Die Divertikulitis ist eine akute, primäre Entzündung von Pseudodivertikeln des Kolons und der sie umgebenden Weichgewebsstrukturen, die zu schwersten abdominellen und septischen Komplikationen führen kann.
Besteht klinisch der Verdacht auf eine akute Divertikulitis, hat die Diagnostik das Ziel, die Erkrankung zu klassifizieren, um entsprechend typgerechte Therapieempfehlungen abgeben zu können. Dies ist erforderlich, da die Behandlungsoptionen bei der Sigmadivertikulitis vom reinen Zuwarten bis zur sofortigen Notfalloperation reichen.
Die Indikation zum operativen Eingreifen richtet sich nach der Ausprägung der Divertikulitis, der Rezidiv-Wahrscheinlichkeit, der subjektiven Beeinträchtigung der Patienten sowie nach Begleiterkrankungen und Medikation. Auch das Ansprechen auf einen konservativen Behandlungsversuch muss berücksichtigt werden.
Akute unkomplizierte Divertikulitis
Bei typischen Zeichen einer Divertikulitis inkl. Veränderungen der Laborwerte, jedoch ohne Hinweise auf Komplikationen (Phlegmone, Abszess, Fisteln o. Perforation) in der bildgebenden Diagnostik, liegt eine akute unkomplizierte Divertikulitis vor. Sie sollte unter engmaschiger klinischer Kontrolle primär konservativ behandelt werden, da die Mehrheit der so behandelten Patienten innerhalb kurzer Zeit wieder beschwerdefrei wird [13, 14, 29, 45] und das Rezidivrisiko insgesamt niedrig ist. Damit besteht keine Indikation zur elektiven Intervalloperation in solchen Fällen [13, 36, 43].
Bei Beschwerdepersistenz oder fortschreitender Klinik trotz adäquater Therapie der unkomplizierten Divertikulitis, empfiehlt sich, die initiale Diagnostik inkl. Bildgebung zeitnah zu wiederholen, um unerkannte oder neu entstandene Komplikationen zu detektieren und die Behandlung an die Empfehlungen zur komplizierten Divertikulitis anzupassen.
Eine Antibiotikabehandlung bei akuter unkomplizierter Divertikulitis ist nicht zwingend erforderlich, wird jedoch nach der aktuellen S2k-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis [34] empfohlen für Patienten mit Risikoindikatoren für Rezidive und Komplikationen:
- arterielle Hypertonie
- chronische Nierenerkrankung
- Immunsuppression
- allergische Disposition
- Kollagenosen
- Vaskulitiden
Bei dieser Patientengruppe kann abhängig vom Risikoprofil eine OP-Indikation auch bei erfolgreicher konservativer Behandlung bestehen [2, 9, 10, 19, 49], da die Divertikulitis nach Transplantation oder bei anderweitig Immunsupprimierten mit bis zu 25 % eine deutlich höhere Letalität aufweist als in der Normalbevölkerung. Das Perforationsrisiko ist darüber hinaus um das 2,7-fache erhöht [8].
Kontrovers wird die operative Therapie bei Vorliegen einer phlegmonösen Divertikulitis (Typ 1b) diskutiert. Obwohl in diesen Fällen pathophysiologisch von einer Mikroperforation auszugehen ist [17], entwickeln nur wenige Patienten nach erfolgreicher konservativer Therapie ein Rezidiv [29]. Entsprechend kann für diese Patientengruppe keine generelle Operationsempfehlung ausgesprochen werden. Dieses Vorgehen ist sowohl in der aktuellen deutschen Leitlinie als auch in den angloamerikanischen und niederländischen Leitlinien fixiert [5, 6, 34, 38].
Eine akute, unkomplizierte Divertikulitis ohne Fieber, ohne Leukozytose, ohne Abwehrspannung und ohne Stuhlverhalt sowie ohne Hinweis auf Perforation oder komplizierte Divertikulitis sowie lediglich geringfügig erhöhtem CRP kann durchaus ambulant behandelt werden. Voraussetzung sind allerdings eine adäquate Compliance, ausreichende orale Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr sowie engmaschige ärztliche Kontrollen [20, 40]. Kritisch anzumerken bleibt den vorgenannten Studien, dass die eingeschlossenen Patienten allesamt antibiotisch behandelt wurden.
Akute komplizierte Divertikulitis
Zeichen einer akuten komplizierten Divertikulitis sind die parakolische Abszedierung sowie die freie Perforation. Bei Vorliegen einer freien Perforation mit dem klinischen Bild eines akuten Abdomens handelt es sich um eine Notfallsituation, die einer unverzüglichen Operation bedarf [28, 29, 34, 47].
Auch wenn eine Perforation ausgeschlossen ist und klinisch kein akutes Abdomen vorliegt, sollten Patienten mit einer komplizierten Divertikulitis stationär behandelt werden, wobei die Therapie wie bei der unkomplizierten Form zunächst konservativ ist [6, 11]. Bleibt der angestrebte klinische Erfolg innerhalb von 72 Stunden aus, spricht dies für eine Persistenz des entzündlichen Fokus, womit die Indikation zur Sigmaresektion mit aufgeschobener Dringlichkeit diskutiert werden muss (Intervalloperation früh-elektiv – innerhalb von 48 Stunden [34]).
Parakolische Abszesse, Fisteln, Stenosen
Rund 15 % der Patienten mit akuter komplizierter Divertikulitis weisen in der Bildgebung eine parakolische Abszedierung auf [20]. Bei Abszessen > 5 cm kann eine perkutane interventionelle Drainage plus Antibiotikatherapie zwecks Vermeidung einer Notfalloperation durchgeführt werden [12, 17, 44].
Hinsichtlich der Frage, ob nach erfolgreicher konservativer Therapie der akuten komplizierten Divertikulitis eine elektive Intervalloperation gerechtfertigt ist, ist die Datenlage lückenhaft. Histopathologische Untersuchungen belegen allerdings, dass nach parakolischen Abszessen persistierende Strukturveränderungen zu erwarten sind [26]. Darüber hinaus entwickeln knapp 50 % der Betroffenen sekundäre Komplikationen und rund 40 % Rezidive [3, 4]. Zu den Risikofaktoren dieser Folgezustände nach parakolischen Abszessen gehören [24]
- positive Familienanamnese einer Divertikulitis
- Länge des betroffenen Darmsegments > 5 cm
- Vorhandensein eines retroperitonealen Abszesses
Bei diesen Konstellationen ist eine elektive Intervalloperation somit in Erwägung zu ziehen.
Entwickeln sich nach erfolgreicher konservativer Therapie Fisteln oder klinisch relevante Dickdarmstenosen aus, kommt ebenfalls eine elektive Intervalloperation in Betracht. Insbesondere Fisteln zum Urogenitaltrakt stellen aufgrund der Gefahr einer Urosepsis ein relevantes Risiko dar und sollten elektiv angegangen werden [21, 46].
Chronisch-rezidivierende Divertikulitis
Die Empfehlung zur elektiven Sigmaresektion erfolgte in den vergangenen Jahrzehnten bei der chronisch-rezidivierenden Divertikulitis in Abhängigkeit von der Anzahl der durchgemachten Krankheitsschübe: Resektion nach dem zweiten Schub [33]. Diese Empfehlung stammt von T. G. Parks aus dem Jahr 1969 [37]. Er ging fälschlicherweise von einem steigenden Komplikationsrisiko und einem abnehmenden Erfolg der konservativen Therapie nach dem zweiten Krankheitsschub aus. Parks berücksichtigte dabei über 40 Jahre alte Daten zum Spontanverlauf der Divertikulitis unter den damaligen klinischen Bedingungen.
Aktuelle Daten zeigen, dass bei steigender Frequenz der Krankheitsschübe nicht mit einer Zunahme septischer Komplikationen zu rechnen ist [34]. Auch Perforationen, die einen notfallmäßigen Eingriff erfordern, treten überwiegend als primäres Ereignis der Divertikulitis oder nach dem ersten Schub auf. Eine prophylaktische Operation nach dem zweiten Krankheitsschub wie noch bis vor wenigen Jahren üblich, ist somit nicht mehr gerechtfertigt.
Die Indikation zur Operation bei der chronisch-rezidivierenden Divertikulitis soll individuell unter Berücksichtigung von
- Beschwerdebild
- Risikofaktoren
- Lebensalter
- Schweregrad der Erkrankung
- Lebensumständen und Komorbiditäten
gestellt werden [32, 34].
Wesentliches Ziel der Operation bei chronisch-rezidivierender Divertikulitis ist die Beseitigung krankheitsbedingter Beschwerden. Nutzen und Risiko müssen daher sorgfältig abgewogen und die Operationsziele klar definiert werden, da weder septische Komplikationen, Notfalleingriffe oder Kolostomien vermieden noch Morbidität oder Letalität durch den Eingriff reduziert werden können.
Divertikelblutung
Beim Management der gastrointestinalen Blutung werden zunächst die Möglichkeiten der endoskopischen Diagnostik und Therapie ausgeschöpft [1, 16, 27, 30, 35]. Die Notfallendoskopie ist hierbei die Maßnahme der ersten Wahl [23].
Bei wiederholter oder anhaltender Blutung ohne endoskopisch eindeutig zu identifizierende Quelle sollte eine Angiographie (ggf. auch CT-Angiographie) zur Lokalisationsdiagnostik zum Zeitpunkt der vermuteten aktiven Blutung durchgeführt werden.
Die Indikation zur Operation ergibt sich bei fortbestehender, endoskopisch oder interventionell nicht beherrschbarer Blutung. Die Dringlichkeit wird bestimmt von der Kreislaufsituation, der Blutungsintensität und dem vorbestehenden Risikoprofil.
Es ist unbedingt anzustreben, eine Lokalisierung der Blutung zu erreichen, um gezielt chirurgisch vorzugehen. Gelingt eine Lokalisation der Blutungsquelle nicht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Blutung aus dem Sigma stammt. In diesen sehr seltenen Fällen einer nicht lokalisierbaren Blutung muss eine subtotale Kolektomie mit Ileorektostomie diskutiert werden. „Blinde“ Kolon-Segmentresektionen haben ein hohes Risiko der persistierenden oder Rezidivblutung und sollten nicht durchgeführt werden [42]. Bei unsicherer Lokalisation ist die subtotale Kolonresektion das Verfahren der Wahl [15].
Rezidivierende, klinisch relevante Divertikelblutungen (z.B. Hb-Abfall >2 g/dl, Schock) ohne Option der konservativen Risikosenkung für ein erneutes Rezidiv sollten bei bekannter Blutungslokalisation nach individueller Nutzen-Risiko-Bewertung frühelektiv operiert werden [34].
Patienten mit einer selbstlimitierenden oder interventionell erfolgreich behandelten, stattgehabten Divertikelblutung sollten nicht operiert werden [34].
Operationszeitpunkt
Die American Society of Colon and Rectal Surgeons empfiehlt die elektive Resektion 6 – 8 Wochen nach Symptombeginn [38]. Die dänische und niederländische Leitlinie legt sich hinsichtlich des optimalen Operationszeitpunktes nicht fest [5, 6]. Resektionen im entzündungsfreien Intervall nach 6 – 8 Wochen weisen geringere Raten an Anastomoseninsuffizienzen, Wundheilungsstörungen und Konversionen zum offenen Verfahren auf als sogenannte „früh-elektive“ Operationen [39].
Technische Aspekte der Sigmaresektion
Ziel der elektiven Operation bei Sigmadivertikulitis ist die vollständige Entfernung des gesamten Colon sigmoideum und das Herbeiführen einer spannungsfreien Anastomose im oberen Rektum.
Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Anzahl von Restdivertikeln im verbliebenen Kolon und dem Risiko eines Divertikulitis-Rezidivs, weshalb einer Erweiterung der Resektion nicht indiziert ist [48]. Die Lokalisation der aboralen Resektionsebene nimmt entscheidenden Einfluss auf die Rezidivrate: Liegt die Resektionsebene im aboralen Rektum, lässt sich die Rezidivgefahr signifikant verringern [7].
Die Mobilisation der linken Kolonflexur ist bei ausreichender Länge des Colon descendens nicht zwingend erforderlich. Um das Risiko von Anastomoseninsuffizienzen und sexueller Dysfunktionen zu minimieren, favorisieren einige Autoren den Erhalt der A. mesenterica inferior [25].
Die laparoskopische bzw. laparoskopisch-assistierte Operation ist der offenen Resektion vorzuziehen, sofern nicht triftige Gründe dagegen sprechen (z. B. Patientenwunsch, mangelnde Expertise des Operateurs) [2]. Dies gilt auch für komplizierte und rezidivierende Sigmadivertikulitiden [25].
Im direkten Vergleich mit der offenen Sigmaresektion im postoperativen Kurzzeitverlauf sprechen für die laparoskopische Sigmaresektion der geringere Blutverlust, eine schnellere Rekonvaleszenz, kürzere Krankenhausverweildauer, schnelleres Einsetzen der Darmmotilität, eine insgesamt geringere Morbidität sowie niedrigere Gesamtkosten [18, 22]. Hinsichtlich Lebensqualität und Komplikationen 6 Monate nach der Operation zeigt sich das laparoskopische Verfahren hingegen nicht überlegen [31].