3.1 Basisdiagnostik
Anamnese
- Lokale Symptome einer Schilddrüsenvergrößerung (zervikales Druck- oder Globusgefühl, Schluckbeschwerden und Dyspnoe, insb. unter Belastung)
- Symptome einer Hyperthyreose
- Medikamente (jodhaltige Präparate, Thyreostatika)
- Familienanamnese hinsichtlich Schilddrüsenerkrankungen
- Vorbestehende HWS-Probleme (Kopfreklination bei Lagerung!)
Körperliche Untersuchung
- Palpation (Größe, Konsistenz der Schilddrüsenlappen, Knoten, Schluckverschieblichkeit, tastbare Lymphknoten)
- Messung Halsumfang
- Endokrine Ophthalmopathie
Stadien der Schilddrüsenvergrößerung:
Ia tastbare Struma, auch bei Kopfreklination nicht sichtbar
Ib Struma, die nur bei Kopfreklination sichtbar ist
II Struma ist bei normaler Kopfhaltung sichtbar
III Struma mit lokalen Stauungs- und Kompressionszeichen
Sonographie
Basisuntersuchungsmethode zur Beurteilung der Schilddrüsen-Morphologie:
- Volumenbestimmung durch Schall im Quer- und Längsschnitt
- Verteilung, Echostruktur und Randbegrenzung von Knoten
- Durchblutung bzw. Gefäßversorgung
- Beziehung zu Nachbarstrukturen
- Überprüfung des Lymphknotenstatus
- Eventuelle retrosternale Ausbreitung
Szintigraphie
Basisuntersuchungsmethode zur bildgebenden Beurteilung der Schilddrüsen-Funktion:
- Hinweise auf Bezirke verminderter (kalte Knoten) oder gesteigerter Aktivität (warme Knoten)
- Kalte Knoten speichern nicht oder kaum, warme Knoten speichern stärker als das umgebende Gewebe, heiße Knoten speichern intensiv bei gleichzeitiger Supprimierung des umgebenden Gewebes.
- Autonome Areale, die nicht mehr der regulierenden Steuerung durch TSH unterliegen, können nur durch eine Suppressions-Szintigraphie demaskiert werden.
- Szintigraphisch nachgewiesene kalte Knoten, die sonographisch echoleer sind, entsprechen Zysten.
- Nicht echoleere kalte Knoten sind karzinomverdächtig und abklärungsbedürftig; s. fakultative präoperative Diagnostik
Laboruntersuchungen
- übliche präoperative Untersuchungen (kl. BB, Gerinnung inkl. Kalzium), ggf. zusätzliche Parameter, je nach Grunderkrankung
- TSH, Schilddrüsenhormone
Wichtigster in-vitro-Parameter ist das TSH, dessen pathologische Veränderung auf eine länger bestehende Funktionsstörung der Schilddrüse hinweist. Bei erniedrigter Konzentration besteht der Verdacht auf eine Hyperthyreose, bei erhöhter Konzentration auf eine Hypothyreose. In diesen Fällen ist eine zusätzliche Bestimmung der Schilddrüsenhormone (fT3 und fT4) zwingend erforderlich, bei normwertigem TSH und klinischer Euthyreose kann theoretisch darauf verzichtet werden.
Stimmbandfunktionsprüfung
Eine präoperative HNO-ärztliche Laryngoskopie zur Beurteilung der Stimmlippenbeweglichkeit
- ist unerlässlich, um eine bereits präoperativ vorliegende Schädigung des N. recurrens, z. B. nach Voreingriff oder bei Malignität zu erfassen
- ermöglicht eine situationsangepasste Operationstaktik
- ist Grundlage der perioperativen Qualitätssicherung
Hinweis: Prä- und postoperative Laryngoskopie und das intraoperative Neuromonitoring stellen eine unzertrennbare diagnostische Einheit dar. Das Neuromonitoring ist ohne Kenntnis der klinischen Larynxfunktion nicht verwertbar!
3.2 Fakultative Diagnostik
Magnetresonanztomographie/Nativ-Computertomographie
- bei Verdacht auf eine retrosternale Struma, um das Ausmaß des retrosternalen Anteils einschätzen zu können, wodurch die präoperative Planung eines eventuell notwendigen thoraxchirurgischen Zugangsweges (Sternotomie) erleichtert wird
- bei ausgeprägten lokalen Kompressionserscheinungen
- bei organüberschreitendem Wachstum
Die Computertomographie hat den Nachteil, dass grundsätzlich auf die Kontrastierung mit Kontrastmittel verzichtet werden muss, einerseits wegen der Gefahr der jodinduzierten Hyperthyreose, andererseits, um eine Jodkontamination im Hinblick auf eine Radiojodtherapie zu vermeiden. Nach exogener Jodzufuhr sind die Jodrezeptoren über einen längeren Zeitraum blockiert, was eine Radiojodtherapie und eine Schilddrüsenszintigraphie unmöglich macht.
Tracheazielaufnahme (erübrigt sich bei Vorliegen einer CT/MRT)
Laboruntersuchungen
- Thyreoglobulin
dient der Verlaufskontrolle bei differenzierten Schilddrüsenkarzinomen und sollte nach thyreoablativer Therapie nicht mehr im Serum messbar sein; späterer Wiederanstieg spricht für ein Rezidiv oder eine Metastase - Kalzitonin-Erhöhung hinweisend auf ein medulläres Schilddrüsenkarzinom
Schilddrüsenantikörper zur Diagnostik von Immunthyreopathie und Thyreoiditis
- Antikörper gegen TSH-Rezeptor (TSH-R-AK) sollten bestimmt werden, wenn aufgrund der klinischen Untersuchung und der bildgebenden Verfahren keine eindeutige Abgrenzung zwischen einem M. Basedow und einer nichtimmunogenen Hyperthyreose möglich ist.
- Antikörper gegen Schilddrüsenperoxidase (TPO-AK) werden bei Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse bestimmt; sie sind bei 90 % der Patienten mit Hashimotothyreoiditis (Autoimmunthyreoiditis) und bei 70 % der Patienten mit M. Basedow erhöht.
- Antikörper gegen Thyreoglobulin (Tg-AK) werden bei Verdacht auf eine Autoimmunthyreoiditis bestimmt.
Punktionszytologie/Feinnadelpunktion
- Verdacht auf Malignität bei solitären, echoarmen, kalten oder schnell wachsenden Knoten ab 1 cm Größe (Knoten unter 1 cm sollten in einem Intervall von sechs Monaten sonographisch kontrolliert werden)
- Unscharf begrenzte Knoten
- Solitäre Knoten bei Zustand nach perkutaner Hochvoltbestrahlung der Halsregion
- Verdacht auf eine subakute oder chronisch lymphozytäre Thyreoiditis
Sensitivität und Spezifität der Zytologie liegen bei 80-90 % - Therapeutische Feinnadelpunktion: bei großen Schilddrüsenzysten mit lokalen Verdrängungserscheinungen, bei akuter eitriger Thyreoiditis
Einen Algorithmus zur Diagnostik der Struma finden Sie hier: Struma-Diagnostik