Chirurgische Therapie bei primären Lebertumoren – Resektion und Transplantation
Die beiden häufigsten malignen Lebertumoren sind das hepatozelluläre Karzinom (HCC) und das intrahepatische cholangiozelluläre Karzinom („intrahepatic cholangiocellular adenocarcinoma“ [iCCA]). Primäre Lebertumoren können grundsätzlich aus allen in der Leber vertretenen histogenetischen Zellelementen entstehen. Das HCC ist ein primärer lebereigener Tumor mit hepatozytärer Differenzierung, die Ursprungszelle ist der Hepatozyt in unterschiedlichen Differenzierungsstufen, das iCCA ist definiert als intrahepatisch gelegenes Malignom mit biliärer Differenzierung [1]. Intrahepatische Cholangiokarzinome können in jedem Teil des intrahepatischen Gallengangs entstehen, von segmentalen Gallengängen bis hin zu den kleinsten Verästelungen der Gallengänge und tubulären Strukturen [2].
HCC sind relativ selten, gehören jedoch aufgrund der bisher relativ schlechten Prognose zu den zehn häufigsten Krebstodesursachen [3]. In Deutschland treten rund 8300 neue Erkrankungsfälle pro Jahr auf, mit einer annähernd gleichen Anzahl von Todesfällen. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt bei Männern 70 Jahre, bei Frauen 74 Jahre [1].
Großen Statistiken zufolge machen iCCA etwa 5–10 % aller primären bösartigen Lebertumoren aus, wobei die Prävalenz eine große geographische Schwankungsbreite zeigt. Hochinzidenzgebiete liegen in Asien, wo das endemische Vorkommen von ätiologisch relevanten Würmern (Opisthorchis viverrini und Clonorchis sinensis) dokumentiert ist. In den Vereinigten Staaten, die als Niedriginzidenzgebiet eingeordnet werden, geht man von 1–2 Neuerkrankungen/100.000 Einwohner aus (diese Zahlen könnten unseren gleichen). Das Durchschnittsalter der Patienten mit einem iCCA liegt bei 55 Jahren. Männer erkranken generell häufiger als Frauen. Die Inzidenz des iCCA nimmt stetig zu [1].
Chirurgische Therapie bei iCCA
Die iCCA bleiben häufig lange Zeit asymptomatisch und besitzen daher bei Diagnosestellung meist eine erhebliche Größe und Ausdehnung [4, 5, 6]. Unterschieden werden die beiden seltenen periduktal-infiltrierenden und intraduktal wachsenden Formen sowie der häufigere raumfordernde („mass-forming“) Typ [7]. Die beiden erstgenannten Varianten fallen meist durch einen Aufstau der nachgeschalteten Gallenwege auf (Ikterus), wohingegen der raumfordernde Typ klinisch meist als große solitäre oder multifokale, oftmals konfluierende Raumforderung imponiert, die häufig Kontakt zu großen Gefäßen besitzt oder diese infiltriert. Eine Cholestase mit Ikterus ist selten und beruht meist auf eine Kompression der Hepatikusgabel, seltener auf einer unmittelbaren Tumorinfiltration [4, 5, 8, 9].
Gegenwärtig stellt die radikale chirurgische Entfernung des Tumorgewebes die einzige kurative Behandlung des iCCA dar. Da iCCA überwiegend in einer nicht-zirrhotischen Leber entstehen, sind die erforderlichen ausgedehnten Resektionen häufig möglich. Über alle Tumorstadien hinweg werden nach R0-Resektion 5-Jahres-Überlebensraten zwischen 21 und 45 % erreicht [5, 6, 9, 10, 11, 12]. Fernmetastasierung, Multifokalität, Lymphknotenmetastasen und Gefäßinvasion sind wichtige prognoserelevante Faktoren nach R0-Resektion eines iCCA [6, 9, 12, 13, 14].
Analog zu anderen gastrointestinalen Tumorerkrankungen wird die chirurgische Therapie beim iCCA zunehmend in multinodale Konzepte eingebettet. In der BILCAP-Studie („Capecitabin compared with observation in resected biliary tract cancer“) fand sich ein medianes Überleben von 53 Monaten nach Resektion + adjuvanter Therapie gegenüber 36 Monaten nach alleiniger chirurgischen Therapie [15]. Die adjuvante Chemotherapie mit Capecitabin wird derzeit als Standard angesehen. Auch für die Effektivität einer neoadjuvanten Therapie liegen Daten vor. In einer französischen Multicenteranalyse fanden sich nach sekundärer Resektion initial irresektabler bzw. Borderline-resektabler iCCA vergleichbare Ergebnisse nach Resektion bereits initial resektabler iCCA, jedoch deutlich bessere Ergebnisse als nach alleiniger systemischer Chemotherapie [11]. Weitere Studien deuten zudem darauf hin, dass auch durch eine R1-Resektion in Kombination mit einer nachfolgenden Chemotherapie überlegene Überlebensdaten im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie erzielt werden können. Die Indikation zu einer palliativen Resektion (Debulking, R2-Resektion) ist nur in Einzelfällen gegeben [5, 6, 10, 16].
Bei isoliert intrahepatischen Tumorrezidiven nach potenziell kurativer Resektion (meist innerhalb der ersten 2 Jahre bei ca. der Hälfte der Patienten) wurden in den letzten Jahren alternativ zur Systemtherapie zunehmend lokal ablativ oder operativ behandelt. Dadurch konnten Resultate erreicht werden, die mit der primären Resektion vergleichbar sind [10, 17].
Die Lebertransplantation (LTX) hat beim iCCA derzeit nur einen geringen Stellenwert. Bei Patienten mit einem sogenannten „very early stage iCCA“ (solitäres iCCA < 2 cm) können 5-Jahres-Überlebensraten von 65 % erreicht werden [18]. In den aktuellen Richtlinien der Bundesärztekammer zur Organtransplantation wird eine LTX bei Patienten mit einem CCA nur im Rahmen von klinischen Studien empfohlen [19].
Chirurgische Therapie bei HCC
HCC entstehen in über 85 % der Fälle in einer zirrhotischen Leber. Vorliegen und Ausprägungsgrad der Zirrhose sowie deren zugrunde liegende Erkrankung sind für Diagnose, Therapie und Prognose entscheidend [8, 16, 20].
Die zurzeit in Überarbeitung befindliche deutsche HCC-Leitlinie wie auch die europäische Leitlinie empfehlen beim HCC in Zirrhose die LTX als Therapie der Wahl [16, 20]. Kontraindiziert ist sie bei extrahepatischen Tumormanifestationen sowie bei einer in der Bildgebung erkennbaren Infiltration großer Lebergefäße [19].
Bei noch kompensierter Leberfunktion stellt die Resektion eine Alternative zur Transplantation dar. Aufgrund der eingeschränkten funktionellen Reserve sind ausgedehntere Resektionen allerdings nur selten möglich. Resektionen bei Leberzirrhose gehen zudem mit einem erhöhten perioperativen Risiko einher, welches insbesondere durch eine portale Hypertonie gesteigert wird. Studien deuten darauf hin, dass die Morbidität durch ein laparoskopisches Vorgehen gesenkt werden kann [21]. In Analysen wird von 5-Jahres-Überlebensraten nach Resektion kleiner und solitärer HCC zwischen 30 und 55 % berichtet, in hochselektionierten Subgruppen sogar von bis zu über 75 % [22, 23, 24]. Abhängig von der Ursache der Leberzirrhose beträgt das Rezidivrisiko innerhalb von 5 Jahren nach Resektion 60 – 80 %, das durch die Resektion zwar die HCC-Läsion kuriert wird, nicht jedoch die auslösende Erkrankung (daher auch die Empfehlung zur LTX). Eine effektive adjuvante Therapie nach R0-Resektion bei HCC in Zirrhose fehlt bisher weitgehend. Für eine neoadjuvante Therapie gibt es bislang keine solide Evidenz [25]. Rezidive nach HCC-Resektion in Zirrhose sind häufig auf die Leber beschränkt, sodass in diesen Fällen eine erneute Resektion oder eine LTX individuell vorgenommen werden kann. Es wird von 5-Jahres-Überlebensraten von 60 % für die erneute Resektion und von bis zu 80 % nach Salvage-LTX berichtet [20, 26, 27].
Beim HCC in nicht-zirrhotischer Leber stellt die Resektion die Therapie der Wahl dar. Im Stadium M1 besteht meist keine Indikation mehr zur Resektion, isolierte Lungen- oder Nebennierenmetastasen können ggf. eine Ausnahme sein. Nach R0-Resektion eines HCC in nicht-zirrhotischer Leber werden 5-Jahres-Überlebensraten zwischen 26 und 60 % beschrieben [8].
Trotz potenziell kurativer Resektion tritt auch beim HCC in mehr als der Hälfte der Patienten innerhalb der ersten 2 Jahre ein Tumorrezidiv auf. Meist finden sich multifokale intrahepatische oder auch kombinierte intra- und extrahepatische Rezidive. Isolierte intrahepatische Tumorrezidive, die erneut reseziert werden können, sind selten. Bei Irresektabilität von lokal fortgeschrittenen Tumoren oder Tumorrezidiven kann auch beim HCC in nicht-zirrhotischer Leber eine LTX erwogen werden. Eine europäische multizentrische Analyse mit über 100 Patienten hat in diesen Fällen nach LTX ein 5-Jahres-Uberleben von 49 % und ein krankheitsfreies Überleben von 43 % ergeben [28].
Technische Aspekte bei der Chirurgie von iCCA und HCC
Bei Resektionen primärer Lebertumoren werden alle technischen Möglichkeiten der Leberchirurgie unter Berücksichtigung der funktionellen Restkapazität der Leber genutzt [5, 6, 8, 9, 10, 12]. Bei einer gesunden Leber können bis zu 80 % des Lebervolumens reseziert werden.
Der Standardeingriff beim HCC und iCCA in nicht-zirrhotischer Leber ist die anatomische Leberresektion. Neben der klassischen (erweiterten) Hemihepatektomie können bei kleineren Tumoren auch Segmentektomien und weniger verbreitete Techniken wie Sektorektomien oder Mesohepatektomien in Erwägung gezogen werden [5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12]. Ziel ist die R0-Resektion mit Einhaltung eines Sicherheitsabstands, für dessen Größe allerdings keine solide Evidenz existiert.
Insbesondere bei nicht-zirrhotischem Parenchym kann die Leber für eine Resektion konditioniert werden, wodurch Hypertrophieraten des FLR (funktionelles Leberrestvolumen) von bis zu 40 % erzielt werden können. Übliche Techniken sind die Pfortaderembolisation, selten die operative Pfortaderligatur [29]. Das Verfahren des „In-situ-Splits“ bzw. der „associating liver partition and portal vein ligation for staged hepatectomy“ (ALPPS), mit dem Volumenzunahmen des FLR von 60 bis über 100 % innerhalb einer Woche ermöglicht, wird wegen der zum Teil erheblichen perioperativen Komplikationsrate nur sehr zurückhaltend durchgeführt [30].
Neben ausgedehnten Leberresektionen sind vielfach auch Gefäß- und insbesondere beim iCCA Gallengangresektionen indiziert [5, 6, 8, 12, 31, 32]. Sofern ein kuratives Gesamtkonzept erreichbar scheint, stellen diese operationstechnischen Erweiterungen heutzutage keine Kontraindikation mehr zur Resektion dar, bedingen allerdings eine nicht unerhebliche perioperative Mortalität von bis zu 10 %.
Beim HCC in Zirrhose werden überwiegend kleine Resektionen und Segmentektomien, seltener auch Hemihepatektomien durchgeführt [22, 23, 24].
Bei primären Leberkarzinomen kommt der Lymphadenektomie in erster Linie eine diagnostisch-prognostische Bedeutung zu. Beim resektablen HCC ist die Inzidenz einer LK-Metastasierung mit 5 – 10 % insgesamt niedrig, wobei beim HCC in Zirrhose seltener lymphatisch metastasiert [8, 13, 14]. Beim iCCA ist die Inzidenz von Lymphknotenmetastasen mit etwa 20–40% deutlich höher als beim HCC.
Für die Resektion hepatobiliärer Tumoren wird überwiegend eine Lymphadenektomie gefordert, obwohl die hierfür zugrunde liegende Datenlage schwach ist. Da der Lymphabstrom der Leber sehr komplex und variabel ist, fehlt für Lebertumoren bislang auch eine Standardisierung der Lymphadenektomie. In verschiedenen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass der Nachweis von LK-Metastasen einen negativen Einfluss auf die Prognose von Tumoren der Leber (inklusive Lebermetastasen), des Pankreas und der Gallenwege hat [13, 33]. Neben der Gesamtanzahl der befallenen Lymphknoten scheint auch das Verhältnis befallener zu untersuchten LK (LK-Ratio) zumindest beim intrahepatischen (ICC) und perihilären Gallengangskarzinom (PHCC, Klatskin) prognostische Bedeutung zu besitzen.
Dennoch ist es Konsens, dass bei einer Lymphadenektomie immer der Leberhilus miterfasst werden sollte. Unklarheit besteht jedoch, wie „aggressiv“ die Dissektion des Lymph- und Bindegewebes im Leberhilus vorgenommen werden soll.
Bei Leberzirrhose geht eine hiläre Lymphadenektomie mit einer erhöhten Morbidität einher: venöse Blutungen infolge portaler Stauung, häufige respiratorische oder kardiovaskuläre Komplikationen, Wund- und intraabdominelle Infektionen [13]. Gelegentlich kommen auch ausgeprägte Lymphleckagen oder massive Aszitesentwicklung im postoperativen Verlauf vor. Aufgrund der vielfältigen postoperativen Risiken ist bei Leberzirrhose eine sehr exakte Abwägung zwischen Vorteil und Risiko einer Lymphadenektomie notwendig.