Jährlich ereignen sich in Deutschland rund 200.00 Unfälle bei der Gartenarbeit, bei der meist motorisierte Gerätschaften wie Rasenmäher, Motorsägen und Heckenscheren mit im Spiel sind. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis man im Notarztdienst- oder in der Ambulanz mit Amputationsverletzungen an Händen konfrontiert wird. Hier die wichtigsten Fakten, wie mit abgetrennten Fingern oder Teilen der Hand zu verfahren ist.
Dringlichkeit
Die Ischämiezeit des Amputats beginnt zum Unfallzeitpunkt und reicht bis zur erfolgreichen Anastomosierung der arteriellen Versorgung und somit bis in die OP-Zeit hinein. Demzufolge besteht bei jeder Amputationsverletzung äußerste Dringlichkeit, den Patienten samt Amputat auf die richtige Bahn zu bringen. Ob eine Replantation erfolgreich ist, hängt jedoch nicht ausschließlich vom Faktor Zeit ab, sondern auch vom fachgerechten Umgang mit dem Amputationsstumpf und der Asservierung des Amputats.
Amputationsstumpf
- Steriler Kompressionsverband
- Hochlagerung der Extremität
- Keine Reinigungsmaßnahmen
- Möglichst keine Gefäßligaturen
Die Blutstillung am Stumpf sollte idealerweise durch die Anlage eines Druckverbands und ggf. Hochlagerung der Extremität erfolgen. Die Amputationswunde wird vorab mit sterilen Kompressen bedeckt. Nach kompletter Durchtrennung ziehen sich Arterien etwas zurück und verschließen sich innerhalb kürzester Zeit durch Einrollen der Intima. Problematisch kann es bei partieller Durchtrennung einer Arterie werden, was ggf. eine direkte Kompression notwendig macht. Durchtrennte Venen sind generell unproblematischer, sie kollabieren meist spontan, spätestens aber im Druckverband.
Nach Möglichkeit ist auf die Ligatur oder das Fassen von blutenden Gefäßstümpfen mit Klemmen zu verzichten, da durch den Wegfall der beschädigten Gefäßstrecke die Reanastomosierung erschwert wird. Auch sollten Säuberung und das Entfernen von Fremdkörpern nicht vor Ort vorgenommen werden. Das kostet unnötig Zeit, kann Blutungen verstärken und im ungünstigsten Fall zusätzliche Läsionen verursachen.
Amputatversorgung
- Amputat in sterile Kompresse einwickeln (angefeuchtet mit 0,9%iger NaCl-Lösung)
- Amputat nicht in irgendwelche Lösungen einlegen, Mazerationsgefahr!
- Umwickeltes Amputat in wasserdichten Plastikbeutel geben
- Amputatbeutel in 2. Beutel geben mit Eiswasser (Wasser + Eis im max. Verhältnis 1 : 1)
- Ziel: plus 4° Celsius
Bei ordnungsgemäßer Verpackung und Kühlung des Amputats für den Transport in die Handchirurgie oder in das Replantationszentrum kann es auch nach vielen Stunden noch erfolgreich reimplantiert werden!
Das Amputat sollte in eine mit physiologischer Kochsalzlösung angefeuchtete (nicht durchtränkte!) sterile Kompresse gepackt werden (bei größeren Amputaten Bauchtuch o. ä. verwenden). Das Amputat muss umgehend auf etwa plus 4° Celsius gekühlt werden. Dazu wird es in einem Plastikbeutel samt Kompresse wasserdicht verpackt (Haushalts- oder Gefrierbeutel). Zur Kühlung kommt dieser Beutel in einen zweiten, wesentlich größeren Beutel, der mit Eiswasser gefüllt ist, und dann ebenfalls verschlossen wird. Das Verhältnis von kaltem Wasser und Eis darf maximal 1 : 1 betragen.
Tipp: Kleine Amputate, z. B. ein abgetrennter Finger, können auch mit einem sterilen OP-Handschuh verpackt werden. Dazu den größtmöglichen OP-Handschuh anziehen, das mit einer Kompresse umwickelte Amputat mit der behandschuhten Hand umgreifen, den Handschuh drüberziehen und zuknoten.
Ein Anfrieren des Amputats durch direkten Eiskontakt muss unbedingt vermieden werden. Empfehlenswert ist daher zusätzlich das grobe Zerkleinern der Eiswürfel und das gelegentliche Bewegen des Beutels mit seinem schwimmenden Inhalt. Das Asservat ist genauso sorgsam zu behandeln wie der Patient: vorsichtiger Transport und kein Anstoßen. Das verpackte Amputat darf nicht verloren gehen, daher Aufbewahrung an einem sicheren Ort.
Kommerzielle Amputatbeutel-Sets sind mit Vorsicht zu genießen. Sie bleiben in ihrer Effektivität und Effizienz häufig hinter der o. g. „klassisch improvisierten“ Beutelverpackung mit Eiswasser zurück. In Testserien mit Schweineohren und -pfoten schwankten die Temperaturen am bzw. im Amputat zwischen 0,1° und 20° Celsius (s. Quelle).
Auch sogenannte Mini-Amputate können wie vorgenannt versorgt werden: Abrisse der Nasenspitze, Ohrläppchen/-muscheln, Gewebestücke besonders aus dem Gesicht (sind immer wertvoll!).
Die Entscheidung, ob ein Amputat reimplantiert werden kann, trifft grundsätzlich der Handchirurg!
Transport
Sind Patient und Amputat versorgt, muss schnellstmöglich der Verlegung in eine Hand-/Replantationschirurgie mit freier Vakanz organisiert werden. Je nach Schwere der Verletzung und Distanz kommen ein bodengebundener „Blaulichttransport“ mit RTW oder ein schneller Lufttransport per Rettungshubschrauber in Betracht.
Quelle:
Chr.K. Lackner, M.W. Reith, A. Knöll R. Kerkmann, J.H. Widmann, L. Schweiberer , K. Peter Prehospital care of acute limb amputation. An experimental study on prehospital quality management Notfall & Rettungsmedizin 1999 · 2 :141–149