Evidenz - Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan

  1. Zusammenfassung der Literatur

    Die Behandlung des frühen Hämorrhoidalleidens kann konservativ durch Ernährungsumstellung, Stuhlregulierung, Sklerosierungstherapie und die Verwendung von Gummibandligaturen erfolgen.  Wenn konservative Maßnahmen erfolglos bleiben und dritt- oder viertgradiges Hämorrhoidalleiden mit subjektiv beeinträchtigender Symptomatik auftritt, ist eine operative Therapie erforderlich. Jährlich werden in Deutschland etwa 50.000 Menschen aufgrund eines Hämorrhoidalleidens operiert, was nur 5 % aller wegen Hämorrhoiden behandelten Patienten ausmacht. Die Nachteile der gängigen Operationsmethoden bestehen darin, dass eine Arbeitsunfähigkeit von 2 bis 4 Wochen und intensive postoperative Schmerzen entstehen können.

    Falls ein resezierendes Verfahren (mono- oder mehrsegmentäres) indiziert ist, gibt es grundsätzlich die folgenden Optionen:

    • offene Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan (MM),
    • geschlossene Hämorrhoidektomie nach Ferguson (FG),
    • subanodermale/submuköse Hämorrhoidektomie nach Parks (PA),
    • rekonstruktive Hämorrhoidektomie nach Fansler-Arnold (FA).

    E. T. C. Milligan und C. N. Morgan aus Großbritannien führten die nach ihnen benannte offene Segmentexzision erstmals um 1935 durch und berichteten über sie 1937 [1]. Das Verfahren nach MM ist das am häufigsten durchgeführte Verfahren in der operativen Therapie des Hämorrhoidalleidens, auch in Deutschland [2 - 5].

    Die meisten Operationen werden unter Allgemein- oder Regionalanästhesie durchgeführt. Manche Autoren erwähnen auch die Durchführung in Lokalanästhesie, teilweise mit Sedierung [6, 7, 8].  In der Regel findet der Eingriff stationär statt mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 3 Tagen  [9, 10].  Bei entsprechender Selektion der Patienten kann der Eingriff auch ambulant erfolgen [6, 7]. Die Operationszeit variiert von 10 bis 40 Minuten, wobei der Durchschnitt 30 Minuten beträgt [9, 10]. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit variiert von 7 bis 30 Tage und beträgt im Median 18,6 Tage [11].

    Der postoperative Schmerz ist für den Patienten verständlicherweise von großer Bedeutung. Es scheint, dass die Ausdehnung des Eingriffs (1, 2 oder 3 Pedikel) keine Auswirkungen auf die Dauer und Intensität der Schmerzen hat [12].

    Die Häufigkeit einer postoperativen, partiellen Inkontinenz liegt laut Studienlage zwischen 0 und 28 %, hier allerdings überwiegend passager [13, 14]. Johannson  ermittelte eine operationsbedingte Inkontinenzrate von 9,5 % [15]. Eine weitere Studie fand keine Unterschiede zwischen einer Inkontinenz vor und nach einer Hämorrhoidektomie nach MM [16]. Jedoch besteht die Möglichkeit, dass sich eine vorbestehende Kontinenzstörung nach einer MM-Operation intensivieren kann.

    Soweit angegeben, schwanken die Angaben zum Operationserfolg abhängig vom Follow-up zwischen 67 % und 100 % [9, 13, 15, 17, 18, 19]. Rezidive werden zwischen 0 % und 7,6 %, in einer Studie mit 12 % angegeben [8, 9, 17 - 22]. In weniger als 2 % der erfassten Fälle war eine erneute Operation aufgrund von Hämorrhoiden erforderlich.

    Die Angaben zu postoperativen Komplikationen variieren zwischen 0 und 25 % und betreffen überwiegend Harnverhalt und Nachblutung [18, 23]. In einer kleinen Gruppe von 25 Patienten traten bei 5 Patienten (20 %) Nachblutungen auf, von denen nur eine (4 %) einer chirurgischen Therapie bedurfte [24]. In Studien mit einer größeren Anzahl von Patienten beträgt die Anzahl der Nachblutungen in der Regel 1 bis 2 %. Postoperative Stenosen oder Strikturen treten mit einer Häufigkeit von bis zu 6 % auf, während sie in einer einzigen schwachen RCT mit 20 % angegeben wurde [8, 20]. Eine Stuhlinkontinenz infolge Sphinkterverletzung als Langzeitkomplikation kommt mit 4,5 % selten vor [25].

    Die Verwendung von Radiofrequenz (bipolarem Versiegelungsinstrumentarium) führt zu einer kürzeren Operationsdauer, weniger Blutungen, weniger Anodermresektionen und weniger postoperativen Schmerzen aufgrund der verringerten Wärmeausdehnung [26]. Der Effekt geringerer Schmerzen macht sich allerdings nur zwischen dem 7. und 14. Tag postoperativ bemerkbar und tritt danach nicht mehr auf [27].

    Die Effektivität der Stapler-Hämorrhoidopexie als nichtresezierendes und somit pexierendes Verfahren wurde in zahlreichen Studien untersucht. Watson et al. haben 2016 gezeigt, dass die Schmerzen nach einer Hämorrhoidopexie im kurzfristigen postoperativen Verlauf (6 Wochen) geringer sind als nach einer Hämorrhoidektomie [28]. Jedoch wurde die Hämorrhoidektomie in Bezug auf die Faktoren Rezidivraten, Beschwerden, Wiederoperationen und Lebensqualität favorisiert. Die Autoren einer aktuellen Metaanalyse kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen [29]. In einer Übersichtsstudie aus 2015, die die Behandlung von 7827 Patienten mit Hämorrhoiden dritten oder vierten Grades untersuchte, wurde festgestellt, dass die Stapler-Hämorrhoidopexie mehr Rezidive verursacht als die konventionelle Hämorrhoidektomie [30]. Andere Metaanalysen zeigen ebenfalls, dass das Staplerverfahren eine höhere Rezidivrate hat [31]. Laut der deutschen Leitlinie "Hämorrhoidalleiden" kann bei einem drittgradigen Hämorrhoidalleiden eine Stapler-Hämorrhoidopexie als mögliches Verfahren angeboten werden. Aufgrund der im Vergleich zu herkömmlichen Operationen erhöhten Rezidivrate sollte die Stapler-Technik beim viertgradigen Hämorrhoidalleiden nicht angewendet werden [25].

    In einigen Untersuchungen wurde "der MM" mit anderen Verfahren wie Analdilatation oder Sphinkterotomie kombiniert. Obwohl Mortensen keine signifikanten Unterschiede in der postoperativen Manometrie zwischen den Patienten mit oder ohne Analdilatation feststellte, hatten drei Patienten aus der Dilatationsgruppe nach einem Jahr eine leichtgradige Inkontinenz [32]. Galizia berichtet, dass die Kombination von MM mit Sphinkterotomie die Ruhe- und Kneifdrucke verringert hat, und Mathai beendete seine Studie, weil die zusätzliche Sphinkterotomie zu hohen Inkontinenzraten führte [8, 18]. Aufgrund erhöhter Inkontinenzraten sollte die Segmentexzision nach Milligan-Morgan daher nicht mit einer Sphinkterotomie kombiniert werden.

  2. Aktuell laufende Studien zu diesem Thema

  3. Literatur zu diesem Thema

    1. Milligan E, Naunton Morgan C, Jones L, Officer, R: SURGICAL ANATOMY OF THE ANAL CANAL, AND THE OPERATIVE TREATMENT OF HÆMORRHOIDS. The Lancet 1937; 230(5959): 1119–24.

    2. Beattie GC, Wilson RG, Loudon MA: The contemporary management of haemorrhoids. Colorectal Dis 2002; 4(6): 450–4.

    3. Dziki L, Mik M, Trzcinski R, et al.: Surgical treatment of haemorrhoidal disease - the current situation in Poland. Prz Gastroenterol 2016; 11(2): 111–4.

    4. Herold A, Kirsch JJ: Komplikationen nach Stapler-Hämorrhoidektomie Ergebnisse einer Umfrage in Deutschland. coloproctology 2001; 23(1): 8–16.

    5. Kraemer M, Bussen D, Leppert R, Sailer, M, Fuchs, KH, Thiede, A: Country-wide survey of therapeutic procedures in hemorrhoids and anal fissure. Chirurg 1998; 69(2): 215–8.

    6. Argov S: Ambulatory radical hemorrhoidectomy: personal experience with 1,530 Milligan-Morgan operations with follow-up of 2-15 years. Dig Surg 1999; 16(5): 375–8.

    7. Labas P, Ohradka B, Cambal M, Olejnik, J, Fillo, J: Haemorrhoidectomy in outpatient practice. Eur J Surg 2002; 168(11): 619–20.

    8. Galizia G, Lieto E, Castellano P, Pelosio, L, Imperatore, V, Pigantelli, C: Lateral internal sphincterotomy together with haemorrhoidectomy for treatment of haemorrhoids: a randomised prospective study. Eur J Surg 2000; 166(3): 223–8.

    9. Seow-Choen F, Ho YH, Ang HG, Goh, HS: Prospective, randomized trial comparing pain and clinical function after conventional scissors excision/ligation vs. diathermy excision without ligation for symptomatic prolapsed hemorrhoids. Dis Colon Rectum 1992; 35(12): 1165–9.

    10. Gawenda M, Walter M: Surgical therapy of advanced hemorrhoidal disease--is an ambulatory surgery intervention possible? Chirurg 1996; 67(9): 940–3.

    11. Sayfan J, Becker A, Koltun L: Sutureless closed hemorrhoidectomy: a new technique. Ann Surg 2001; 234(1): 21–4.

    12. Medina-Gallardo A, Curbelo-Pena Y, Castro X de, Roura-Poch, P, Roca-Closa, J, Caralt-Mestres, E de: Is the severe pain after Milligan-Morgan hemorrhoidectomy still currently remaining a major postoperative problem despite being one of the oldest surgical techniques described? A case series of 117 consecutive patients. Int J Surg Case Rep 2017; 30: 73–5.

    13. Argov S, Levandovsky O, Yarhi D: Milligan-Morgan hemorrhoidectomy under local anesthesia - an old operation that stood the test of time. A single-team experience with 2,280 operations. Int J Colorectal Dis 2012; 27(7): 981–5.

    14. Azizi R, Rabani-Karizi B, Taghipour MA: Comparison between Ultroid and rubber band ligation in treatment of internal hemorrhoids. Acta Med Iran 2010; 48(6): 389–93.

    15. Johannsson HO, Graf W, Pahlman L: Long-term results of haemorrhoidectomy. Eur J Surg 2002; 168(8-9): 485–9.

    16. Li Y, Xu J, Lin J, Zhu, W: Excisional hemorrhoidal surgery and its effect on anal continence. World J Gastroenterol 2012; 18(30): 4059–63.

    17. Denis J, Dubois N, Ganansia R, Du Puy-Montbrun, T, Lemarchand, N: Hemorrhoidectomy: Hospital Leopold Bellan procedure. Int Surg 1989; 74(3): 152–3.

    18. Marsh GD, Huddy SP, Rutter KP: Bupivacaine infiltration after haemorrhoidectomy. J R Coll Surg Edinb 1993; 38(1): 41–2.

    19. Bessa SS: Diathermy excisional hemorrhoidectomy: a prospective randomized study comparing pedicle ligation and pedicle coagulation. Dis Colon Rectum 2011; 54(11): 1405–11.

    20. Jones CB: A comparative study of the methods of treatment for haemorrhoids. Proc R Soc Med 1974; 67(1): 51–3.

    21. Eu KW, Seow-Choen F, Goh HS: Comparison of emergency and elective haemorrhoidectomy. Br J Surg 1994; 81(2): 308–10.

    22. Hansen JB, Jorgensen SJ: Radical emergency operation for prolapsed and strangulated haemorrhoids. Acta Chir Scand 1975; 141(8): 810–2.

    23. Ceulemans R, Creve U, van Hee R, Martens, C, Wuyts, FL: Benefit of emergency haemorrhoidectomy: a comparison with results after elective operations. Eur J Surg 2000; 166(10): 808-12; discussion 813.

    24. Tan JJ, Seow-Choen F: Prospective, randomized trial comparing diathermy and Harmonic Scalpel hemorrhoidectomy. Dis Colon Rectum 2001; 44(5): 677–9.

    25. Joos AK, Jongen J (2021) S3-Leitlinie Hämorrhoidalleiden. coloproctology 43:381–404.

    26. Milito G, Cadeddu F, Muzi MG, Nigro C, Farinon AM (2010) Haemorrhoidectomy with Ligasure vs conventional excisional techniques: meta-analysis of randomized controlled trials. Colorectal Dis 12(2):85–93

    27. Nienhuijs S, de Hingh I (2009) Conventional versus LigaSure hemorrhoidectomy for patients with symptomatic hemorrhoids. Cochrane Database Syst Rev.

    28. Watson AJ, Hudson J, Wood J et al (2016) Comparison of stapled haemorrhoidopexy with traditional excisional surgery for haemorrhoidal disease (eTHoS): a pragmatic, multicentre, randomised controlled trial. Lancet 388:2375–2385.

    29. Ruan QZ, English W, Hotouras A, Bryant C, Taylor F, Andreani S, Wexner SD, Banerjee S (2021) A systematic review of the literature assessing the outcomes of stapled haemorrhoidopexy versus open haemorrhoidectomy. Tech Coloproctol 25:19–33.

    30. Simillis C, Thoukididou SN, Slesser AAP, Rasheed S, Tan E, Tekkis PP (2015) Systematic review and network meta-analysis comparing clinical outcomes and effectiveness of surgical treatments of haemorrhoids. Br J Surg 102(13):1603–1618.

    31. Lumb KJ, Colquhoun PH, Malthaner RA, Jayaraman S (2006) Stapled versus conventional surgery for hemorrhoids. Cochrane Database Syst Rev.

    32. Mortensen PE, Olsen J, Pedersen IK, Christiansen, J: A randomized study on hemorrhoidectomy combined with anal dilatation. Dis Colon Rectum 1987; 30(10): 755–7.

Reviews

Albazee E, Alenezi A, Alenezi M, Alabdulhadi R, Alhubail RJ, Ahmad Al Sadder K, AlDabbous F, Almuta

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