Therapie der akuten Analfissur
Akute Analfissuren heilen in der überwiegenden Zahl der Fälle spontan ab. In einer 1986 durchgeführten randomisierten Studie heilten 87 % der akuten Analfissuren mit Kleie und Sitzbädern ab, 60 % durch die Applikation von Lidocain- und 82,4 % von Hydrocortison-Salbe [1]. In einer prospektiven Kohortenstudie wurde gezeigt, dass die Therapie mit Nifedipin-Salbe über 8 Wochen in 85,2 % zur Abheilung der Fissuren führte [2]. Nitrate können ebenfalls erfolgreich zur Behandlung von akuten Fissuren eingesetzt werden, wobei die Evidenz im Vergleich zu den lokal angewendeten Nifedipin-Präparaten geringer ist [3, 4]. Jensen et al. untersuchten Patienten nach der Abheilung einer ersten Analfissur durch konservative Maßnahmen. In der Placebogruppe kam es in 68 % der Fälle innerhalb von 18 Monaten zu einem Fissur-Rezidiv. Die Gruppe, die über ein Jahr lang 15 g Kleie pro Tag einnahm, hatte eine Rezidivrate von nur 16 % [5].
Konservative Behandlung chronischer Analfissur
Im Gegensatz zur akuten Fissur heilt die chronische Form unter konservativen Maßnahmen deutlich seltener ab. In ihrer prospektiven Studie zeigten Emile et al. eine negative Beziehung zwischen der Dauer der Symptomatik von Fissuren und deren Heilungsrate [6]. Etwa 50 % chronischer Analfissuren können unter konservativer Behandlung abheilen [7, 8, 9]. Es ist unbestritten, dass chirurgische Eingriffe eine bessere Heilungsrate, eine schnellere Symptomfreiheit und eine verringerte Rezidivrate aufweisen [7, 9].
Evidenzbasierte Empfehlung gemäß der deutschen S3-Leitlinie, Stand 2021:
Es wird empfohlen, dass allen Patienten mit chronischer Analfissur ein konservativer Therapieversuch (Nitrate, Kalziumantagonisten, Botulinumtoxin) über einen Zeitraum von 6 Wochen angeboten wird, bevor eine operative Therapie durchgeführt wird. Eine chirurgische Therapie kann als Erstlinientherapie durchgeführt werden, wenn der Patient dies wünscht oder wenn zusätzlich Fisteln und/oder ausgeprägte sekundäre morphologische Veränderungen vorhanden sind.
Kalziumkanalantagonisten (CCA)
Kalziumkanalblocker verringern den Kalziumioneneinstrom in glatte Muskelzellen, was zu einer reduzierten Kontraktilität und dadurch zur Vasodilatation und Reduktion des Sphinktertonus führt. In der 2012 veröffentlichten Metaanalyse von Nelson et al. waren CCA und Nitrate in der Heilungsrate gleich, allerdings führte die CCA-Behandlung zu signifikant weniger Nebenwirkungen [9].
Nifedipin kann zur Fissurbehandlung sowohl oral als auch topisch verabreicht werden. Die Heilungsrate der topischen Therapie wurde von vergleichenden RCT als gleichwertig oder sogar als besser ermittelt [10, 11, 12]. Topische CCA waren in einer Metaanalyse von vier randomisierten Studien im Vergleich zu oralen CCA mit einer signifikant geringeren Rate an nichtgeheilten Fissuren verbunden [13]. In einer Metaanalyse waren Kopfschmerzen die häufigste Nebenwirkung (orale CCA 37,5 %, topische Applikation 16 %, Placebo 8,4 %) [8]. Seltene Nebenwirkungen waren allergische Reaktionen, Schweißausbrüche und Ödeme [10, 11,12].
Bislang wurden CCA in Deutschland nicht offiziell für die Verwendung in der Analfissurtherapie zugelassen (Off-Label-Therapie). Topische Rezepturen, die häufig verwendet werden, sind Nifedipin 0,2 % oder Diltiazem 2 %.
Evidenzbasierte Empfehlung gemäß der deutschen S3-Leitlinie, Stand 2021:
Bei chronischen Analfissuren sollte die medikamentöse Erstlinientherapie aus topisch applizierten Kalziumantagonisten bestehen. Sie sind ähnlich effektiv wie Nitrate, haben aber weniger systemische Nebenwirkungen. Eine alternative Behandlungsoption ist die Verwendung oraler Kalziumantagonisten. Die topische Anwendung sollte aufgrund des günstigeren Verhältnisses von Wirkung und Nebenwirkung vorgezogen werden.
Nitrate
Durch die Freisetzung von Stickstoffmonoxid führen Nitrate wie Gylceryltrinitrat (GTN) zur Relaxierung glatter Muskelzellen und senken somit den Sphinktertonus [14]. Die Heilungsraten unter GTN waren in einer Metaanalyse zwar signifikant, aber nur geringfügig höher als die eines Placebos (48,9 % gegenüber 35,5 %) [9]. In 50 % der Fälle abgeheilter chronischer Fissuren entwickelte sich ein Rezidiv.
CCA und Nitrate wiesen keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Abheilungsrate auf. Nebenwirkungen traten unter Nitraten jedoch häufiger auf, insbesondere Kopfschmerzen. In einem Update der Metaanalyse von Nelson et al. 2017 betrug die Rate an Kopfschmerzen durch GTN in allen Studien 30 % [8]. Diese Ergebnisse wurden in einer systematischen Überprüfung und Metaanalyse von sieben RCTs zum Vergleich von CCA und Nitraten durch Sajid et al. bestätigt [15]. In der Literatur werden Kopfschmerzen häufig als Grund für Incompliance und Therapieabbruch beschrieben.
Mehrere RCTs untersuchten die dosisabhängige Wirkung von GTN (0,05 bis 0,4 %) und fanden keinen Unterschied. Die Heilungsrate war zudem unabhängig vom Applikationsort (topisch oder intraanal) [9].
In einer prospektiven randomisierten Studie untersuchten Galliardi et al. die optimale Therapiedauer von GTN und verglichen zwei Patientengruppen mit einer Therapiedauer von 40 und 80 Tagen. Die optimale Behandlungsdauer betrug 6 Wochen. Anschließend war keine Verbesserung der Symptome mehr zu erwarten [16].
Evidenzbasierte Empfehlung gemäß der deutschen S3-Leitlinie, Stand 2021:
Mit ähnlich hoher Heilungsrate im Vergleich zu Kalziumantagonisten können Nitrate zur Behandlung chronischer Analfissuren eingesetzt werden. Nachteilig sind häufige Nebenwirkungen, allen voran Kopfschmerzen.
Botulinumtoxin A
Botulinumtoxin A ist ein Protein, das im Sinne eines Muskelrelaxans die Erregungsübertragung von Nerven- zur Muskelzelle hemmt. Auf diese Weise verringert es den Ruhetonus des M. sphincter ani internus nach lokaler Injektion [17].
In einer Metaanalyse von Ebinger et al. betrug die Heilungsrate von Botulinumtoxin 62,6 % im Vergleich zu 93,1 % bei Patienten nach lateraler Internus-Sphinkterotomie (LIS) und 58,6 % bei Patienten mit konservativer Therapie (CCA, Nitrate, Placebo) [7]. Die Heilungsraten in den 16 Metaanalysestudien reichten von 25 % bis 96 % [18, 19]. Im Vergleich zu Botulinumtoxin hatte LIS allerdings ein erheblich höheres Risiko für eine Stuhlinkontinenz.
Eine Metaanalyse von sechs RCTs, die Botulinumtoxin mit Nitraten verglich, ergab keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit von nichtabgeheilten Fissuren oder Rezidiven [20]. Botulinumtoxin führte zu einer höheren Rate an transienter Inkontinenz, aber mit weniger Gesamtnebenwirkungen, insbesondere weniger Kopfschmerzen.
Mehrere Metaanalysen verglichen die Ergebnisse nach Botulinumtoxin und LIS und zeigten alle eine signifikant höhere Heilungsrate für LIS, allerdings auch eine höhere Inkontinenzrate im Vergleich zur Behandlung mit Botulinumtoxin [21, 22, 23].
Evidenzbasierte Empfehlung gemäß der deutschen S3-Leitlinie, Stand 2021:
In Metaanalysen waren die Abheilungsraten von Botulinumtoxin im Vergleich zu GTN und CCA geringfügig, aber signifikant höher. Es kann daher bei einer Therapieresistenz auf Kalziumantagonisten den betroffenen Patienten als Zweitlinientherapie alternativ zu einem operativen Eingriff die Behandlung mit Botulinumtoxin angeboten werden.
Operative Therapie der chronischen Analfissur
Fissurektomie
Die Fissur und entzündlich-vernarbtes Gewebe werden bei der Fissurektomie nach Gabriel im Mukosa-Niveau exzidiert, zusätzlich wird ein perianales Drainagedreieck angelegt [24]. Zur Fissurektomie ohne zusätzliche Maßnahmen wie z. B. einem Flap oder Botulinumtoxin, existieren kaum Studien.
In einer Metaanalyse wurde gezeigt, dass die Sphinkterotomie im Vergleich zur Fissurektomie eine signifikant höhere Heilungsrate aufwies und dass es keinen signifikanten Unterschied in der Inkontinenzrate gab [25, 26]. In einer weiteren Metaanalyse wurde die Fissurektomie mit dem Advancement-Flap kombiniert. Die Heilungsrate nach Fissurektomie und Advancement-Flap betrug 79,8 %, im Vergleich zu 93,1 % bei LIS. Im Vergleich zu LIS betrug die Inkontinenzrate 4,9 % [7].
In 2003 wurde eine prospektive randomisierte Untersuchung publiziert, die die Fissurektomie mit der LIS verglich. Nach drei Monaten wurde bei den 60 eingeschlossenen Patienten eine Heilungsrate von 73 % in der Fissurektomie-Gruppe und 80 % in der LIS-Gruppe festgestellt. Die postoperative Inkontinenzrate für LIS betrug 20 % und für Fissurektomie 11 % [27].
Eine Fallkontrollstudie mit einer Nachverfolgung über fünf Jahre ergab eine Rezidivrate von 11,6 %. Bei Patienten, die vor der Fissurektomie kontinent waren, lag der mediane Vaizey-Score für Inkontinenz (0 bis 24) bei 0,8, während der in der Kontrollgruppe bei 0,4 lag [28]. In einer weiteren RCT trat bei 3,3 % der Patienten nach Fissurektomie ein Harnverhalt auf, Infektionen oder Abszesse und postoperative Blutungen konnten nicht festgestellt werden [29].
Evidenzbasierte Empfehlung gemäß der deutschen S3-Leitlinie, Stand 2021:
Im Vergleich zu allen konservativen Behandlungsoptionen weist die Fissurektomie eine höhere Heilungsrate auf, jedoch eine geringere als die der lateralen Internus-Sphinkterotomie. Die Fissurektomie sollte als primäre Therapie bei den operativen Eingriffen betrachtet werden, da die Inkontinenzrate geringer ist.
Fissurektomie kombiniert mit Botulinumtoxin
Die Kombination einer Fissurektomie mit Botulinumtoxin-Injektion könnte zusätzliche Vorteile haben, da beide Maßnahmen die pathogenetischen Faktoren der Fissur angreifen, nämlich die Sphinkterhypertonie und die fibrotisch-entzündliche Ulzeration. Es gibt bisher keine randomisierten kontrollierten Studien zu dieser Kombinationstherapie.
Evidenzbasierte Empfehlung gemäß der deutschen S3-Leitlinie, Stand 2021:
Botulinumtoxin kann zur Sphinkterrelaxation während eines operativen Eingriffs wie einer Fissurektomie oder einem Advancement-Flap appliziert werden .
Analer Advancement-Flap
In der Literatur wurden verschiedene Techniken des Advancement-Flaps beschrieben, bei denen die Fissurrektomie-Wunde entweder mit analer Muskosa oder perianaler Haut versorgt wird (z. B. V-Y-Flap, Dermal-Flap).
Eine 2018 durchgeführte Metaanalyse verglich den analen Advancement-Flap mit der lateralen Sphinkterotomie. In der Analyse war der anale Advancement-Flap mit einer deutlich niedrigeren Inkontinenzrate im Vergleich zur Sphinkterotomie verbunden. Hinsichtlich nicht abgeheilter Fissuren und Wundkomplikationen ergaben sich keine Unterschiede [30]. In einer prospektiven Untersuchung an 52 "Flap-Patienten" heilten alle Fissurektomie-Wunden ab, Inkontinenzen traten nicht auf. Früh-postoperative Flap-Dehiszenzen verzögerten die Abheilung bei 5,9 % Pateinten, 5,7 % der Patienten entwickelten im Laufe der Zeit Fissuren an einer anderen Stelle [31].
Eine prospektive, multizentrische Studie berichtete über die Ergebnisse bei 257 Patienten, die mit einer Fissurektomie inkl. Flap-Versorgung behandelt wurden. Bei allen Patienten war nach einer durchschnittlichen Dauer von 7,5 Wochen der Befund abgeheilt. An einer ein Jahr postoperativ durchgeführten Fragebogenaktion beteiligten sich 79 % der Patienten. Keiner der Patienten entwickelte ein Fissur-Rezidiv, 7 % berichteten von einer neu aufgetretenen Inkontinenz [32].
Hancke et al. veröffentlichten 2010 eine retrospektive Vergleichsstudie zwischen offener LIS und der Fissurektomie mit Dermal-Flap. In einem Langzeit-Follow-up (78,5 Monate nach LIS und 88,4 Monate nach Dermal-Flap) litten 10 von 30 Patienten in der LIS-Gruppe und 1 Patient von 29 Patienten in der Dermal-Flap-Gruppe unter einer Inkontinenz. In keiner Gruppe mussten aufgrund von Rezidiven erneut Operationen durchgeführt werden [33].
Evidenzbasierte Empfehlung gemäß der deutschen S3-Leitlinie, Stand 2021:
Der Advancement-Flap kann zur Ergänzung der Fissurektomie als operative Erstlinientherapie oder als Zweitlinientherapie nach einer erfolglosen konventionellen Fissurektomie durchgeführt werden.
Laterale Internus-Sphinkterotomie (LIS)
„Von allen chirurgischen Optionen ist die LIS die Therapie der Wahl für chronische Analfissuren“, heißt es in der aktuellen US-Leitlinie, die die LIS aufgrund ihrer hohen Heilungsraten als Goldstandard unter den chirurgischen Verfahren empfiehlt [34]. In der Literatur besteht Uneinigkeit über die Häufigkeit der postoperativer Inkontinenz nach LIS, die einzelnen RCTs und mehrere Metaanalysen zeigen diesbezüglich inkonsistente Ergebnisse [7, 8, 35].
2003 veröffentlichten Hancke et al. die erste prospektiv randomisierte Untersuchung, die die LIS mit der in Deutschland üblichen Fissurektomie verglich [33]. Nach drei Monaten wurde bei den 60 eingeschlossenen Patienten eine Heilungsrate von 73 % in der Fissurektomie-Gruppe und 80 % in der LIS-Gruppe festgestellt. Die postoperative Inkontinenzrate für LIS betrug 20 % und für Fissurektomie 11 %. Die Autoren schlossen daraus, dass die LIS in Zukunft nicht mehr durchgeführt werden sollte. Hasse et al. veröffentlichten 2004 Zahlen aus einer Kohortenstudie mit 209 von 523 Patienten, die sich zwischen 1986 und 1997 aufgrund einer chronischen Analfissur einer lateralen Sphinkterotomie unterzogen [36]. Die Kohortenstudie hatte einen medianen Follow-up von 124 Monaten. Die Heilungsrate betrug 94,7 %. 14,8 % der Patienten entwickelten in der zwölften Woche nach der Operation eine Inkontinenz. Diese Zahl stieg im Laufe der Zeit auf 21 %, wobei 60 % der Inkontinenzen schwerwiegend waren. Beide Studien führten dazu, dass die LIS in Deutschland aus dem Repertoire der operativen Fissur-Behandlung verbannt wurde.
Eine Metaanalyse von 22 randomisierten, prospektiven und retrospektiven Studien aus dem Jahr 2013 mit einem Follow-up-Zeitraum zwischen 24 und 124 Monaten bestätigte die hohe Inkontinenz-Rate nach LIS mit 14 % [37]. In einer weiteren Metaanalyse von RCT fanden die Autoren keinen signifikanten Unterschied in der Inkontinenzrate zwischen den verschiedenen operativen Verfahren [35].
Evidenzbasierte Empfehlung gemäß der deutschen S3-Leitlinie, Stand 2021:
Die laterale interne Sphinkterotomie hat in RCTs und Metaanalysen die höchsten Heilungsraten, aber teilweise auch deutlich höhere Inkontinenzraten als nach Fissurektomie, wobei die Literatur uneinheitlich ist. Aus diesem Grund sollte die LIS nicht als Erstlinientherapie angewandt werden. In Einzelfällen kann die LIS nach ausschöpfen aller anderen Therapieoptionen mit dem Patienten besprochen werden. Eine LIS sollte bei Patientinnen post partum, bei Patienten mit reduziertem Sphinktertonus oder vorherigen analen Operationen zurückhaltend durchgeführt werden, um eine postoperative Inkontinenz zu vermeiden.
Anale Dilatation
Die in Narkose durchgeführte manuelle Analdilatation nach Lord weist in der Literatur das höchste Risiko für eine postoperative Inkontinenz aller Verfahren auf sowie eine geringere Heilungsrate als die LIS. Laut einer Metaanalyse aus dem Jahr 2017 waren mehr als 18 % der Patienten von postoperativer Inkontinenz betroffen. In Übereinstimmung mit anderen Leitlinien sollte die Dilatation nicht mehr angewendet werden [7, 35, 38, 34].