoidektomie, mittlerweile auch Splenektomien, Leberresektionen und die Sleeve-Gastrektomie in der Adipositaschirurgie [5]. Nach dem nationalen NOTES-Register der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) betraf in 2015 mit knapp 88 % die überwiegende Anzahl der Eingriffe Gallenblasenerkrankungen [8].

    Auch wenn Kolonresektionen seltener in der NOTES-Technik durchgeführt werden, haben zahlreiche deutsche Kliniken das NOTES-Konzept auf die elektive Sigmaresektion bei Divertikulitis, Hemikolektomien und anteriore Rektumresektionen für das kolorektale Karzinom übertragen, wobei die eigentliche Präparation klassisch-laparoskopisch oder in SILS-Technik erfolgt und die Präparate über natürliche Körperöffnungen (transvaginal, seltener transrektal) geborgen werden[8].

    Bei der NOTES-Sigmaresektion werden drei Operationsvarianten unterschieden:

    • Vaginale Bergung mit extrakorporaler Anastomosenvorbereitung
    • Vaginale Bergung mit intrakorporaler Anastomosenvorbereitung
    • Transrektale Bergung mit intrakorporaler Anastomosenvorbereitung

    Die intraabdominelle, laparoskopische Sigmapräparation ist bei allen Operationsvarianten gleich.

    1. Vaginale Bergung mit extrakorporaler Anastomosenvorbereitung

    Die extrakorporale Anastomosenvorbereitung erfordert ein transvaginales Hervorluxieren des Kolons, weshalb die vollständige Mobilisation der linken Kolonflexur obligat ist.  Mittels eines transvaginal eingebrachten Längsstapler wird das Rektum abgesetzt und das Resektat mittels Kornzange transvaginal hervorluxiert. Im Bereich der proximalen Resektionsgrenze des Colon descendens wird die Randarkade ligiert und das Kolon nach Anlegen einer Tabaksbeutelnahtklemme abgesetzt. Mittels Tabaksbeutelnaht wird die Andruckplatte eingeknüpft und das Colon descendens wieder intraabdominell verlagert. Nach Verschluss der Kolpotomie erfolgt die maschinelle Descendorektostomie in üblicher Weise.

    2. Vaginale Bergung mit intrakorporaler Anastomosenvorbereitung

    Die Mobilisation der linken Flexur erfolgt nur im Bedarfsfall. Nach der Sigmapräparation erfolgt die Rektumdurchtrennung wie bei der vorgenannten Variante. Nach intrakorporaler Durchtrennung der Randarkade des Colon descendens wird das Kolon etwas distal der geplanten Resektionsgrenze antimesenterial eröffnet und die transvaginal eingebrachte Andruckplatte mit dem Dorn voran intraluminal positioniert. Der Dorn wird ca. 5 bis 7 cm vor der geplanten Resektionslinie antimesenterial ausgeführt. Die Durchtrennung des Kolons erfolgt knapp distal der Andruckplatte mittels eines transvaginal eingeführten Längsstaplers. Nach Bergung des Präparats und Verschluss der Kolpotomie erfolgt die Seit-zu-End-Descendorektostomie.

    3. Transrektale Bergung mit intrakorporaler Anastomosenvorbereitung

    Eine standardmäßige Mobilisation der linken Flexur ist auch bei dieser Variante nicht zwingend erforderlich. Als Staplerzugang wird ein 12 mm Trokar im rechten Unterbauch benötigt. Das Rektum wird ca. 2 cm proximal der vorgesehenen Resektionslinie mittels Schere eröffnet, bevor die transanal eingebrachte Andruckplatte per Fasszange in die freie Bauchhöhle vorgeschoben wird. Die Platte wird wie unter 2. beschrieben in das Colon descendens eingebracht. Nach Staplerdurchtrennung des Colon descendens erfolgt die transrektale Extraktion des Resektats. Mit dem Stapler wird das offene Rektum verschlossen. Das 1 bis 2 cm breite abgesetzte Segment wird in einem Bergebeutel deponiert und über den 12 mm Trokarzugang aus der Abdominalhöhle extrahiert. Nach Verschluss des Trokarzugangs erfolgt die Seit-zu-End-Descendorektostomie.

    Stellenwert der NOTES-Techniken bei der elektiven Sigmaresektion

    Die gemeinsame Sk2-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) aus 2014 bewertet die NOTES-Techniken bei der elektiven Sigmaresektion wie folgt [7]:

    Single-Port, NOS und NOTES Techniken bei der Sigmaresektion wegen Divertikelkrankheit sind hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit dokumentiert. Die Bedeutung dieser Techniken im Vergleich mit laparoskopischen Techniken ist unklar und sollte in klinischen Studien untersucht werden.

    Konsensusstärke: Starker Konsens

    Vergleichende Untersuchungen auf hohem Evidenzlevel liegen nicht vor, sodass hier eine adäquate vergleichende Beurteilung der verschiedenen Techniken nicht möglich ist. Grundsätzlich gilt aber, dass neue Techniken in klinischen Studien erprobt werden sollten, idealerweise im Vergleich mit herkömmlichen laparoskopischen Techniken […].

  2. Aktuell laufende Studien zu diesem Thema

  3. Literatur zu diesem Thema

    1: Arezzo A, Zornig C, Mofid H, Fuchs KH, Breithaupt W, Noguera J, Kaehler G, Magdeburg R, Perretta S, Dallemagne B, Marescaux J, Copaescu C, Graur F, Szasz A, Forgione A, Pugliese R, Buess G, Bhattacharjee HK, Navarra G, Godina M, Shishin K, Morino M. The EURO-NOTES clinical registry for natural orifice transluminal endoscopic surgery: a 2-year activity report. Surg Endosc. 2013 Sep;27(9):3073-84.

    2: Benhidjeb T, Burghardt J, Stark M. Novel technologies for natural orifice surgery: an overview. Minim Invasive Ther Allied Technol. 2008;17(6):346-54.

    3: BENHIDJEB T, Gerntke IC, Stark M. Scarless Surgery by using natural Orifices of the body: rationale and results. Arab Health Magazine Issue 5, 2013, pages 080-082.

    4: Bulian DR, Knuth J, Lehmann KS, Sauerwald A, Heiss MM. Systematic analysis of the safety and benefits of transvaginal hybrid-NOTES cholecystectomy. World J Gastroenterol. 2015 Oct 14;21(38):10915-25.

    5: Bulian DR, Runkel N, Burghardt J, Lamade W, Butters M, Utech M, Thon KP, Lefering R, Heiss MM, Buhr HJ, Lehmann KS (2014) Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery (NOTES) for colon resections–analysis of the first 139 patients of the German NOTES Registry (GNR). International journal of colorectal disease 29:853-861

    6: Coomber RS, Sodergren MH, Clark J, Teare J, Yang GZ, Darzi A. Natural orifice translumenal endoscopic surgery applications in clinical practice. World J Gastrointest Endosc. 2012 Mar 16;4(3):65-74.

    7: Kalloo AN, Singh VK, Jagannath SB, Niiyama H, Hill SL, Vaughn CA, Magee CA, Kantsevoy SV. Flexible transgastric peritoneoscopy: a novel approach to diagnostic and therapeutic interventions in the peritoneal cavity. Gastrointest Endosc. 2004 Jul;60(1):114-7.

    8: Kruis W, Germer CT, Leifeld L; German Society for Gastroenterology, Digestive and Metabolic Diseases and The German Society for General and Visceral Surgery. Diverticular disease: guidelines of the german society for gastroenterology, digestive and metabolic diseases and the german society for general and visceral surgery. Digestion. 2014;90(3):190-207.

    9: Lehmann KS, Zornig C, Arlt G, Butters M, Bulian DR, Manger R, Burghardt J, Runkel N, Pürschel A, Köninger J, Buhr HJ. [Natural orifice transluminal endoscopic surgery in Germany: Data from the German NOTES registry]. Chirurg. 2015 Jun;86(6):577-86.

    10: Leroy J, Cahill RA, Perretta S, Forgione A, Dallemagne B, Marescaux J. Natural orifice translumenal endoscopic surgery (NOTES) applied totally to sigmoidectomy: an original technique with survival in a porcine model. Surg Endosc. 2009 Jan;23(1):24-30.

    11: Ma B, Huang XZ, Gao P, Zhao JH, Song YX, Sun JX, Chen XW, Wang ZN. Laparoscopic resection with natural orifice specimen extraction versus conventional laparoscopy for colorectal disease: a meta-analysis. Int J Colorectal Dis. 2015 Nov;30(11):1479-88.

    12: Marescaux J, Dallemagne B, Perretta S, Wattiez A, Mutter D, Coumaros D. Surgery without scars: report of transluminal cholecystectomy in a human being. Arch Surg. 2007 Sep;142(9):823-6; discussion 826-7.

    13: Sodergren MH, Markar S, Pucher PH, Badran IA, Jiao LR, Darzi A. Safety of transvaginal hybrid NOTES cholecystectomy: a systematic review and meta-analysis. Surg Endosc. 2015 Aug;29(8):2077-90.

    14: Whiteford MH, Denk PM, Swanström LL. Feasibility of radical sigmoid colectomy performed as natural orifice translumenal endoscopic surgery (NOTES) using transanal endoscopic microsurgery. Surg Endosc. 2007 Oct;21(10):1870-4.

    15: Xu B, Xu B, Zheng WY, Ge HY, Wang LW, Song ZS, He B. Transvaginal cholecystectomy vs conventional laparoscopic cholecystectomy for gallbladder disease: A meta-analysis. World J Gastroenterol. 2015 May 7;21(17):5393-406.

    16: Zornig C, Mofid H, Emmermann A, Alm M, von Waldenfels HA, Felixmüller C. Scarless cholecystectomy with combined transvaginal and transumbilical approach in a series of 20 patients. Surg Endosc. 2008 Jun;22(6):1427-9.

    16: Zornig C, Emmermann A, von Waldenfels HA, Mofid H. Laparoscopic cholecystectomy without visible scar: combined transvaginal and transumbilical approach. Endoscopy. 2007 Oct;39(10):913-5.

Reviews

Graur F, Ciocan RA, Ciocan A, Puia IC, Mois E, Furcea L, Zaharie F, Popa C, Schlanger D, Vaida C, P

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