Chirurgische Therapie des Kolonkarzinoms
Der Fortschritt bei der Behandlung des Kolonkarzinoms in den letzten 30 Jahren ist auf eine zunehmende Individualisierung der Therapie, die konsequente Umsetzung chirurgisch-onkologischer Prinzipien, aggressivere Therapieregime im metastasierten Stadium und den Einsatz minimalinvasiver Operationstechniken zurückzuführen. Standardisierte Behandlungskonzepte in der multimodalen Tumortherapie haben u. a. zu einem Anstieg der durchschnittlichen Fünfjahresüberlebensrate von 65 % auf über 85 % sowie zur Reduktion der lokoregionären Rezidivrate von durchschnittlich über 13 % auf unter 2 % beim nichtmetastasierenden Kolonkarzinom in den Stadien UICC II und III geführt. [10]. Im metastasierten Stadium werden bei 20 % der Patienten mittlerweile Fünfjahresüberlebensraten von über 40 % erreicht [19].
Chirurgisch-onkologische Prinzipien
Von entscheidender Bedeutung für die Prognose ist die En-bloc-Resektion des tumortragenden Kolonsegments mit systematischer lokoregionärer Lymphadenektomie. Die systematische Lymphadenektomie mit einer hohen Ausbeute an potenziell metastatisch befallenen Lymphknoten ist die Grundlage für eine standardisierte Klassifikation des Lymphknotenstatus, der daraus folgenden Therapieempfehlung und für die Prognose des Patienten.
Die lymphogene Metastasierung des Kolonkarzinoms erfolgt nach zentral über die parakolischen Lymphknoten, die bei 70 % der nodalpositiven Patienten befallen sind, sowie über die intermedianen Lymphknoten zu den Lymphknoten entlang der Stammarterie. Der longitudinale Abfluss zu Seiten des Tumors erfolgt über die parakolischen Lymphknoten über eine seitliche Ausbreitung von maximal 10 cm [25, 26]. Das Resektionsausmaß orientiert sich somit am Versorgungsgebiet der radikulär abgesetzten Stammarterien und sollte zudem mindestens 10 cm beidseits des Tumors betragen. Als letzte Lymphknotenstation liegen die Stammlymphknoten zentral am Abgang der entsprechenden Stammgefäße aus den Hauptgefäßen.
Aufgrund der zunehmenden Standardisierung von En-bloc-Resektion mit systematischer Lymphadenektomie konnte in den letzten 20 Jahren auch vor dem Hintergrund der etablierten Chemotherapie eine Verbesserung der Gesamtprognose in der kurativen Situation erzielt werden [16]. Retrospektive Studien konnten einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der untersuchten Lymphknoten und der stadienunabhängigen Prognose demonstrieren [8, 13].
Das Konzept des Wächterlymphknotens hat sich in der Kolonchirurgie außerhalb von Studien als Staginginstrument nicht durchgesetzt [3, 4]. Auch wenn die Studienlage uneinheitlich ist, empfiehlt die aktuelle S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ als Qualitätskriterium die Exstirpation und histologische Aufarbeitung von mindestens 12 Lymphknoten [21].
Neben der systematischen Lymphadenektomie zielt auch das Konzept der Complete Mesocolic Excision (CME) auf eine maximale Reduktion der Anzahl von Lokalrezidiven durch eine Erhöhung der Radikalität und Qualität der Resektion ab. Die Technik wurde 2009 durch Hohenberger et al. publiziert und beruht auf drei Säulen [16, 24]:
- Präparation entlang der embryonalen Schichten, wodurch die beiden mesokolischen Faszienblätter des Resektionsgebietes geschont und eine mögliche Tumorzellaussaat vermieden werden soll.
- Das streng abgangsnahe Absetzen der jeweiligen Stammgefäße ermöglicht eine maximale Lymphknotenausbeute sowie eine maximale lokale Radikalität nach zentral hin.
- Eine ausreichende Länge des Resektats gewährt eine maximale parakolische Lymphadenektomie.
Daten aus Dänemark, Schweden und Deutschland zeigen, dass die CME-Technik bei Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium UICC I – III mit einem besseren krankheitsfreien Überleben assoziiert ist als die herkömmliche Kolonresektion [5, 6, 18].
Minimal-Invasive Chirurgie
Mono- und multizentrische RCTs (KOLOR, COST, CLASSIC-Trail) ergaben zwischen laparoskopischen und offenen Techniken in der Kolonkarzinomchirurgie bei entsprechender Expertise des Operateurs keine Unterschiede hinsichtlich chirurgisch-onkologischer Qualitätsindikatoren (R-Status, Lymphknotenanzahl) und den Langzeitergebnissen (Tumorrezidive, Überleben) [7, 11, 14]. Als Vorteil der minimal-invasiven Chirurgie konnte im Kurzzeitverlauf eine relativ niedrige perioperative Morbidität bei unveränderter Gesamtmorbidität und Letalität gezeigt werden [23]. Nach der aktuellen S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ kann daher eine laparoskopische Resektion des Kolonkarzinoms bei entsprechender Erfahrung des Operateurs in geeigneten Fällen durchgeführt werden [21]. Für die Anwendung von NOTES beim Kolonkarzinom gibt es derzeit keine Datengrundlage.
Multimodale Tumortherapie
Zahlreiche Studien belegen die Bedeutung der medikamentösen Tumortherapie beim nichtmetastasierten Kolonkarzinom. Eine adjuvante Chemotherapie im UICC-Stadium III geht mit einer signifikanten Prognoseverbesserung von ca. 20 % Gesamtüberleben einher [22]. Im Stadium II haben Patienten mit Risikofaktoren (T4-Tumor, Tumorperforation, Notfalleingriffe, Anzahl untersuchter/exstirpierter Lymphknoten < 12) eine wesentlich schlechtere Prognose als Patienten im gleichen Stadium ohne Risikofaktoren und sollten daher eine adjuvante Chemotherapie erhalten [21].
Die Rolle der neoadjuvanten Chemotherapie bei der Behandlung lokal fortgeschrittener Kolonkarzinome wurde in den letzten Jahren untersucht. Eine randomisierte Studie aus Großbritannien zeigte, dass die kombinierte neoadjuvante/adjuvante Chemotherapie (Oxaliplatin, Folinsäure und 5-FU) vs. ausschließlich adjuvante Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Kolonkarzinomen eine geringere Rate an R1-Resektionen und ein signifikantes Downstaging zur Folge hatte. Eine Tumorprogression unter der laufenden neoadjuvanten Chemotherapie konnte nicht beobachtet werden [2, 12]. Studien haben gezeigt, dass die Computertomographie geeignet ist, lokal fortgeschrittene Kolonkarzinome hinsichtlich der T-Kategorie zu identifizieren und somit für eine neoadjuvante Chemotherapie zu selektieren bzw. das Ansprechen auf die Chemotherapie präoperativ abzuschätzen [1, 20]. Onkologische Langzeitergebnisse stehen allerdings noch aus.
Leber- und Lungenmetastasen
In der metastasierten Situation liegt die Fünfjahresüberlebensrate unter 10 %. Durch die medikamentöse Tumortherapie (Kombination von Zweifachtherapie und Antikörpern) sowie die aggressivere Indikationsstellung zur Metastasenresektion, verbessert sich mit einer Fünfjahresüberlebensrate von bis zu 50 % die Prognose für ca. 20 % der metastasierten Patienten erheblich [15]. Unter Anwendung verschiedener Chemotherapieprotokolle werden Ansprechraten bis 60 % und eine R0-Resektionsrate von bis zu 15 % erreicht [9].
Peritonealkarzinose
Liegt bei einem Kolonkarzinom bereits eine Peritonealkarzinose vor, kann die Indikation zur zytoreduktiven Chirurgie, gefolgt von einer hyperthermen intraperitonealen Chemotherapie (HIPEC), überprüft werden. Durch den Einsatz dieser Kombinationstherapie konnte ein signifikanter Überlebensvorteil im Sinne einer Verlängerung des medianen Überlebens von 12,6 auf 22,3 Monate gezeigt werden [27]. Zur Bestimmung des Ausmaßes der Peritonealkarzinose dient der Peritoneal Cancer Index (PCI). Liegt der PCI-Wert bei Patienten ohne zusätzliche extraabdominelle Metastasen bei unter 20, kann – sofern eine R0-Resektion möglich ist – in spezialisierten Zentren die operative Zytoreduktion mit HIPEC durchgeführt werden [21].
Perioperatives Konzept
Das ERAS-Konzept („enhanced recovery after surgery“) der multimodalen postoperativen Rehabilitation in der gastrointestinalen Chirurgie wird hierzulande in den meisten Kliniken in teils modifizierter Form umgesetzt. Ziel des Konzepts ist, die durch den operativen Eingriff ausgelösten pathophysiologischen Veränderungen wie Abgeschlagenheit, Darmatonie und Insulinresistenz zügig in den Griff zu bekommen. Zu dem Konzept gehören u. a. die frühzeitige Entfernung von gastralen Sonden und intrabdominellen Drainagen, der frühzeitige orale Kostaufbau, Stimulation der Darmmotilität, suffiziente Analgesie (epi-/peridural) und die frühzeitige Mobilisation. Mit zahlreichen Studien konnte belegt werden, das mithilfe des ERAS-Konzepts eine deutliche Verkürzung von Liegedauer bei signifikant geringerer Komplikationsrate erzielt werden kann [17].