Evidenz - Ventrale Rektozelen-Raffung nach Delorme

  1. Zusammenfassung der Literatur

    Das obstruktive Defäkationssyndrom (ODS) ist eine häufige Erkrankung des Beckenbodens oder Rektums, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen kann [1 - 5]. Die Ursachen für ODS sind multifaktoriell und können morphologischer oder funktioneller Natur sein. Eine genaue Zuordnung von Symptomen und Befunden sowie die Wahl der richtigen Therapie sind daher eine Herausforderung.

    Eine der häufigsten morphologischen Befunde bei ODS ist die Rektozele, eine Vorwölbung der Rektumwand. Die ventrale Rektozele ist dabei die am häufigsten auftretende Form. Die Symptome einer Rektozele sind oft ein Gefühl der unvollständigen oder fragmentierten Stuhlentleerung, gefolgt von erneutem Stuhldrang und Entleerungsversuchen. Die Größe der Rektozele korreliert jedoch nicht immer mit der Schwere der Beschwerden. Die Primärtherapie bei Rektozele ist konservativ, eine chirurgische Therapie sollte nur bei frustraner konservativer Therapie erwogen werden [5].

    Die Entscheidung, ob die Rektozele für die Beschwerden eines ODS ursächlich ist („symptomatische Rektozele“), ist oft schwierig, da die Rektozele meist kombiniert mit anderen Beckenbodenfunktionsstörungen vorliegt [3, 5, 6]. Eine konservative Therapie ist immer angezeigt, und eine Operationsindikation soll nur bei „symptomatischen“ Rektozelen gestellt werden [7 - 10].

    Die chirurgischen Therapiekonzepte beinhalten einerseits konventionell, laparoskopisch oder roboterassistiert durchführbare transabdominelle Verfahren (z. B. Resektionsrektopexie, Rektopexie), andererseits transanale, transperineale sowie transvaginale Operationen (z. B. STARR, Delorme-Operation, Kolporrhaphia posterior). Prinzip aller Operationsverfahren ist entweder die positive Beeinflussung bzw. Beseitigung einer morphologisch bedingten Stuhlentleerungsstörung durch Verringerung des Rektumreservoirs (transanale bzw. transperineale Verfahren) oder durch Beseitigung morphologischer „Obstruktionen“ mittels transabdomineller Verfahren. Trotz ausgeschöpfter konservativer Behandlung und strenger Patientenselektion ist die operative Korrektur „pathologischer“ morphologischer Befunde nicht a priori mit einem zu erwartenden funktionellen Erfolg vergesellschaftet. Dies gilt für alle operativen Verfahren [11 – 14].

    Prinzipiell werden die chirurgischen Therapieoptionen bei der Rektozele kontrovers diskutiert, wobei die Fokussierung auf eine Rektozele als singuläre Ursache der Entleerungsstörung häufig nicht zum therapeutischen Erfolg führt [3, 13, 14]. Transanale Rektozelenresektionen beruhen auf der Annahme, dass die Rektozele für die Symptome entscheidend ist. So wird von vielen Arbeitsgruppen eine transanale Rektozelenkorrektur als effektive Therapieoption gewertet, obwohl eine allgemein gültige Empfehlung aufgrund der eingeschränkten Datenlage nicht möglich ist [13]. Zahlreiche Studien berichten über hohe funktionelle Erfolgsraten nach transanaler Rektozelenkorrektur bei einer mit einem ODS vergesellschafteten Rektozele, wobei die Operationsverfahren divergieren.

    Am häufigsten wird eine modifizierte Delorme-Operation durchgeführt, bei der primär eine horizontale mukosale Inzision ca. 1–2 cm proximal der Linea dentata erfolgt. Anschließend wird eine submuköse bzw. mukosale Dissektion nach proximal durchgeführt, darauf folgt eine semizirkuläre muskuläre „Wandduplikatur“ in longitudinaler Richtung, um eine Stabilisierung des Spatium rectovaginale zu erreichen. Zuletzt wird die redundante Rektummukosa partiell reseziert und mit resorbierbarem Nahtmaterial verschlossen. Das Operationsverfahren „transanale Rektozelenkorrektur“ hat jedoch keine Standardisierung, mehrere individuelle bzw. modifizierte Operationstechniken sind beschrieben, die sich in verschiedenen Details unterscheiden [15, 16, 17]. Abbas et al. berichten bei ihren Erfahrungen zur „ventralen Delorme-Operation“ über hohe funktionelle Erfolgsraten zur Beseitigung der Stuhlentleerungsstörung und der Verbesserung der Kontinenz im Langzeit-Follow-up [18]. Darüber hinaus wird von einigen Autoren eine transanale Rektozelenresektion mit dem Stapler im Sinne einer Vorderwandvollwandresektion empfohlen („transanal repair of rectocele and rectal mucosectomy with one circular Stapler“, TRREMS; [19]). Die Resultate sind vielversprechend, jedoch liegen keine allgemeingültigen Standards vor, die eine validierte Beurteilbarkeit ermöglichen.

     In der Bewertung der operativen Therapie bei der Stuhlentleerungsstörung – und dies gilt in besonderem Maße für die Rektozele – bleibt zu betonen, dass insbesondere bei der ventralen Rektozele die Frage letztlich unbeantwortet bleibt, ob die Rektozele für die Symptome einer Stuhlentleerungsstörung ursächlich ist oder nur ein Epiphänomen, d. h. nur die „Spitze des Eisbergs“, darstellt [8, 20]. Dieses diagnostische und therapeutische Dilemma bei der Stuhlentleerungsstörung allgemein und bei der Rektozele im Speziellen ist noch nicht geklärt und hat dazu geführt, die Operationsindikation bei der symptomatischen Rektozele extrem zurückhaltend zu stellen [21, 22, 23].

  2. Aktuell laufende Studien zu diesem Thema

  3. Literatur zu diesem Thema

    1. Schwandner O, Poschenrieder F, Gehl HB, Bruch HP. Differenzialdiagnostik der Beckenbodeninsuffizienz [Differential diagnosis in descending perineum syndrome]. Chirurg. 2004 Sep;75(9):850-60. German.

    2. Bruch HP, Fischer F, Schiedeck TH, Schwandner O. Defäkationsobstruktion [Obstructed defecation]. Chirurg. 2004 Sep;75(9):861-70. German.

    3. Schwandner O. Indikationen und chirurgische Therapieoptionen beim obstruktiven Defäkationssyndrom. Viszeralmedizin 2012; 28 (4): 260–266.

    4. Schwandner O, Isbert C (2016) Chronische Obstipation und Stuhlentleerungsstörung. In: Schwandner O (Hrsg) Proktologische Diagnostik. Springer, Berlin, SS 177–191

    5. Schwandner O (2016) Beckenbodeninsuffizienz aus proktologischer Sicht. In: Schwandner O (Hrsg) Proktologische Diagnostik. Springer,Berlin, SS 203–222

    6. Zbar AP. Posterior pelvic floor disorders and obstructed defecation syndrome: clinical and therapeutic approach. Abdom Imaging. 2013 Oct;38(5):894-902.

    7. Herold A. Systematik der chronischen Obstipation. Coloproctology 2001;23:317–321

    8. Pescatori M, Spyrou M, Pulvirenti d'Urso A. A prospective evaluation of occult disorders in obstructed defecation using the 'iceberg diagram'. Colorectal Dis. 2006 Nov;8(9):785-9.

    9. Zbar AP, Lienemann A, Fritsch H, Beer-Gabel M, Pescatori M. Rectocele: pathogenesis and surgical management. Int J Colorectal Dis. 2003 Sep;18(5):369-84.

    10. Podzemny V, Pescatori LC, Pescatori M. Management of obstructed defecation. World J Gastroenterol. 2015 Jan 28;21(4):1053-60.

    11. Boccasanta P, Venturi M, Calabrò G, Trompetto M, Ganio E, Tessera G, Bottini C, Pulvirenti D'Urso A, Ayabaca S, Pescatori M. Which surgical approach for rectocele? A multicentric report from Italian coloproctologists. Tech Coloproctol. 2001 Dec;5(3):149-56.

    12. Khaikin M, Wexner SD. Treatment strategies in obstructed defecation and fecal incontinence. World J Gastroenterol. 2006 May 28;12(20):3168-73.

    13. Isbert C, Germer CT. Transanale Verfahren bei funktionellen Darmerkrankungen [Transanal procedure for functional bowel diseases]. Chirurg. 2013 Jan;84(1):30-4, 36-8. German.

    14. Kienle P, Horisberger K. Transabdominelle Verfahren bei funktionellen Darmerkrankungen [Transabdominal procedures for functional bowel diseases]. Chirurg. 2013 Jan;84(1):21-9. German.

    15. Liberman H, Hughes C, Dippolito A. Evaluation and outcome of the delorme procedure in the treatment of rectal outlet obstruction. Dis Colon Rectum. 2000 Feb;43(2):188-92.

    16. Roman H, Michot F. Long-term outcomes of transanal rectocele repair. Dis Colon Rectum. 2005 Mar;48(3):510-7.

    17. Karlbom U, Graf W, Nilsson S, Påhlman L. Does surgical repair of a rectocele improve rectal emptying? Dis Colon Rectum. 1996 Nov;39(11):1296-302.

    18. Abbas SM, Bissett IP, Neill ME, Macmillan AK, Milne D, Parry BR. Long-term results of the anterior Délorme's operation in the management of symptomatic rectocele. Dis Colon Rectum. 2005 Feb;48(2):317-22.

    19. Leal VM, Regadas FS, Regadas SM, Veras LR. Clinical and functional evaluation of patients with rectocele and mucosal prolapse treated with transanal repair of rectocele and rectal mucosectomy with a single circular stapler (TRREMS). Tech Coloproctol. 2010 Dec;14(4):329-35.

    20. Dietz HP. Rectocele or stool quality: what matters more for symptoms of obstructed defecation? Tech Coloproctol. 2009 Dec;13(4):265-8.

    21. Hicks CW, Weinstein M, Wakamatsu M, Pulliam S, Savitt L, Bordeianou L. Are rectoceles the cause or the result of obstructed defaecation syndrome? A prospective anorectal physiology study. Colorectal Dis. 2013 Aug;15(8):993-9.

    22. Hicks CW, Weinstein M, Wakamatsu M, Savitt L, Pulliam S, Bordeianou L. In patients with rectoceles and obstructed defecation syndrome, surgery should be the option of last resort. Surgery. 2014 Apr;155(4):659-67.

    23. Hall GM, Shanmugan S, Nobel T, Paspulati R, Delaney CP, Reynolds HL, Stein SL, Champagne BJ. Symptomatic rectocele: what are the indications for repair? Am J Surg. 2014 Mar;207(3):375-9; discussion 378-9.

Reviews

Albayati S, Chen P, Morgan MJ, Toh JWT. Robotic vs. laparoscopic ventral mesh rectopexy for externa

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