Management intra- und postoperativer Blutungen in der elektiven Leberchirurgie
Leberresektionen sind mit einem signifikanten Blutungsrisiko vergesellschaftet, da die Leber zwar nur 2-3 % des Körpergewichts eines Erwachsenen ausmacht, jedoch rund 25 % des Herzzeitvolumens erhält.
Zu den Hauptindikationen der elektiven Leberchirurgie zählt die Resektion maligner und benigner Raumforderungen, deren Mortalitätsrate mit < 4 % deutlich niedriger ist als die dringlicher Eingriffe an der Leber nach Bauchtrauma (Mortalitätsrate über 50 %) [1, 30]. Auch wenn der intraoperative Blutverlust bei elektiven Lebereingriffen im Vergleich zum Lebertrauma gering ist, zählt er mit weiteren Faktoren wie Operationsdauer, Transfusionsbedarf und Resektionsausmaß zu den Haupt-Prädiktoren hinsichtlich postoperativer Mortalität und Morbidität [6].
Die Ursachen von Blutungsproblemen in der elektiven Leberchirurgie sind multifaktoriell. So führen vorbestehende Leberparenchymschäden zu einer Störung der Synthese von Gerinnungsfaktoren und Inhibitoren [12], die postoperativ durch den operationsbedingten zusätzlichen Verlust an Lebergewebe intensiviert wird. Auch eine präoperativ erfolgte Chemotherapie kann zu relevanten Leberfunktionsstörungen führen. Beispiele sind die Steatohepatitis nach Irinotecan-Therapie [7] und die sinusoidale Obstruktion nach Oxaliplatin-Therapie [31].
Die präoperative Evaluation des individuellen Operationsrisikos gestaltet sich häufig schwierig. Laborparameter wie INR, Bilirubin und Albumin gestatten zwar eine Beurteilung der Syntheseleistung der Leber, sind jedoch für die Beurteilung der Funktionsreserve wenig aussagekräftig. Die bildgebende Evaluation der Leberparenchymtextur (Sonografie, CT, MRT) erlaubt keine sichere Einschätzung der präoperativen Leberfunktion. Für die Abschätzung der Leberfunktionsreserve können Leberfunktionstests wie z. B. LiMAx („maximal liver function capacity“) hilfreich sein [33]. Der LiMAx-Test ist ein dynamischer, leberspezifischer C13-Atemtest, der auf der Verstoffwechselung von 13C-Methacetin durch das leberspezifische Cytochrom-P450-1A2-System beruht und die aktuelle Leberleistung im Augenblick der Messung wiedergibt.
Neben der Parenchymqualität spielt für den intraoperativen Blutverlust in der Leberchirurgie neben dem Ausmaß der Resektion auch die Art der Resektionstechnik eine entscheidende Rolle. So erlauben elektrochirurgische Instrumente mit gleichzeitiger Gewebeversiegelung ein nahezu blutungsfreies Durchtrennen von Leberparenchym, wodurch schwerwiegende intraoperative Blutungen auf einen sehr geringen Prozentsatz reduziert werden konnten.
Einen bedeutenden Einfluss auf intraoperative Blutungskomplikationen hat ebenfalls das anästhesiologische Management. Ein hoher zentraler Venendruck (ZVD) oder ein erhöhter pulmonalarterieller Druck (PAP) können die Blutungsneigung signifikant erhöhen und negative Folgen für die postoperative Leberregeneration haben, weshalb die präoperative Abklärung kardiovaskulärer und pulmonaler Erkrankungen eine wichtige Rolle hinsichtlich der Vermeidung von Blutungskomplikationen spielt.
Chirurgische Techniken
Die „Sharp-Transsection“, d. h. die Durchtrennung des Lebergewebes mittels Schere, zählt zu den ältesten Methoden [32]. Von Tien-Yu Lin wurde 1958 alternativ die manuelle „Finger-Fracture“-Technik (Digitoklasie) beschrieben [35]. Bei dieser Technik wird das Leberparenchym zunächst zwischen zwei Fingern aufgebrochen, bis lediglich Gallengangs- und Gefäßstrukturen zurückbleiben und mittels Clips, Ligaturen und Diathermie versorgt werden. Nach retrospektiven Studien aus den 1980er Jahren ist die „Finger-Fracture“-Technik der „Sharp-Transsection“ hinsichtlich des intraoperativen Blutverlusts signifikant überlegen, wird heute jedoch nicht mehr angewendet [21]. Eine Weiterentwicklung der „Finger-Fracture“-Technik stellt die „Clamp-Crush“-Methode dar, bei der zur Parenchymdissektion eine Klemme verwendet wird [15].
Wesentlich zeitsparender und mit weniger Blutverlust verbunden ist die Dissektion des Lebergewebes mittels mechanischer Klammernahtgeräten (Vascular Stapler). Ähnlich der „Clamp-Crush“-Technik wird das Gewebe durchtrennt und die Gefäßstrukturen gleichzeitig mittels einer mehrreihiger Klammernaht verschlossen. Retrospektive Studien ergaben, dass mit dieser Technik im Vergleich zur „Clamp-Crush“-Technik eine Verringerung des intraoperativen Blutverlustes um nahezu 50 % möglich ist [27]. Allerdings ergab eine aktuelle randomisierte Studie keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich des Blutverlustes [25].
Eine Studie, in der das auf bipolarem Stromfluss basierende Versiegelungs- und Dissektionsgerät („LigaSure®) untersucht wurde, ergab keine signifikanten Vorteile hinsichtlich Blutverlust und postoperativer Morbidität gegenüber der „Clamp-Crush“-Technik, allerdings einen deutlich geringeren Verbrauch an Nahtmaterial sowie wesentlich verkürzte OP-Zeiten [4, 14]. Auch der Vergleich des Harmonic Scalpel®, das auf Ultraschalldissektion und Koagulation beruht, zeigte in einer japanischen Studie hinsichtlich des intraoperativen Blutverlustes keine Vorteile im Vergleich zur „Clamp-Crush“-Dissektion [34].
Studien belegen, dass der Cavitron Ultrasonic Surgical Aspirator (CUSA) bei Leberresektionen den intraoperativen Blutverlust und Transfusionsbedarf signifikant senkt [9]. Die Funktion von CUSA beruht auf der selektiven Fragmentierung von Leberparenchym durch von Ultraschall erzeugter Energie mit Irrigation, die das Gerät kühlt und das fragmentierte Gewebe in Suspension bringt, bevor es aspiriert wird.
Beim Wasserstrahldissektor (Wasserjet) wird Hochdruckflüssigkeit zur Leberzellfragmentierung genutzt, Gefäße und Gallengangsstrukturen vom Parenchym befreit und selektiv versorgt. In zwei Studien konnte gezeigt werden, dass die Wasserjet-Methode den intraoperativen Blutverlust als auch die Operations- sowie die Ischämiezeit der Leber signifikant senkt [18, 26]. In einer prospektiv randomisierten Studie ergab die Parenchymresektion mittels Wasserjet, CUSA oder Harmonic Scalpel® keine Vorteile gegenüber der „Finger-Fracture“-Technik [16]. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Metaanalyse aus 2009 [23].
Eine adäquate Technik vorausgesetzt sind mit jeder der aufgeführten Dissektionstechniken Leberresektionen mit geringem Blutverlust durchführbar. Unabhängig von der Methodenwahl, die persönlichen Vorlieben und Erfahrungen überlassen ist, ist ein erfahrenes und insbesondere gut eingespieltes Operationsteam erforderlich, um Blutverlust und Operationszeit zu verringern. So konnte mit einer retrospektiven Studie belegt werden, dass die „Zwei-Chirurgen-Methode“ der Parenchymdissektion hoch signifikant mit einem reduzierten Transfusionsbedarf korreliert: Der eine Chirurg disseziert, der andere koaguliert [22].
Hämostyptika
Hämostyptika sind topisch wirksame Arzneimittel synthetischer oder auch biologischer Herkunft, die intraoperativ zur Gefäßversiegelung angewendet werden. Wesentliche klinische Anwendung finden drei Substanzklassen: Kollagene, Fibrine und Cyanoacrylate.
Kollagen
- Duracol
- Biocol
- Gelfoam
- Lyostipt
- Antema
Fibrin
- Tissucol
- Tachosil
- Floseal
- Beriplast
Cyanoacrylat
- Histoacryl
- Tisuacryl
- Dermabond
- Glustitch
In der Leberchirurgie finden Cyanoacrylate keine breite Anwendung, da sie an den Resektionsflächen zu Nekrosen führen und eine systemische Induktion von Entzündungsmediatoren auslösen [20].
Kollagene finden sowohl in fester (Kollagenvlies) als auch flüssiger Form Anwendung. In fester Form werden die Produkte mit einer speziellen Beschichtung hergestellt, die Gerinnungsfaktoren (z. B. Thrombin) oder andere antithrombolytische Substanzen (Protein C und S) enthält. In verschiedenen Studien zeigten Kollagene den Vorteil, dass der blutstillende Effekt schneller einsetzt im Vergleich zur konventionellen Blutstillung mittels bipolarer Pinzette oder „Argon-Beam“ [3, 10]. Die Datenlage ist jedoch widersprüchlich, da andere Studien die Vorteile der Kollagene widerlegen [37].
Fibrine werden nahezu ausschließlich in flüssiger Form appliziert. Sie bestehen aus zwei Komponenten (Fibrinogen und Kalziumchlorid), die unmittelbar vor Gebrauch gemischt werden müssen. Im Blutverlust und Transfusionsbedarf zeigten sie bei Leberresektionen laut Studien keinen wesentlichen Vorteile [5, 8].
HaemoCer™ PLUS
Vertreter einer neuen Generation von Hämostyptika ist das im Film verwendete HaemoCer™ PLUS. Es handelt sich hierbei um ein hydrophiles Polysaccharid auf Pflanzenbasis, dass nicht nur biokompatibel ist, sondern auch innerhalb 48 Stunden rückstandfrei im Körper abgebaut wird. Bei Blutkontakt leitet HaemoCer™ PLUS einen Dehydrierungsprozess ein, so dass die flüssigen Blutbestandteile entzogen und innerhalb weniger Sekunden in einer Gelmatrix gebunden werden. Hierdurch kommt es zu einer Anreicherung von Fibrin, Thrombin, Erythrozyten und Thrombozyten an der Blutungsquelle, so dass letztendlich ein körpereigener Clot entsteht und die Blutung stoppt. Das Wirkprinzip von HaemoCer™ PLUS beruht somit auf einer Beschleunigung der physiologischen Gerinnungskaskade ohne chemische oder pharmazeutische Beeinflussung.
Pringle- und Hemi-Pringle-Manöver
Beim Pringle-Manöver werden intraoperativ Pfortader und Arteria hepatica communis innerhalb des Ligamentum hepatoduodenale abgeklemmt [24]. Das Manöver ist kontinuierlich oder intermittierend möglich. Die Leber toleriert eine mit dem Manöver herbeigeführte Ischämiezeit von 60 Minuten – vorausgesetzt, es liegen keine gravierenden Parenchymschäden vor [13]. Eine Aufteilung der Gesamtischämiezeit auf mehrere Intervalle ist möglich. Studien haben in Bezug auf Blutverlust und Transfusionsbedarf keinen Unterschied zwischen kontinuierlichem und intermittierendem Pringle-Manöver ergeben [2].
Bei Hemi-Pringle-Manöver werden die Äste der Arteria hepatica und Venae portae eines Leberlappens, der die zu resezierenden Segmente trägt, ausgeklemmt. Dadurch lässt sich die ischämische Schädigung der Leber begrenzen, allerdings hat das Manöver keinen wesentlichen Einfluss auf den intraoperativen Blutverlust [11, 17].
Offene und minimal-invasive Leberresektionen
Erste minimal-invasive Leberresektionen wurden vor 20 Jahren durchgeführt, wobei sich die Eingriffe zunächst auf benigne, peripher lokalisierte Befunde beschränkten [28]. Mittlerweile sind auch komplexere Resektionen laparoskopisch machbar. Eine aktuelle Metaanalyse von 610 Patienten, bei denen kolorektale Lebermetastasen laparoskopisch reseziert wurden, zeigten im Vergleich zu offen resezierten Patienten einen signifikant geringeren Blutverlust und Transfusionsbedarf [29].
Nichtchirurgische Maßnahmen
Die intraoperative Aufrechterhaltung eines niedrigen zentralvenösen Drucks (ZVD) während der Resektionsphase gehört zum Standard in der modernen Leberchirurgie. Der ZVD kann sowohl medikamentös als auch durch ein restriktives Volumenmanagement gesenkt werden [19]. Eine ZVD-Senkung auf unter 5 mm Hg zeigte in verschiedenen Studien einen signifikant niedrigeren Blutverlust und Transfusionsbedarf sowie einen positiven Einfluss auf Mortalität und Morbidität [19, 36].